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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

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Heft 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.44085#0268
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Heft it Illustrierte Zunlllien-Deitung. Iahrg iM.



Nun flössen die Tage dahin, unverändert wie
bisher. Nur daß ans ihrem Hintergründe heraus
das drohende Gespenst sich immer näher zwischen die

schweigsamen Gatten schlich. Mochte Marie Anto-
niens übervolles Herz mitteilender Aussprache noch
so bedürftig sein, mochte ihre fnrchtgequälte Liebe
noch so heiß danach verlangen, den Gegenstand

Vas alte unä äa; neue katbaus in krsiburg i. (5. 267)
Nack s!ner ptwtagraMe von s. Nöbcko in kreidusg i. m.

ti?snn 6u Mick liebst.
ltomcni von Georg Hnrtvoig (Cminij lioeppel).
ikortistrung.)

Zimmer, bevor die Baronin sich von ihrer ebenso
unvorhergesehenen als gründlichen Niederlage zn er-
holen im stände war.
Drunten wartete der Wagen. Marie Antonie
stieg hastig ein. Fort rollten die Räder, wieder in
das graue Nebelmeer der Ebene hinein, welches der
Wind zu einem feinen, kalten Sprühregen verdichtete.
Wieder starrte Marie Antonie ans die vorüber-
huschenden Bänme, in das trostlose Wettergran.
Wie alt, wie alt kam sie sich vor! Wie niedergedrückt
auch! Als habe sie einst Flügel besessen und durch
rauhe Hände eingebüßt.
Als sie Maximilian gegenüberstand, beugte sie
sich schweigend über seine Hand und küßte sie. Es
war die stille Abbitte, welche sie ihm für ihr Zn-
widerhandeln gegen sein besseres Wissen leistete.

Mackdruck verdoten.)
ie Baronin Lüttmig erhob sich nut steifer
Würde, sie war offenbar durch den Vor-
wnrf Marie Antoniens tief beleidigt. „Man
ist daran gewöhnt, statt Tank Undank zn
ernten," sagte sie förmlich.
„Undank! Von mir?" Mit diesem hoheitsvollen
und doch schmerzlichen Lächeln auf den Lippcn war
Marie Antonie wunderbar schön. „Ja, ich könnte
mich hinreißen lassen durch dein Verhalten, undank-
bar zu sein in dieser Stunde. Ich könnte dir vor-
werfen, daß du es warst, die ungerufen sich in mein
Leben drängte nnd die Gestaltung meines Schicksals
gegen Papas
Willen selbstän¬
dig in deine Hand
nahm. Beschul¬
digen könnte ich
dich, daß du da¬
mit den Keim
legtest zu allem
Kummer, der
jetzt über unser
Haus — durch
mich — herein¬
bricht. Das
könnte ich."
Sie schwieg.
Ihre strahlenden
Augen verdun¬
kelten sich aufs
neue durch Thrä-
nen.
„Ich thue es
nicht. Aber," sie
richtete ihr Haupt
höher auf, „für
die bittere Ent¬
täuschung dieser
Stunde mache ich
dich verantwort¬
lich. Liebe hast
du mir nur ge¬
heuchelt , eiue
falsche Freundin
bist du mir ge¬
wesen. Mit die¬
ser Stunde habe
ich alles, was du
— aus welchen
Gründen es auch
geschehen sein
mag — an mir
gethan hast, reichlich abgetragen. Wir haben nun
nichts mehr miteinander gemein, ob wir uns wieder-
sehen mögen oder nicht."
Sie wandte sich ab und schritt rasch aus dem

ihres beiderseitigen Grames zn erörtern, die Zu-
rückhaltung des Grasen vereitelte jeden Versuch im
voraus.
„Ich liebe es nicht, nutzlose Reden über eine An-
gelegenheit zu machen, die lediglich durch Thatsachen
entschieden wird," sagte er.
Aber sie ahnte doch mit zartfühlendem Instinkt,
daß Maximilian, als er den Landesherrn in die
obwaltende Streitigkeit eingcweiht, alle Möglichkeiten
erwog, seinen Rückzug mit bester Ausnutzung aller
verfügbaren Mittel vorznbereiten.
Wie unsäglich hart diese langsame Loslösung,
diese selbstvollzogene Enteignung ihm aukam, wieviel
schlaflose Nächte und überarbeitete Tage sie ihm
schufen, sah Marie Antonie nur allzu deutlich. Sein
blondes Haupthaar ergraute. Wie eine Zentnerlast
fiel ihr der Anblick aufs Herz.
„Wie steht's jetzt?" fragte sie einmal überwältigt
und erfaßte seine Hand. „Mir ist's, als ginge mir
der Atem aus in diesem Warten. Mich ängstig-
ten so schwere
Träume."
„Träume!"
sagte er achsel-
zuckend. „Die
Zeit, sich um
Träume zu küm-
mern, ist gerade
gut gewählt. Du
thust besser, festen
Fuß in der Wirk-
lichkeitzufassen."
„Kommt der
Justizrat denn
gar nicht mehr
heraus?" fragte
sie leise weiter.
„Ich habe so
großes Zutrauen
zu ihm. Wenn
einer Rat schaffen
könnte —"
„Armes Kind!"
sagte er, ihre
Wange strei-
chelnd, und ließ
sie allein.
Das Bild des
Kleinen kam vom
Photographen.
Als Marie An-
tonie es ansah,
ging ihr wieder
ein Schauer
durch die Seele
vor der überirdi-
schen Zartheit
ihres Sohnes.
Und sie stürzte
in das Zimmer,
aus welchem ihr nie ein fröhliches Jauchzen ent-
gegenscholl, und wieder saß Miß Dunby au dem kost-
baren Bettchen und strickte spinnwebfeine Söckchen.
„Baby schläft!"
 
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