DOI Heft:
Heft 15
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.44256#0324
—
—
7
7 * 2
Jahrg. Ioht.
Geborgen.
Eine Seenovelle von €. Fiſcher⸗Harkgraff.
(Fortfebung.)
— —
Machdruck verboten.)
angſam, wie im Traume nahm Sophie
das Bild wieder auf, aber diesmal
ſuchte ihr Auge nicht das Geſicht des
— Vaters, es ruhte auf der ſchlanken Ge-
ſtalt neben ihm und verſuchte in deren
Zügen zu leſen. Und plötzlich zog Leichenbläſſe über
ihr Geſicht. Ein anderes Augenpaar war dem ihren
begegnet, als ſei es lebendig, mit glitzerndem, ſpöt-
tiſchem Funkeln.
Da war er wieder, der unheimliche Menſch. Dicht
bei dem anderen ſtand er, und das Lächeln wurde
zum Grinſen, das Geſicht verzerrte ſich, und ihr war,
als ſtreckte ſich eine Hand nach ihr aus, immer
näher und näher kam ſie und griff an ihr Herz und
umklammerte es — ein Fröſteln lief ihr über den
Rücken. Plötzlich fuhr ſie empor, ſtrich ſich über die
Stirn und blickte um ſich wie ein eben Erwachender.
Was war denn das? Hatte die Mutter ſie an-
geſteckt mit ihren Phantaſien? Das war ja zum
Lachen!
Und ſie wollte lächeln, aber die Lippen gehorchten
ihr nicht, ſchwer und gepreßt lag ihr das Herz in
der Bruſt. Und dann brach das ſo lange nieder-
gehaltene Abſchiedsweh über ſie herein, es über-
wältigte ſie mit Macht, und ehe ſie noch wußte,
wie es kam, hatte ſie den Kopf in die Hände ge-
borgen und weinte bitterlich.
Am anderen Morgen war der Himmel blau
und klar, und die Sonne ſchien mit goldig warmem
Strahl auf das Verdeck des Schiffes.
Der Wind freilich hatte immer mehr abgeflaut;
die See lag blank und ſpiegelglatt, und nur ab und
zu jagte eine leichte Briſe einen grauen, krauſen
Schatten über die blaue Oberfläche des Waſſers.
Die „Eliſe“ ward mühſam kreuzend noch eine Strecke
—
—
7
7 * 2
Jahrg. Ioht.
Geborgen.
Eine Seenovelle von €. Fiſcher⸗Harkgraff.
(Fortfebung.)
— —
Machdruck verboten.)
angſam, wie im Traume nahm Sophie
das Bild wieder auf, aber diesmal
ſuchte ihr Auge nicht das Geſicht des
— Vaters, es ruhte auf der ſchlanken Ge-
ſtalt neben ihm und verſuchte in deren
Zügen zu leſen. Und plötzlich zog Leichenbläſſe über
ihr Geſicht. Ein anderes Augenpaar war dem ihren
begegnet, als ſei es lebendig, mit glitzerndem, ſpöt-
tiſchem Funkeln.
Da war er wieder, der unheimliche Menſch. Dicht
bei dem anderen ſtand er, und das Lächeln wurde
zum Grinſen, das Geſicht verzerrte ſich, und ihr war,
als ſtreckte ſich eine Hand nach ihr aus, immer
näher und näher kam ſie und griff an ihr Herz und
umklammerte es — ein Fröſteln lief ihr über den
Rücken. Plötzlich fuhr ſie empor, ſtrich ſich über die
Stirn und blickte um ſich wie ein eben Erwachender.
Was war denn das? Hatte die Mutter ſie an-
geſteckt mit ihren Phantaſien? Das war ja zum
Lachen!
Und ſie wollte lächeln, aber die Lippen gehorchten
ihr nicht, ſchwer und gepreßt lag ihr das Herz in
der Bruſt. Und dann brach das ſo lange nieder-
gehaltene Abſchiedsweh über ſie herein, es über-
wältigte ſie mit Macht, und ehe ſie noch wußte,
wie es kam, hatte ſie den Kopf in die Hände ge-
borgen und weinte bitterlich.
Am anderen Morgen war der Himmel blau
und klar, und die Sonne ſchien mit goldig warmem
Strahl auf das Verdeck des Schiffes.
Der Wind freilich hatte immer mehr abgeflaut;
die See lag blank und ſpiegelglatt, und nur ab und
zu jagte eine leichte Briſe einen grauen, krauſen
Schatten über die blaue Oberfläche des Waſſers.
Die „Eliſe“ ward mühſam kreuzend noch eine Strecke
—