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Jahrg. 1904.

Drei Geſchwiſter.

Roman von Benriette v. Heerheimb.
(FortfeBung.)

——
(Nachdruck verboten)
8 wurde an kleinen Tiſchen geſpeiſt.
Im „goldenen Saal“ ſtanden vier ein-
zelne Tiſche; an jedem ſpeiſte einer der
fürſtlichen Anweſenden mit den im
Range höchſtſtehenden Gäſten.

Der Erbprinz ſaß an einem Tiſch mit der Hof-
dame ſeiner Frau.Der Herzog preßte die Lippen
zuſammen und fah mit halbgeſchloſſenen Augen
ſcharf hinüber. Sitta ſaß völlig ſtumm da. Sie
aß nichts, ihre Hände ſpielten zerſtreut mit dem
Spitzenfächer auf
ihrem Schoß. Ihr
Herz klopfte mit ſo
lauten, unruhigen
Schlägen, daß die

venezianiſchen
Spitzen an ihrem
Ausſchnitt heftig
mitzitterten. Die
Perlenſchnur hob
und ſenkte ſich auf
ihrem Halſe. „Wie
ein Bild von Ti-
zian“ — das Wort

des Erbprinzen
machte die Runde.
Bei Hof werden
auch die leiſeſten
— —
ſchaften gehört und
weitergeſprochen.

Man ſagte es
auch der Erbprin-
—— —
ihre Lorgnette auf
Sitta, ſah aber über
ſie hinweg, als ob
der Anblick des ent-
zückenden Geſichtes
ihr weh täte „Za,
wirklich — ſo ſieht
ſie aus“ Sie lachte
dabei etwas un-
motiviext. Sie hatte
nicht Sitta aber
den Erbprinzen an-
geſehen und be-
merkte die leiden-

ſchaftlich heißen

Blicke, mit denen
er ſein ſchönes Ge-
genüber betrachtete,
ſehr wohl! Sie
konnte das Ende
des Balles, auf den
ſie ſich ſo gefreut



1904.

hatte, kaum erwarten, denn ſie wollte den Erbprinzen
noch heute abend, ſowie ſie allein mit ihm war, zur
ede ſtellen. Oder ſollte ſie ſich vielleicht direkt an
Sitta ſelbſt wenden? Jede Beſchuldigung, ja auch
nur eine fragende Andeutung mußten genügen, um
Sitta zu bewegen, Glückſtadt zu verlaſfen.

Die zerſtreute Miene der Erbprinzeſſin, die völlig
geiſtesabweſende des Erbprinzen, das forgenvolle
Geſicht der Herzogin, das erzwungen gleichgültige
des alten Herzogs blieben nicht unbemerkt. Auch
über den Gäſten lag es wie ein Bann, und beim
Kotillon, der alle von der Erbprinzeſſin ſo ſorgſam
erdachten Kberraſchungen brachte, wollte keine wirk-
liche Heiterkeit aufkommen.

Es war wie eine Erlöſung, als die Herrſchaften
ſich zurückzogen — nun konnte man ſich wenigſtens
ſeine Vermutungen, die allerdings die Wahrheit ſehr
nahe ſtreiften, mitteilen. —

/
/
1


nach einem Semälde von C. v. Sergen.


Der Herzog und die Herzogin ſtanden noch im
Salon der Exrbprinzeſſin. Der Erbprinz lehnte ſich
über einen Stuhl, Sitta ſtand, auf das Zeichen
ihrer Entlaſſung wartend, an der Tür.

„Ein ſehr hübſches Feſt — ſehr geglückt — alles
war gut arxangiert“ Die Herzogin unterbrach da-
mit die peinliche Stille. Sie ſah ſich ſuchend um,
an wen ſie wohl dies Lob richten könne, aber da
weder Hofmarſchall noch Kammerherr anweſend
waren, ſprach ſie ihre Anerkennung ins Leere hinein.

„Ich fand es gräßlich!“ Die Erbprihzeſſin
kämpfte offenbar vergebens mit einem Ausbruch
ihrer gereizten Laune. Die Tränen ſchienen ihr ſehr
nah zu ſein.

Niemand antwortete. Jeder vermied es, die
ſchlanke weiße Geſtalt anzuſehen, die regungsloͤs in
der Nähe der Tür ſtand.

„Ja, ja, die Arrangements, das Souper —

das alles war ſehr

lobenswert.“ Der
alte Herzog trat
dicht vor ſeinen

Sohn hin, der den
Stuhl losließ und
ſich unwillkürlich
gerade aufrichtete,
„nur möchte ich dich
bitten, ein andermal
anzuordnen, daß
mehr Ruhe neben
dem Spielzimmer
iſt. Das Sprechen
im Wintergarten
ſtörte uns.“

Die fharf zu⸗—
geſpitzten Worte
klangen wie leiſe
ziſchende Hiebe. Die
Falten der weißen
Samtſchleppe an
der Tür rauſchten,
wie wenn die Trä-
gerin heftig zuſam-
mengezuckt wäre.

Der Erbprinz
fuhr auf. Eine helle
Röte ſtieg in ſein
Geſicht, die ſtahl-
blauen Augen wur-
den ganz ſchwarz
vor Erregung. „Ich
werde den Befehl
dem Haushofmei-

ſter übermitteln

laſſen,“ entgegnete
— CS WD 1
Zukunft nicht mehr
nötig ſein, den Win-
tergarten u DE
nutzen.“

Die Herzogin
ſah die drohenden
Sturmzeichen im
Geſicht ihres Ge-
 
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