Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 35.1900

DOI Heft:
Heft 10
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56331#0252
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heft 10.

Da fr 4

251



den die Hautpflege. Sie beſteht darin, die Haut gegen
Witterunggeinflüſſe abzuhärten und ſie zur Entlaſtung
der Nieren hHeranzuziehen. Denn die Haut ſcheidet
nicht nur Waſſer im Schweiß aus, ſondern auch in
demſelben gelöſte Harnbeftandteile. Die Abhärtung
der Haut ift bei Nierenleidenden am beſten nach dem
folgenden, von Profeſſor v. Ziemßen angegebenen Ver-
fahren vorzunehmen.! Der Nierenleidende wird beim
Verlaſſen des Bettes mit einem Laken, das in lau-
warmes Salzwaſſer von drei Prozent Seeſalzgehalt
getaucht und gut ausgerungen iſt, eine halbe bis eine
ganze Minute auf der ganzen Körperoberfläche ab-
gerieben und darauf mit einem trockenen, etwas er-
wärmten Laken ſanft abgetrocknet.! Nur bei großer
Empfindlichkeit darf der Leidende in das Bett zurück.
Wenn irgend angängig, ſoll er ſofort die Kleider an-
legen und ſich Bewegung, bei warmer Witterung im
Freien, machen. Die Temperatur des Salzwaſſers
betrage anfaͤnglich 25 bis 26 Grad Peaumur und
werde von Tag zu Tag um einen halben Grad er-
niedrigt. Jedoch ſoll ſie nicht unter 18 Grad Reaumur
herabgehen! Spürt der Kranke Fröſteln oder Unbe-
hagen nach der Abreibung, ſo iſt die Temperatux des
Waſſers wieder etwas höher zu nehmen. Iſt das Salz-
waſſer für die Haut des Leidenden zu anreizend, ſo
kann man dafür einfaches Waſſer von den gleichen
Temperaturen nehmen.

Zur Anregung der Hautthätigkeit können ferner
von Zeit zu Zeit warme Bäder gebraucht werden.
Eine höhere Temperatur als 27 Grad Reaumur darf
indes ohne ärztliche Verordnung nicht angewendet
werden. ;

Endlich iſt auch die Bekleidung der Nierenleidenden
zweckmäßig einzurichten Es handelt ſich hierbei haupt-
fächlich darum, plötzliche Abkühlungen des Körpers bei
ſchweißbenetzter Haut zu verhindern! Mit Recht werden
daͤher den Nierenleidenden wärmende und ſchweißauf-
ſaugende Unterkleider empfohlen. Gewöhnlich benußt

man ſolche aus Wolle.
ſehr nützlich, doch ſollten ſie nicht winters wie ſom-
mers gelragen werden. Durch das beſtändige Tragen
von woͤllenen Unterkleidern auch in der warmen Jahres-
zeit verweichlicht man ſeine Haut unnötig, ſo daß,
wenn ſie trotz aller Vorſicht doch gelegentlich Abküh-
lungen ausgefetzt iſt, ſie um ſo weniger widerſtands-
fähig ijft. Aus dieſem Grunde iſt es ratſam, daß der
Nielenleidende nur im Winter wollene Unterkleider
benutzt, mit der zunehmenden Erwärmung im Frühjahr
fann er dann zu leichteren Unterkleidern aus feinem
Flaͤnell übergehen, um ihnen im Sommer ſolche aus
dünner Baumwolle folgen zu laſſen.

Der Nierenleidende hat ſich alſo viele Einſchrän-
kungen und Entbehrungen aufzuerlegen. Namentlich
im Anfang wird ihm die Erfüllung der hygieiniſchen
Forderungen ſchwer werden. Und doch liegt es in
feinem eigenen Intereſſe, ſie aufs pünktlichfte zu be-
folgen. Thut er das, ſs wird er bald die wohlthätigen
Folgen der geregelten Lebensweiſe an ſich wahrnehmen
und er kann bei ſtrenger Durchführung derſelben ein
hohes Alter erreichen.

Mannigfaltiges. Gachdruck verboten.)

„„Blumen des Südens,‘“ — Kanephoren hießen im alten
Athen die Jungfrauen, welche bei den Prozeſſionen zu Ehren
gewiſſer Goltheiten einen Korb mit heiligen Geräten auf vem
Kopfe trugen! Wegen ihrer anmutigen und gefälligen Hal-
tung wurden ſolche weibliche Geftalten häufig von der bilden-






den Kunſt davgeftellt, und an fie erinnert auch die glutäugige
Schöne, die ein moderner Maler, S. Eismann-Semenowokh,
auf ſeinem Gemälde Blumen des Südens wiedergegeben hat.
Farbenpraͤchtige Blumen ſind es, welche die Schöne auf dem
von dunklem Haar umrahmten Kopfe trägt, und daß ſie ſelbſt
gleich dieſen Kindern Floras eine Tochter des Südens iſt, zeigt
uns die phantaſtiſch⸗reizvolle Tracht, die ihre ſchöngebauten
Glieder umhüllt. Sie paſſen vortrefflich zuſammen, die ſchönen
Blumen und dieſe holde Maid, von der des Dichters Worte gelten:

Solch ein Antlitz ſah
Nie zu Stambul der Harem des Padiſchah —
Nie ſäumte zwei Augen ſo groß und klar
Der langen Wimpern ſeidenes Haar.“

Von dieſem Bilde hat nun die Union Deutſche Verlags-
geſellſchaft in Stuttgart eine mit 18 Farbplatten gedruckte
Nachbildung herſtellen laſſen, ein Kunſtblatt größten Foͤrmates,
deſſen techniſche Vollendung beweiſt, daß jene Zeit längſt
überwunden iſt, als man dem Buntdruck noch künſtleriſche
Beachtung und Bedeutung abſprechen durfte. Fetzt bildet er
zugleich ein Hauptmittel, hervorragende Kunſtwerke populär
zu machen, und Gemälde, die ſonſt nur Muſeen oder die
Räume reicher Leute ſchmücken, jedermann um ganz billigen
Preis und in einer vom Original kaum zu unterſcheidenden
Nachbildung zugänglich zu machen. Gerade gegenwärtig, wo
ſo mancher durch die oft ſo ſchwierige Auswahl eines paſſen-
den Feſtgeſchenkes in Verlegenheit geſetzt wird, möchten wir
darauf hinweiſen, daß jenes prachtvolle Oelfarbendruckbild
Blumen des Südens! für den Preis von nur einer Mark
unſeren Leſern wie allen Kunſtfreunden überhaupt zur Ver-
fügung fteht. Da das Kunſtblatt die ganze Farbenpracht und
den höhen Reiz des Originals wiedergiebt! ſo ſtellt es ein
Geſchenk dar, das jedem, der es erhält, Freude bereiten wird;
ein Blatt von höherem Kunſtwert und vollendeterer Aus-
führung dürfte ſchwerlich ſchon jemals zu einem ſo geringen
Preiſe dargeboten worden jein. Beſtellzettel iſt dem vor-
liegenden Hefte beigefügt. F. R.

Ireten in Trausvaal. — Die Art und Weiſe, wie der
Bur freit, iſt ſehr patriarchaliſch und entſpricht ganz und gar dem
Nationalcharakter. Der junge Bur, der das heiratsfähige Alter
erreicht hat — und dieſes beginnt ſchon mit dem achtzehnten
Jahre —, ſattelt ſein Pferd, nimmt ſeine Büchſe und etwas
Mundvorrat mit ſich und reitet nach der nächſten Farm. Dort
ſattelt er ab, wird als Gaſt empfangen, bleibt den Tag über
im Gehöft und abends, das heißt unmittelbar nach Sonnen-
untergang, wenn die Familie ſchlafen geht, drückt der Freier
dem Baas, dem Hausherrn, den Wunſch aus, mit der Tochter,
auf die er ein Auge geworfen hat, etwas plaudern zu dürfen.
Dieſer Wunſch iſt immer das Zeichen, daß der junge Mann
als Freier fommt. Der Wunſch wird auch gewährt. Die
Mutter bleibt im Zimmer, während alle anderen Verwandten
ſich zur Ruhe begeben, und die Tochter geht hinaus und kehrt
mit einem Licht zurück, das ſie auf den Tiſch ftellt. Il
das Licht mur kurz, ſo iſt dem Freier damit angedeutet, daß
ſich das Mädchen aus ſeiner Bewerbung nicht viel macht;
iſt das Licht dagegen lang, ſo zeigt das deutlich, daß eine
etwaige Bewerbung günſtig aufgenommen werden wird-
Während das Licht nun herabbrennt, ſitzen die drei Perſonen,
die Mutter, die Tochter und der Freier, zuſammen im Zimmer.
Geſprochen wird wenig, denn die Buren ſind ſehr ſchweig-
jam. Der Freier raucht und ſpuckt, die Mutter nickt hin und
wieder ein, und die Tochter beſchäftigt ſich mit Handarbeiten.
Iſt das Licht herabgebrannt, ſo gehen auch die drei haͤndeln-
den Perſonen dieſes Dramas zur Ruhe! Am nächſten Tage
ſattelt der Freier ſein Pferd und reitet zur nächſten Farm,
um ſich auch dort die Töchter des Hauſes anzuſchauen! So
bleibt er vierzehn Tage bis drei Wochen unterwegs und er-
klärt ſich dann endlich für ein Mädchen, das er gewöhnlich
acht Tage nach der Verlobung heiratet.

Das Selbſtändigwerden iſt den jungen Leuten ſehr leicht
gemacht. Der junge Mann bleibt bei ſeinem Vater oder
Schwiegervater als „bywoner“ (Beiwohner), das heißt, es
wird ihm ein Stück Land zum Ackerbau oder zur Viehzucht
abgetreten, das er auf eigene Koſten bewirtſchaften darf.
Gewöhnlich iſt er ſchon nach einigen Jahren in der Lage,
aus ſeinen Erſparniſſen ſich ſelbſt neues Laͤnd hinzuzukaufen
oder „zU trecken“, das heißt fortzuziehen und an anderer




Stelle, wo noch keine Anſiedelung iſt, Land in Beſitz zu
nehmen und eine Farm anzulegen. DE
Bier Nadeln. — In den vornehmen Kreiſen der pol-
niſchen Emigranten in Paris machte einſt eine Broſche der
Gräfin N. viel von ſich veden. Von zwanzig Brillanten um-
ſchloſſen, ſah man auf dem tiefblauen Grunde eines Edel-
ſteines, der mit einem Glaſe überdeckt war, vier verbogene,
halb verroſtete, meſſingene Stecknadeln, wie zu einem Stern
zuſammengefügt. Mit dieſem ſeltſamen Schmucke hatte es


in ſeiner Heimat in dem Verdacht geſtanden, verderbliche
Politik getrieben zu haben, und wurde in einer Nacht von
Polizeibeamten vhne weiteres Verhör ſeiner Familie entriſſen.


und warf ihn dort in ein feuchtes, dunkles Gefängnis. Tage,
Wochen, Moͤnate vergingen, ohne daß ein Richter ihn zur
Der Unglückliche ſah ſich jeder Hilfe be-
raubt. In Totenſtille und Dunkelheit gleichſam begrahen,
fühlte er nicht nur ſeine Kräfte ſchwinden, auch ſein Geiſt
verwirrte ſich — eine namenloſe Angſt ergriff ihn; ev zit-
terte nicht mehr vor ſeinen Richtern, er zitterte vor ſich ſelbſt.
In der Erkenntnis dieſer Gefahr war ſein Sinnen und Trach-
ten darauf gerichtet, irgend etwas zu finden, das ihn der
doppelten Qual des Müßig⸗ und Alleinſeins entriß und vor
Irrſinn zu bewahren vermöchte. Vier Stecknadeln, die zu-
fällig in ſeinem Rocke geweſen waren, hatten ſich den Blicken
ſeiner Peiniger entzogen. Sie ſollten ſeinem Geiſte zur Rettung
werden. Cr warf die Nadeln auf die Erde ſeines düſteren
Kerkers und bemühte ſich, ſie wieder aufzufinden! Als er ſie
nach mühevollem Suchen endlich wieder gefunden hatte, wieder-
holte er dasſelbe Spiel immer und immer wieder von neuem.
Tagelang ſitzend, knieend und mit den Händen herumtaſtend,
gelang es ihm, die abſichtlich ausgeworfenen Nadeln zu ſam-
meln. Dieſes furchtbare und doch ſo wohlthätige Spiel dauerte
— ſechs Jahre! Da endlich öffnete ein großes politiſches Er-
eignis plötzlich den Kerker des Gefangenen. Der Graf hatte
die Nadeln gerade wieder von neuem ausgeſtreut, er wollte
aber ſein Gefängnis nicht verlaſſen, ohne ſie, die ihn vor
Verzweiflung und Irrſinn bewaͤhrt hatten, mit ſich zu nehmen.
Sn der hereinſtrömenden Tageshelle fand er ſie fchnell. Als


mit heiligem Eifer nach dieſen Navdeln. Dieſe meſſingenen
einfachen Stecknadeln, ſechs furchtbare Yahre hindurch aus:
geſtreut und immer wieder gefunden, waren ihr zur Reliquie
zeworden; ſie ließ ſie in einem Rahmen von Brillanten, der
Tauſende von Franken gekoſtet, faſſen und trug ſie nun als
ungleich hoͤheren Schatz fortan auf ihrer Bruft. —
Das Kummerfeldſche Baſchwaſſer, das bekannte kos-
metifche Mittel, iſt, was nicht allgemein bekannt ſein wird-
die Erfindung einer Schauſpielerin! Karoline Schulze wurde
1743 in Wien geboren, trat zuerſt 1758 als Schauſpie-
lerin auf, ging zur Ackermannſchen Geſellſchaft nach Ham-
burg, dann zur Kochſchen nach Leipzig. Sie zeichnete ſich
auf den Brettern aus durch hervorragende Rollen, ſo unter
anderen als „KJulia“ in Romeo und Julia! und als Minna
von Barnhelm“. Der junge Goethe und der Profeſſor Clodius
verehrten ſte ſehr. Von Leipzig ging ſie wiedex nach Ham-
burg, wo ſie den 19 Jahre älteren Bankbuchhalter Kummer-
feld heiratete. Dieſer ſtarb zu Anfang des Jahres 1777,
und ſie betrat aus Not die Bühne wieder am 11. Auguſt.
In den folgenden Jahren war ſie an verſchiedenen Theatern
Hhätig, entfagte aber Oſtern 1785 für immer der Bühne
und errichtete in Weimar eine Nahſchule! Außerdem lebte
ſie von dem Verkauf des von ihr bereiteten und nach ihr he-
nannten Waſchwaſſers, deſſen günſtige Wirkung ſie an ſich
ſelbſt probiert hHatte. Yn großer Dürftigkeit ſtarb die einſt
gefeierte Frau am 20. April 1815. 2
Ichuell gefaßt, — Der berühmte Schauſpieler Theodor
Döring erlaubte fich bisweilen, ſeine Kollegen durch Worte,
die nicht in ſeiner Rolle ſtanden zu verwirren namentlich wenn
er bei guter Laune war und wenn er merkte, daß die Schau-
ſpieler und das Publikum ſeine Stimmung teilten. Einſt wollte
nun ein Kollege an ihm Rache nehmen und ertemporiexte des-
halb: Da ſtehen wir nun wie ein Paar Ochſen am Berge,!
und meinte, Doͤring dadurch in Vexlegenheit zu bringen.
Döring blieb jedoch ernſthaft, ließ ſich dann auf einen
Seſſel nieder und ſprach ſalbungsvoll: „Ich ſitze!! E &.


















Weiter Beckers „Erzählungen aus der alten Welt“,
 
Annotationen