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heft 24.

Da s Buch für Atte.

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Schönwalde. An einem geschüttten Orte in dem benachbarten

Wald, auf dem sogenannten „Brand“, werden die eingesen-
deten Bienenkörbe mit den Völkern aufgestellt. Ein besonderer
„Bienenvater“ überwacht die Sicherheit der Tiere, und für
die Nacht sind besondere Wächter angestellt. Am nächsten
Sonntag (im Septenber) treffen dann die Imker ein und

handeln lebhaft in An- und Verkauf um die Bienenvölker.

Da ſich in der Nähe des Bienenmarktes sehr viel Heidekraut
befindet, das von den Bienen gern aufgeſucht wird, bleibt
ſelbſt nach dem Markte ein Teil der Bienenvölker hier, weil
î die Imker es für wertvoll halten, daß ihre Bienenvölker
fhure! eine Zeitlang mit anderem Futter, als sonst versorgt
werden.

In der Praxis des Lebens giebt es keine Poesie, und ſelbst
Dinge, die wir mit poetiſchem Empfinden umgeben, dienen ein-
fach als Handelsware. Das sieht man zum Beispiel an dem
Edelweiß, deſſen Blume in Deutsſchland mit Verehrung be-

trachtet wird, und deren Blüten hier als Verkörperung der
_ Gebirgspoesie erſcheinen. Doch nicht der Deutsche allein liebt
dieſe CEdelweißblüten, auch für Nord- und Südamerika bilden
ſie einen guten Exportartikel, und ebenso liebt England und
Frankreich die getrockneten Blüten, die man als Dekoration
auf Bildern und Nippes verwendet. In Kärnten hat sich in
der Ortſchaft Unterpreth ein Ed elweißmartkt etabliert, und
eine Anzahl von Händlern, die in dem Orte ansässig ſind, kaufen
von den Gebirgsbewohnern jährlich Hunderttauſende der
Edelweißblüten, deren Pflücken bekanntlich nicht ungefährlich
iſt. Gerade, weil jetzt ein gewerbsmäßiger Markt in Edel-
weißblüten ſtattfindet, wird dieſe Blume der Gebirgspoesie
überall rückſichtslos gepflückt und an vielen Stellen der Alpen
iſt ſie bereits ausgerottet. In Unterpreth zahlen die Händler
für tauſend Stück Edelweißblüten 50 bis 60 Kreuzer. Die
Blumen kommen aus den versſchiedenen Ortschaften in Körben
an, werden hier sortiert und gehen in ſeeſicherer Verpackung

über den Ozean an die Großhändler in die fremden Erd:

teile. Die Aufkäufer in Unterpreth machen ein gutes Ge-
ſchäft, denn sie bekommen für die besten Sorten von Blüten
für tauſend Stück 10 bis 12 Gulden, ſelbſt die geringste
Sorte wird noch mit 1 bis 2 Gulden bezahlt.

Eine große Anzahl von Märkten giebt es sowohl in Nord-

_ und Süddeutſchland, die in den betreffenden Gegenden den

Namen Heiratsmärkte führen, und welche in der That

_ einem Bedürfnis, das ſich für Schließung der Ehen in ge-

wiſſen Kreiſen der ländlichen Grundbesitzer ausgebildet hat, ent-

ſprechen. Auf diesen Märkten, von denen sich wohl ein Dußend

und mehr anführen ließen, welche mehr oder minder große
Bedeutung für Cheſchließungen haben, finden sich die jungen
Mädchen mit ihren Angehörigen ein, aber auch heiratsluſtige
Männer. Vermittler, gewöhnlich weibliche, geben den männ-
lichen und weiblichen Heiratskandidaten Auskunft über die
gegenseitigen Verhältnisſe. Es werden auf einem ſolchen
Heiratsmarkte Hunderte von Bekanntſchaften angeknüpft,
die ſchon nach wenig Wochen mit Verlobung oder Heirat
endigen.

Die Herbſtjahrmärkte in Mecklenburg und Pommern führen
den Spottnamen ,„Sklavenmärkte“. Auf dieſen Jahr-
märkten wird nämlich für die Güter in Mecklenburg und
Pommern gleichzeitig neues Gesinde engagiert. Die Miets-
kontrakte für Knechte und Mägde lauten immer auf ein Jahr,
bis zum Herbſtjahrmarkt. Auf dieſen Jahrmärkten erſcheinen
dann nicht nur die Leute, welche Knechte und Mägde mieten

î wurollen, ſondern auch die Knechte und Mägde ſelbſt, die hier einen

neuen Herrn oder eine neue Herrin ſuchen. Gleichzeitig aber
finden ſich hier im Herbſt mit Beginn der rauhen Witterung
Hunderte, ja Tauſende von Taglöhnern ein, die im Sommer
bei Erntearbeiten beſchäftigt waren, und nun im Winter
Unterkunft als Drescher und für andere winterliche Arbeiten
der Landwirtſchaft Beschäftigung suchen. Unter diesen Tag-
löhnern ſind auch Hunderte von Strolchen und Stromern,
die im Sommer vagabundierend im Lande herumziehen und
ſich im Herbſt in Mecklenburg und Pommern treffen, um dort
für den Winter durch ein Engagement als Arbeiter ſich
wenigstens ein Dach über dem Kopfe und ein notdürftiges
Unterkommen zu verschaffen. Dieſe Art Arbeiter läßt ſich
auf dem Sklavenmarkte nur für die Wintermonate engagieren,



denn mit Beginn des Frühlings ergreiſt den Stromer die
Wanderluſt, und er zieht wieder auf und davon.

Cin anderer Markt, der uns Deutsche mit Abscheu erfüllt,
iſt der Vogelmarkt, der im Herbſt in allen Städten des
nördlichen Italiens stattfindet. In Italien fängt man leider
alle Singvögel, die sich auf der Reiſe nach wärmeren Gegen-
den befinden. Millionen der gefiederten Sänger, die bei
uns so beliebt ſind und so große Schonung genießen, fin-
den dort ihren Tod, um von den Jtalienern als Delikatesse
verſpeiſt zu werden. Während des ganzen Monats Oktober
finden die Vogelmärkte in den italieniſchen Städten statt,
und welche Verheerungen unter den armen Singvögeln an-
gerichtet werden, geht wohl daraus hervor, daß während des
Oktobers z. B. in der Stadt Brescia allein gegen 100 Zentner
Singvögel in totem Zuſtande als Delikatesse auf den Markt
gebracht werden. 100 Zentner sind 5000 Kilogramm, und da
man auf ein Kilogramm von den kleinen und mittelgroßen
Vögeln ungefähr vier Dutßend ~ 48 Stück rechnet, werden Hun-
derttauſende von Vögeln allein in Brescia alljährlich abge-
fangen, und wie in Brescia, so blüht in jeder großen und
kleinen Stadt, ja in jedem Dorfe Italiens der Vogelmartt.

Leider hat die italieniſche Regierung bis jetzt kein Geset
zu stande gebracht, das dieſem ſchändlichen Vogelmorden ein
Ende geſett hätte. A. O. Klaußmann.

Hchlaue Ausrede. + Der bekannte Zauberkünſtler Bella-
chini unternahm einst eine Weltreiſe, und bei dieser Ge-
legenheit wurde ihm die Ehre zu teil, ſich unter anderem auch
vor dem Sultan von Marokko produzieren zu dürfen. Nach-
dem er den Monarchen mit verschiedenen Kunstſtücken erfreut,
beſchloß er seine Vorstellungen mit einem ganz außerordent-
lichen Trick. Er nahm eine ſchneeweiße und eine graue Taube,
schnitt einer jeden den Kopf ab, ſtellte dann den weißen
Kopf auf die graue Taube und umgekehrt, worauf beide fort-
flogen, als wenn ihnen nichts geſchehen wäre. Dem Sultan
gefiel diese Vorführung ganz besonders, er ließ zwei seiner
Eunuchen, einen Neger und einen Marokkaner, kommen und
befahl Bellachini, beiden die Köpfe abzuſchlagen und sie umzu-
tauſchen, wie er es bei den Tauben gemacht hatte.

Der Künſtler war über dieſe Zumutung zunächſt erſchrocken,
verlor jedoch keinen Augenblick die Geiſtesgegenwart, sondern
ließ dem Sultan durch seinen Dolmetſcher sagen: ,Ver-
zeihung, großmächtigsſter Sultan, aber mein Apparat iſt
heute nur auf Tauben eingerichtet und nicht auf Menſchen.
Ich brauche daher mindestens vierzehn Tage, um alles für
die Vorstellung herzurichten.r". .

„Gut,“ sagte der Sultan, ,die vierzehn Tage sind dir
gewährt." . ;

Bellachini perließ aber ſchleunigſt den Palaſt und war in
der nächſten Stunde außerhalb der Stadt. ~dn -

Im Möbelwagen. —- Vor einigen Jahren wurden die
Leute, die an den Hauptverkehrsſtraßen des Rheins wohnen,
in Erstaunen gesezt durch einen besonders konstruierten
Möbelwagen, welcher langſam die herrliche Rheingegend
durchfuhr und so eingerichtet war, daß er einem jungen Che-
paar als Wohnung und Aufenthaltsort diente. Der sonder-

bare Reiſende war ein Amerikaner, der mit seiner jungen

Frau auf dieſe Weiſe die Hochzeitsreiſe unternahm. Einige
Zeit ſpäter erfuhr man, daß auch in Wien ſich ein ver-
mögender Mann einen Möbelwagen gekauft habe, den er sich
hochelegant als Wohnung einrichten ließ, um mit seiner jungen
Frau, die er ſoeben geheiratet hatte, in diesem Möbel-
wagen die Hochzeitsreiſe von Wien nach Abbazia und zurück
zu unternehmen. Auf dem Kontinent erregen dieſe möblierten
Möbelwagen noch immer großes Aufsehen, in England aber
iſt man diese Neuheit schon längst gewöhnt. man weiß sogar,
daß die vermögenden Leute dort darin wetteifern, die möglichſt
koſtbarsten Gefährte dieser Art zu besſißzen. In England, wo
man für Pferdezucht, für Pferderennen und Pferdefahren in
allen Volksſchichten ſchwärmt, giebt es Leute genug, welche

behaupten, die einzig angenehme Art zu reiſen sei die per

Achſe und mit Pferden und nicht mittels der Eiſenbahn. Es
giebt auch Weltreisende, die, des Aufenthalts und aller Ver-
hältnisse in den Hotels gründlich überdrüſſig, schon dazu ge-
kommen sind, sich eigene Gefährte anzuſchaffen, welche ihnen
gleichzeitig als Wohnräume dienen. Im Innern Englands



iſt der „Caravan“, das heißt der große, mit allem Luxus
ausgestattete Reiſewagen eine allbekannte Sache. Der Herzog
von Newcaſtle hat zum Beispiel einen Wagen , der fünfzehn
Fuß lang, sieben Fuß breit iſt und ihm 30,000 Mark ge-

kostet hat. Dieser Wagen hat drei. Abteilungen, eine kleine

Küche, einen großen Wohnraum, ausgestattet mit praktischen

Möbeln, einem Miniaturpiano, einer Schreibmaschine; ferne

einen Schlafraum mit Betten. Die Wände ſind dekoriert
mit Jagd- und Fiſchereiinſtrumenten. Außerdem beſitzt dieser

Wagen noch eine kleine Dunkelkammer, in welcher der Herzog

die photographiſchen Platten, die er durch Aufnahmen auf
ſeinen Reisen belichtet, sofort bearbeiten kann. Andere reiche
Personen, wie der Herzog von Portland und einige reiche
Induſtrielle, haben ſich gleichfalls derartige Wagen bauen
laſſen, die nicht nur sehr praktiſch eingerichtet, sondern auch
mit dem größten Luxus ausgestattet ſind. Alle Thürgriffe,

Haſpen und Metallbeſchläge ſind aus Silber hergestellt, die
kleinen Fenster der Wagen — letztere haben faſt immer das

Aussehen eines gewöhnlichen Möbelwagens, wenigstens was
die äußere Gestalt anbetrifft + ſind aus dem feinſten, ge-
ſchliffenen Glas hergestellt, die inneren Wände mit poliertem
Mahagoniholz ausgelegt, die beſten Gemälde sind in den
Wohnräumen aufgehängt, und in manchen Wagen giebt es
auch noch besondere Räumlichkeiten für die mitgenommene
Dienersſchaft, zu welcher unvermeidlich ein Koch gehört. Bei

den Reisen, die meiſt in England selbſt unternommen werden

und deren beliebtestes Ziel Schottland ist, wo man von diesen
Möbelwagen aus allerdings wundervolle Ausblicke auf die
ſchottiſche Landschaft hat, nehmen die Leute entweder eigene
Pferde mit, oder sie bauen sich Motorwagen. Das Reisen
in dieſen Wagen iſt sehr teuer, soll aber außerordentlich

viele Annehmlichkeiten haben. Für einen leidenſchaftlichen

Angler zum Beispiel, der im ſchottiſchen Hochgebirge sich
in der Nähe eines einsamen Gebirgsbaches niederläßt, um
hier nach Forellen zu fiſchen, bietet ein solcher Wagen in
unmittelbarer Nähe der Angelstelle den denkbar größten
Komfort. Nicht nur Herren, sondern auch Damen ziehen mit
diesen Wagen in England zur Jagd, Fiſcherei, oder nur um
ſich die Gegend anzuſehen herum, und bei längerem Aufent-

halt wird neben dem Wagen noch ein Zelt für die Diener-

ſchaft, für den Koch, Kutscher u. s. w. aufgeschlagen. A. O. K.
Rauchen verboten! + Bekanntlich war das Tabakrauchen

auf den Straßen einer Stadt bis zum Jahre 1848 in Deutſch-

land verboten. Wie streng dieſes Verbot in Berlin aufrecht

| erhalten wurde, darüber berichtet im Jahre 1848 der Schrift..

ſteller F. G. Kühne: „Als ich gestern mit der noch brennenden
Zigarre aus dem Hauſe ſchritt, ergriff mich ein Diener der

Gerechtigkeit, fuhr mich dreiſt, wenn auch nicht unhöflienngr aa

und bat sich zwei Thaler aus. Er war in Uniform. Ich
hätte ihm folgen inüssen, falls ich mich geweigert, ihm gleich
beim Standrecht die Strafe zu zahlen.

„Verfährt man so streng hier gegen das Rauchen auf

der Gasse ?” fragte ich. „Zwei Thaler ist viel Geld."

„Ja, mein Herr,“ sagte der Polizeioffizier, „nicht daß Sie
rauchen, wird so hart beſtraft, sondern daß Sie ſich dabei
ertappen lassen !“ i D.

Im Examen. — Aus den Studienjahren des verstorbenen
Dr. Cduard v. Simson, des späteren Reichsgerichtspräsidenten,
(siehe S. 582), erzählt man sich folgendes luſtige Erlebnis :
Simson stand eben im Begriff sein erstes Eramen zu machen,
als er unterwegs mit einem anderen Kandidaten der gleichen
Absicht zuſammentraf.

Das Gespräch drehte ſich natürlich um das Examen, wo-
bei Simsons Kollege ſich ſehr besorgt wegen des Pandektenrechts
aussprach, da er sich darin ziemlich ſchwach wiſſe. Simſon

tröſtete ihn mit dem Bemerken, er hoffe ihm behilflich sein

zu können, wenn er in dieſem Zweige vor ihm dran käme.

Als ihm der Zufall hierin willfahrte und er ſich als ein so

tüchtiger Jurist zeigte, daß die erstaunten Examinatoren die
Frage an ihn richteten, bei wem er seinen Unterricht darin
genoſſen habe, antwortete er, auf seinen Kollegen weisend :
„Das wenige, das ich davon verſtehe, verdanke ich hier
meinem Freunde." Natürlich verzichteten nun die Herren
darauf, diesen zu prüfen, und beide bestanden das Examen
glänzend. ; –dn–



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ſind die Hauptetappen dieser Reiſe, die wohl wie keine andre Tour durch den Wechsel von Natur- und Kulturerſcheinungen die stärksten Eindrücke hinterläßt. .

Ein lebenstreues Bild der in Frage stehenden fernen Gegenden rollt C. W. Allers, der Meister unter unsern Zeichnern, in dem auf seiner jüngst vollendeten Weltreiſe ent-
standenen Werke „Rund um die Erde“ auf. In Hunderten von Illustrationen entwirft der Künſtler eine eigenartige, anschauliche Charakteristik von Land und Leuten. Dazn
kommt, daß er selbſt es unternommen hat, seine und seiner Reisegenosſen Schicksale zu beschreiben. ~ Allers als Humorist + wer kennt ihn nicht aus den Briefen, die bisher be-
kannt geworden sind! Die joviale Grundstimmung seines Wesens iſt aber nie so trefflich zum Ausdruck gekommen, als in den Schilderungen dieser nenzeitlichen Odyssee, deren Scenen
bald in den feinsten Hotels der Welt, bald in elenden Dörfern exotischer Völker sich abſpielen. .. :

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