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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

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Heft 18
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https://doi.org/10.11588/diglit.44085#0431
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st 18. Illustrierte Fumilien-Deitung. I-lng. >M


Kt/6ici5 kacke.
komcin von keinrick lies.
(kortistzung.)
— (Naclnlruck verboten.)
ydia mochte nicht weiter über die Abreise
Osseggs und seinen Brief nachdenken, es war
ihr gleichgültig. Eine gewisse Apathie war
über sie gekommen. Das Beste wäre gewesen,
seinem Beispiel so schnell wie mög¬
lich zn folgen und gleichfalls abzn-
reifen, irgendwohin, wo sie die bei-
den nicht mehr nm sich hatte, ivo sie
durch nichts mehr an das Ver-
gangene erinnert wnrde. Aber
es ging vorläufig noch nicht. Sie
mußte vorderhand noch bleiben
und Stascha so lange bei sich be-
halten, bis die Hochzeit vorüber
war. Diese sollte am Schluß der
Badesaisou auf Helgoland selbst
stattfinden, so hatten die Lieben¬
den, um allem Aufsehen daheim
zu entgehen, beschlossen. Der
Plan war von Lydia geschickt an-
geregt worden. Sie wußte, ans
Helgoland war eine Trauung
leicht und ohne alle jene Förm-
lichkeiten zn vollziehen, die im
übrigen Deutschen Reich nötig sind
und sicher dazu geführt Hütten,
die Wahrheit über Staschas Va-
ter an den Tag zn bringen.
Ans Helgoland genügte Staschas
Geburtsschein.
Stascha war trotz der nahe
bevorstehenden Hochzeit noch fast
ebenso befangen und scheu zu
Georg wie vordem. Aber Lydia
hatte ihn darüber beruhigt: das
Glück wäre eben so plötzlich über
sie gekommen, so daß sie sich,
nachdem das Schicksal bisher nur
hart gegen sie gewesen, nicht so
schnell daran gewöhnen könne.
Georg gab sich nut dieser Erklä-
rung zufrieden; Staschas Augen,
ihre stumme Umarmung, der
Gegendruck ihrer Lippen sagten
ihm ja genug. Und er hätte sich
Stascha gar nicht mehr anders
gewünscht. Nun war es ihm
doppelt süß, sie beglücken zu kön¬
nen, nun ivar er es, von dem sie
erst alles empfing, was das Leben
schön und freudig machte. Wäre
sie eine reiche Erbin, von stolzer
Familie oder auch nur leichteren
Sinnes gewesen, so hätte es ihn
minder glücklich gemacht. Im
übrigen — und auch diesen Rat

hatte ihm Lydia gegeben wollte er alles weitere
zwischen sich und ihr der Zukunft überlassen. Erst
sollte sie seine Frau sein, dann wollte er auch das
letzte Wölkchen, das ihre Stirn trübte, verschwinden
machen.
Die Grottenbelenchtnng verlief in hergebrachter
Weise. Da cs inzwischen wieder klares Wetter ge-
worden war, so konnte der dafür schon eine Woche
vorher festgesetzte und von allen Badegästen, die
dieses Jnselfest noch nicht mitgemacht hatten, mit
starker Spannung erwartete Tag pünktlich inne-
gehalten werden.

Mit dem Anbruch der Dunkelheit versammelten
sich an der Landungsbrücke wohl über hundert
Boote, alle mit Papierlaternen geschmückt, die sich,
nachdem sie ihre Passagiere ausgenommen hatten,
mit Musikbegleitung nm die Insel in Bewegung
setzten. Auf die fast senkrechten zerklüfteten Riesen-
wände strahlte, ans ihren Schlünden anfsteigcnd,
der Schein des Rotfeners und bengalischen Lichts.
Raketen und Fcnerwerkskörper nmschwirrten sie —
es war ein Bild von zauberischer Wirkung. Das
Boot, in welchem Georg mit seinen beiden Damen
saß, war wohl mit zwanzig Menschen gefüllt. Lydia
saß vorn, er mit Stascha hinten.
Der fremden Leute wegen konnten
sie beide nicht viel miteinander
reden, er hatte den Arm nm sie
gelegt, und schweigend gaben sie
sich dem Eindruck des Bildes hin.
Ein Beben ging durch Sta-
schas Gestalt. Er fragte sie, ob
sie friere, und ob er noch eines
der mitgebrachten Tücher nm sie
legen solle. Aber sie dankte ihm
— nein, sie fror wirklich nicht.
Wie ein Traumbild stieg der
rotglühende Felsen vor ihr auf
in die schwarze Nacht. Wie ein
Traum war ihr auch seine Liebe,
wie ein Traum war es ihr, daß
sie sein Weib werden sollte in
wenig Tagen. Daß er sie liebte
ein Mann wie er, nnd ein Ge-
schöpf wie sie! Daß er ganz kurz
vorher noch eine andere geliebt -
eine, die viel schöner, viel reicher,
viel klüger war als sie, nnd die
ihre Herrin gewesen, und die er
ihr geopfert hatte. Lydia hatte
es ihr erklärt, und darum mußte
es wohl so sein, wie sie sagte.
Wie konnte sie auch sonst seit je-
nem Tage so verändert, so freund-
lich zu ihr sein, wie hätte sie
sonst ihn ihr selbst in die Arme
geführt? Und doch - warum
fürchtete sie sich noch immer vor
dieser ihrer Freundlichkeit noch
mehr als früher vor ihrer Härte?
Es war auch gar nicht Freund-
lichkeit von ihr, denn manchmal
sagte ihr der Ausdruck ihres Ge-
sichtes, daß es nur Maske von
ihr war. Oder bildete sie sich
das nur wieder ein? Denn was
hätte Lydia zwingen können, so
zu ihr zn sein? Tann wurde das
Rätsel nur immer rätselhafter.
Nein, sie durfte nicht darüber ins
Grübeln kommen, wenn sich ihr
der Kopf nicht verwirren sollte.
Und Lydia hatte ihni alles
gesagt — auch das von ihrem
Vater. Und das einzige, was
er verlangte, war, daß sie nie-


Iteileplane. klack einem Semaläe von Max volktiait. (5. 434)
 
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