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nicht sicher, oder doch nicht mehr ſo ſicher,

Unthätige, der Läſſige iſt im Leben verloren,

hlierig, um zu ſehen, was passiert ſei, heraus,
îcjgiebt es? Wer ſchreit ſo fürchterlich?“

_ die Apotheke!“ — ,„IZ|ſt er tot?. ..“
ann das nicht ſehen!

. Offenbar war ein Unglücksfall geschehen.

' a
heft 6. I

fm

Fern im süd.
Roman

von

Woldemar Urban.

(Fortſezung.)






(Nachdruck verboten.)

]]as rätselhafte Verſchwinden ſeines Schütz-
f lings aus der Apotheke ſchien den Grafen
Galvän nachdenklich und ärgerlich zugleich
zu machen. Dieser Mann, den er glücklich
aus dem Gefängnis in Jrun befreit hatte,
war von ihm zu einer Art Deckung ſeiner
Stellung ausersehen. Er wollte im Not-
F fall auf ihn zurückgreifen können, er
wollte, wenn er ſelbſt einmal ins Gedränge kommen
sollte, diesen Mann, den die Behörde von Jrun noch
immer für Pedro Ayala hielt, den Behörden wieder
auf eine geſchickte Art in die Hände ſpieleaen.
und sagen: ,Seht, dort iſt euer Pedro
Anyala! Wozu ſucht ihr noch einen anderen?"
Aber damit er das konnte, mußte er ihn immer
in seinem Bereich haben oder doch wenigstens
seinen Aufenthalt wiſſen. Solange das nicht
der Fall war, hatte sein Regiſter ein Lehe.
i Galvän ſchlug ärgerlich nach einem Hund,
der ihm in den Weg lief. Seine Laune ver-
düſterte ſich zuſehends. Rings um ihn sah er
dunkle, drohende Wolken aufsteigen. Er stand

wie bisher, und wie er es wünſchen mußte.
Es mußte also etwas geschehen. Nur der

sagte ſich Galvin, alſo Thatkraft, Energie
brauchte es, um die Gefahren zu beſchwören.
Aber er mochte ſeine Stirn noch ſo ſehr run-
zeln und seine Augen mochten noch ſo ſehr
nachdenklich am Boden haften, es fiel ihm
tt e gs to: u e
Ein Y rü Weibergeſchrei und Getkreiſch,
das in seiner Nähe entſtand, störte ihn aus
seinem Grübeln auf. Was war geſchehen?
fragte er ſich. Was ſollte das tolle, gräßliche
Geſchrei nach Hilfe und nach allen Heiligenen
Aus den Hausthüren stürzten die Leute neu-

und alle Welt fragte: „Was iſt loss Was
„Holt einen Arzt!“ - „Schafft ihn. in

Das
Blut! Himmliſcher Vater, das ütut!" Z
Dutzende von Stimmen h ihcgeter. tiefen

Graf Galvän ſtand auf, bezahlte und wollte
ſich eben an Ort und Stelle begeben, als

man auch ſchon einen menſchlichen Körper

die Straße entlang trug. Der Mann, den

Uuſtri

| heruntergefallen und unters Rad gekommen ſein. “





-

man trug, ſchrie gräßlich; er mußte entſsetzliche.Schmerzen
s + haben. tich ſtehen.
entgegen.
„DWas iſt geſchehen, Senor?" fragte er einen der
herumlungernden Strolche. |
„Wer weiß?“ antwortete dieſer achſelzuckend. „Er
muß eingeſchlafen und im Schlaf von seinem Wagen

Die Leute kamen ihm

„Ein Fuhrmann?"

„Ja. Er fuhr Steine nach den neuen Quaibauten. “

„Wo hat er ſich beſchädigt ?" .
„Das Bein iſt ganz zerquetſcht, nur noch eine
breiige und blutige Mafßsſe. “ : ;

Man trug den Mann in die gegenüberliegende Apo-
theke. Wie eine wütende Meute drängten die Neu-
gierigen nach, als ob der gräßliche Anblick ein Hoch-
genuß für ſie wäre. Zwei Poliziſten wollten der Menge
wehren, aber da ſie ſelbſt neugierig waren und mit in
die Apotheke eintraten, die ſie hätten bewachen Jollen,
so stürzte die Menge ungeſtüm nach. Erst nach einigen
Minuten gelang es, Ordnung zu ſchaffen und den









Max Huido Freiherr v. Thielmann,
der neue Staatsſekretär des deutſchen Reichsſchay amtes. (S. 139)

rte F amilien-Z reitung.



A À#
rut!

Jahrg. 1898n



Raum von den Gaffern zu säubern. Aber das nervenauf-
regende gellende Geschrei des Verunglückten dauerte fort.
Endlich kam der herbeigerufene Arzt. Graf Galvän,

den es wie eine geheimnisvolle Macht ebenfals neh

der Apotheke zog, ſprach ihn an und trat mit ihm ein.

| Man hatte den Kranken, so wie man ihn gebracht, be-

ſchmutzt, blutig, mit zerriſſener Kleidung auf ein Bett

in einem Nebenraume gelegt. Er ſchrie und ſtöhnte

uu r t Ur eue q

Blutverluſt und die Schmerzen nicht ausgehalten und

U in Ohnmacht gefallen. Aber er war bei voller
eſinnung. - :

„Der enter hole euch alle!“ schimpfte er aufgeregt.
„Iſt kein Arzt da? Jort, ihr Schurken! Holt einen
Arzt. Seht ihr nicht, daß ich mich verblute? Soll ich
krepieren wie ein Vieh? Bei der Barmherzigkeit der
heiligen Jungfrau, einen Arzt, einen Arzt!“ .

„Da iſt der Arzt, " bemerkte Don Alvarez. „Be-
ruhigt Euch nur, Lopez, der Arzt iſt da. Er wird

Euch helfen.“

Aber der Kranke, von Schmerzen gepeinigt, in
Todesangst, beruhigte ſich nicht und ſchrie

und lärmte mit Aufbietung ſeiner letten
Kräfte weiter.

Der Arzt trat herzu.

„Weg, verdammter Hund |“ fuhr ihn der
Kranke wie wahnsinnig vor Schmerzen an.
„Was? Du ein Arzt? Ein Schinder biſt
du, aber kein Arzt. Willst mich wohl vollends
tot machen? Weg, sage ich, von mir! Ich
ſchlage dich nieder!"

Der Arzt blieb ruhig. Er mochte dieſen
Zuſtand der Nervenüberreizung infolge des
Uebermaßes von Schmerzen ſchon von anderen
Krankenbetten her kennen. ;

„Die Maske, Alvarez, und einige Tropfen
sglerefern.t sagte er halblaut zu dem Apo-
theker.

H Galvän stand still an einen Schrank ge-
lehnt und ſah der Scene nachdenklich zu. Er .
paßte ſo aufmerkſam auf, als ob die Vor
bereitungen zur Betäubung eines Menſchen
mittels Chloroform das Intereſſanteſte ſeien,

was man überhaupt ſehen könne. Wie der

. HUMzzt das eigentümliche Drahtgeſtell mit dem
weißwollenen Ueberzug, das wirllich faſt wie
eine Geſichtsmaske ausſah, dem Kranken über
Mund und Nase hielt, wie er dann aus einer
Flaſche von ganz dunklem Glas eine farb-
loſe, faſt waſſerhelle Flüſſigkeit auf die
Maske tropfte, wie der Lärm und das Ge-
ſchrei des Kranken sofort ganz anders klang
und allmählich jenen geiſterhaft lallenden, wie
unbewußten Ton annahm, bis es ganz ver-
stummte, und der riesenſtarke Mann betäubt,
wie tot dalag und kein Glied mehr rühren

konnte, + alles dies ſchien den Grafen Gal-
vän aufs höchſte zu intereſsieren. Als dann
der Arzt und Don Alvarez um den Kranken
beſchäftigt waren, um sein Bein zu unter-

uchen, trat Galvin unbemerkt an ein kleines
Tiſchchen, auf das der Arzt das Fläſchchen


 
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