Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heft 5. Illustrierte Familien-Zeitung. Ahrg. mi.


Drr Untersuchungsrichter.
Rvinait von H. v. Heldrungov.
(Fvrksvtzimg.)
(dilichdruck Verbote!!.)
Klsie^. KcrpiteL.
Lebensweg der Marchesa Esperanza de Rossi,
der Mutter Nodolfos, war ein sehr abwechslungs-
reicher gewesen. Sie stammte aus einer kleinen
Bauernfamilie. Ihre Eltern hatten einiges Land bei
San Sebastiano, unterhalb der Abhänge des Vesuvs,
in Pacht gehabt und Weinbau betrieben. Die Familie

schlug sich damit ärmlich und erbärmlich durch, und
als der Marchese de Rossi, der Vater Rodolfos, sich
damals auf einer Vergnügungsreise in die frische, außer-
ordentlich bestechende Schönheit der kleinen Esperanza
vergaffte und sie zur Frau Marchesa machte, da jubelte
alles auf über das strahlende Glück, das damit dem
jungen Mädchen beschieden wurde.
Und doch war dieses angebliche „Glück" der erste
Stoß, den ihre kleine, aber ruhige Existenz erlitt. Sie
wurde herausgerissen aus dem Kreis, für den sie ge-
boren war, dessen Anschauungen, Bildung und Sitten
sie verstand und teilte. Sie hatte natürlich so gut
wie nichts gelernt. Notdürftig Lesen und sehr —
aber sehr notdürftig Schreiben — das war ihre ganze
Wissenschaft, und daher gelang es ihr nie, sich in der

Gesellschaft, in die sie durch ihre Heirat trat, ein-
zubürgern. In keiner Zeit, auch damals nicht, als
ihr Mann noch in guten Verhältnissen war, konnte sie
irgendwie in der römischen Adelsgesellschaft Fuß fassen,
die höhnisch die Nase über sie rümpfte.
Sie machte sich nicht viel daraus. Ihre junge,
urwüchsige Kraft widerstand einige Zeit noch der un-
gesunden Umgebung. Von Natur hingebend und
zärtlich, fand Esperanza volles Genügen in der Liebe
ihres Mannes. Aber dieser wurde ihrer bald über-
drüssig und ließ sie das auch mit der ganzen Bruta-
lität eines rohen, römischen Pflastertreters, der er
war, merken. Der immer bedrohlichere Verfall seiner
Vermögensverhältnisse und seine unsauberen Machen-
schaften kamen dazu, ihr die Augen zu öffnen.

Jas neue Deutsche Scharrspiethaus in Kamöurg. Nach einer Photographie von Walther Schultz in Hamburg. (S. 128)
 
Annotationen