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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

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Heft 17
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https://doi.org/10.11588/diglit.44085#0408
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He» 17. Illustrierte Farnilien-Deitung. Mrg. isos.



Kf/6ia5 kacke.
koman von keinrick Kes.
tkorttshung.)
' (tliictidruck verbaten.)
inausgestürzt war Georg in die neugewon-
nene Freiheit.
Noch war er wie erschöpft — und er-
schöpft blieb er stehen. Ein Vogel flog an
ihm vorbei und verschwand in der blaneu Luft.
Als wäre es seine eigene Seele, die sich hinaus in
den unermeßlichen Aether, jetzt ohne Erdenschwere,
erhob. Er war frei, frei, frei! .Zehntausendmal hätte
er es hinansjanchzen mögen — das eine einzige
Wort: frei!
Stafcha! Wo war sie? Und was wollte er
von ihr? Warum trieb es ihu mir Allgewalt jetzt
zu ihr hiu? Aber die Stelle, wohin sie sich,
wenn Lydia nicht ihre Dienste brauchte,
znrückznziehen pflegte, war ihm bekannt. Er
wollte sie stützen, er mußte sie finden.
„Stascha!" rief er, und sie fühlte sich von
seinen Armen umschlungen.
Der Schreck fuhr durch ihren ganzen Kör-
per und machte sie gegen ihn wehrlos. Nur
einen abgebrochenen Schrei stieß sie aus.
„Stascha," strömte es über seine Lippen,
„ich liebe dich! Willst du mein Weib sein?
Meine Beziehungen zu Lydia sind gelöst.
Es ist von ihr und mir ein Irrtum ge-
wesen. — Stascha, hören Sie? Zu meiner
Frau will ich Sie haben. Stascha!"
Es war ein Ruf der Angst, der ihm
jetzt entglitt. In ihrem bleichen Gesicht
schlossen sich die Augen, ihr Kopf fiel zurück,
sie brach in seinen Armen zusammen. Sie
ivar ohnmächtig geworden.
Er sah sich nach Hilfe nm. Zn einiger
Entfernung erblickte er eine alte Frau, die
bei den weidenden Schafen stand. Er winkte
ihr und rief sie heran, aber zur selben Zeit
schlug Stascha die Augen wieder auf.
„Stascha . was ist Ihnen geschehen?"
flüsterte er, neben ihr knicend, voll Glück,
daß ihr das Leben zurückgekehrt war. Daun
stand er auf und zog sie zu sich empor. Auch
die alle Frau war jetzt herangekommen. Ob
denn das Fräulein krank geworden sei, fragte
sie mit gutmütiger, hilfsbereiter Neugier.
Stascha schauerte wieder zusammen. Noch
einmal klangen ihr seine Worte ins Ohr.
Solange aber die alte Frau da war, solange
durfte sie hoffen, einen Schutz an ihr vor
ihm zu finden.
Keine Freude las er in ihrem Gesicht,
nur eine unsägliche Augst, obwohl sie sich
vor der fremden Zeugin zu einem Lächeln
Zwang.
„Za, ich glaube, mir ist nicht recht wohl,"
sprach sie mühsam. „Wollen Sie mich, liebe
Frau, bis nach Hause begleiten?"

vor dem

mit ihr?
kommen,
würde es

Srohbsrrog kn'edricti von Kaden. (5. tld)
Nack einer pkotogmnNlö von Oscar Svck, koivkotoqravk in iiarlsruke.

„Das thu' ich!" siel Georg ein.
„Nein, nein," flehte sie.
„Lassen Sie nur, junger Herr," sagte die gute
Alte arglos in ihrem heimatlichen Platt, „ich werd'
schon mit dem Fräulein fertig werden."
Stascha stützte sich mit dem Arm ans sie. Die
Knice wollten ihr brechen. Nur eines konnte sie
ihm nicht verwehren, nämlich, daß er wenigstens
neben ihr herging.
Er
Worte

viertes Kapitel.
Osfegg hatte sich vorhin hinunter an die
Brücke begeben und wartete dort ans Lydia.
Er wartete eine halbe, eine ganze Stunde
lang, aber Lydia kam nicht. Endlich, eben
wollte er seinen Platz verlassen, sah erste
kommen. Aber sie war allein. Wo ließ sie
ihren Verlobten?
Auf den ersten Blick bemerkte er, daß
mit ihr etwas vorgegangen war. Auf seine
Frage nach Georg erwiderte sie ihm, daß
sie ihn weggeschickt hätte, ohne eine Er-
klärung hinzuznsügen. Dann stiegen sie in
das nächste, bis ans ihre beiden Plätze schon
gefüllte, Boot, um hinüber nach der Düne
zu fahren.
Intime Unterhaltungen waren im Boot
wegen der Mitfahrenden nicht möglich, erst

richtete auf dem Wege nur noch wenige
an sie : ob ihr besser wäre, ob sie Schmerzen
fühle. Das'weitere der Unterhaltung besorgte die
Frau. Sie erzählte von einer Dame, die einmal
bei ihr gewohnt habe, und der auch der Aufenthalt
hier nicht bekommen sei. Immer habe sie, noch von
dem Schiff her, ein Schwanken in sich gespürt, so
daß sie endlich wieder abreisen mußte. Erst — und
das hatte die Dame ihr später geschrieben in
Cuxhaven war ihr besser geworden. Dort war sie
ans Land gestiegen und dort war sie auch geblieben.

Aus dem Hause kam ihnen der Logierwirt ent-
gegen. Georg gab der Alten ein Geldstück und
verabschiedete sie. Mit kurzen Worten teilte er dem
ruhigen, nicht viel fragenden Manne das Vor-
gefallene mit. „Da will ich doch gleich meine Fran
holen," sagte er, „solange, Fräulein, setzen Sie sich
wohl in den Garten ans die Bank."
Sie waren wieder miteinander allein.
Er hatte sie nach dem Bänkchen geführt und
ließ sich neben ihr nieder.
„Stascha," sagte er, „ich habe Sie vorhin er-
schreckt. Es kam zu unvermittelt. Sie haben meinen
Wunsch gehört. Wollen Sie mir ihn erfüllen?"
Sie schlug die Hände vors. Gesicht. „Nein!
Nein!"
„Weil Sie mich nicht lieben?"
Sie antwortete nicht.
„Sie können nicht lügen, Stascha," fuhr er
leidenschaftlich fort, „Sie lieben mich, wie ich Sie.
Es ist etwas anderes, was zwischen mir und Ihnen
steht. Was ist es?"
Die Wirtin trat aus dem Hanse. „Krank
sind Sie geworden, Fräulein?" rief sie mit
teilnehmendem Eifer und eilte auf sie zu,
„da bringen wir Sic gleich.ins Bett, und
mein Mann soll ans der Stelle den Doktor
holen. Was die Frau Gräfin bloß dazu
W sagen wird! Eben ist sie fortgegangen, ich
W glaube zu Tisch. Soll ich sie suchen gehen?"
„Nein — nein," kam es von Ttaschas
W Lippen.
Lydia! Sie hatten bisher beide nicht an
sie gedacht. Mil ihrer letzten Kraft, nur da-
mit die Wirtin bei ihrem guten Glauben
bleiben sollte, sagte sie ihm noch ein Wort
des Dankes, dann mußte er sie gehen lassen.
Er sah noch, wie sie, oben augelangt, hinter
dem Flnrgcländer verschwand, er hörte noch
eine Thür gehen, dann war er
Hanse allein.
Welche Bewandtnis hatte cs
Er mußte dem aus den Grund
W und was es auch war, seine Liebe
nicht erschüttern. Nichts sollte sie ihm ent-
reißen!
 
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