Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— — —

Heft 26.


Das heilige Recht.

Roman von Triedrich Larvobſen.
(Fortjegung.) ;

Nachdruck verboten.)
ir werden gar nicht in Abrede ſtellen, Herr
Doktor, daß der Arzt in vielen Fällen mit
Sicherheit den unausbleiblichen Tod eines
Patienten vorherſagen kann,“ ſagte Held
kühl und gemeſſen, „aber welche Folgerungen wollen
Sie an dieſe Thatſache knüpfen?“
„Was ſoll der Arzt thun, wenn er dem Leidenden
helfen möchte — mit der einzigen Hilfe, die es gibt —,

und wenn Jener ſelbſt darum bittet?“ war Körner's
Antwort.

„Seine Pflicht, Herr Doktor, nichts weiter als ſeine
Pflicht. Und Sie wiſſen ja, daß es die Pflicht des
Arztes iſt, bis zum allerletzten Athemzug auf dem Poſten
zu ſein im Kampf gegen den Tod — ein treuer Soldat,
und nicht ein Verräther und Ueberläufer.“

Die beiden Männer, die zuletzt das Geſpräch allein
geführt hatten, blickten einander ſcharf in die Augen.
Es war, als ob eine unbewußte gegenſeitige Abneigung
hier zum Ausbruch kommen ſolle, denn Körner zum Min-
deſten erſchien lebhaft erregt, und zwar mehr durch den
kühlen Widerſpruch, als über den Gegenſtand ſelbſt.

„Und wenn der Arzt menſchlich handelt, anſtatt
korrekt, was dann, Herr Direktor?“ frug er, ſcharf
jedes Wort betonend.

„Dann muß er ſeine Strafe leiden nach dem Geſetz.“

„Und Sie würden ihn vielleicht mit Freuden ver-
urtheilen?“

„Ich ſpreche Recht ohne Freude und ohne Schmerz.
Es iſt nicht mein Handeln und nicht mein Wollen,
ſondern ich bin nur das Werkzeug in der Hand des
heiligen Rechtes.“

„Nach dem Grundſatze: Es geſchehe nach dem Buch-
ſtaben des Geſetzes, mag auch die Welt darüber zu
Grunde gehen!“

Das Geſpräch wurde peinlich, und die Anderen
lenkten ab. Nach einex Weile brach der Direktor auf,
und auch Körner verabſchiedete ſich.

Als die Beiden gegangen waren, ſagte Wilde zu
ſeinem Nachbarn: „Unſer guter Doktor erweist ſich
einen ſchlechten Dienſt, wenn er den Direktor vor den
 
Annotationen