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Drei Seſchwiſter.

Roman von Renriette v. Heerheimb.
(Fortfegung.)


Machdruck verboten.)



Z354 Sekunden blieb der Erbprinz zögernd hinter
N dem großen, dreiteiligen Wandſchirm, der das
Belt ſeiner Frau umfing, ſtehen. Er hörte leiſe,
regelmäßige Atemzüge.

Eigene Weihe, Heiligkeit und Frieden, lag
über diefem Zimmer. Es erſchien ihm ſo anders als früher,
wo es oft der Schauplatz kindiſcher, ihn unſäglich langweilen-
der Tändeleien, tkänenreicher Eiferſuchtsſzenen war. Er trat
behutſam vor bis an das Bett.

Die Erbprinzeß hob den Kopf ein wenig. „Du?“ ſagte ſie
leiſe, ohne die geringſte Verwunderung über ſein Kommen zu
zeigen.

Er beugte ſich über ihr Bett und küßte ihre Stirn.

Sieh dir zuerſt Baby an!“ befahl ſie. Der jubelnde
Stolz in ihrer Stimme war unverkennbar.

Er ſchlug den Vorhang der kleinen Wiege, die etwas pon
dem Bett entfernt ſtand, zurück. Viel ließ ſich nicht ſehen.
Ein kleines Köpfchen, das gegen die weißen Kiſſen merk-
würdig dunkel ausfah, ein paar winzige Händchen, deren
Haut fich ſo fein und weich aufühlte wie ein zuſammenge-
drücktes Roſenblatt.

„Iſt ſie nicht ſüß, wonnig, herzig?“ Die Exbprinzeſſin
richtele ſich höher auf, um die Wiege beſſer zu ſehen.

Der Erbprinz hätte um keinen Preis verraten mögen,
daß er bis jetzt eigentlich noch ſehr wenig „Süßes, Wonniges“
an ſeiner Tochter entdecken konnte. Zum erſten Male, er-
ſchienen ihm aber die ſo oft von ſeiner Frau gehörten Aus-
drücke nicht läppiſch, ſondern in Verbindung mit ihrem Baby
lieb und zärtlich.

„Allerliebſt!“ beſtätigte ev. „Es iſt aber ſehr dämmrig
hier! Morgen werde ich euch beide ordentlich ſehen“ Er ſtrich
ihr das etwas verwirrte Haar aus dem Geſicht. „Armes
Kind! Du haſt gewiß viel gelitten?“

„Gelitten — ich?“ Sie mußte ſich wirklich erſt beſinnen.
„Ach, das iſt alles vergeſſen! Ich bin zu glückſelig!“

„Reg dich nicht auf!“ bat er! „Erſt als ich vorhin ankam
in Glückſtadt, hab' ich alles gehört. In Rottum erreichten
mich Nachrichten nur langſam. Ich hätte nicht ſo lange
fortbleiben ſollen. Nun, ich werde jetzt nicht wieder weggehen,
Eliſabeth.“

„Natürlich nicht — jetzt, wo Baby da iſt!“ Es erſchien
ihr ganz ſelbſtverſtändlich, daß er das ſagte. Wie hinter einem
Vorhang lag für ſie die Vergangenheit. Mit der Geburt
des Kindes begann auch für ſie beide ein neues Leben, eine
neue Ehe.

„Ich habe die Heixat von Kröchert und Fräulein v. Hohen-
thal gehört,“ ſagte der Erbprinz mit beſonderer Betonung.

„Ach, das iſt ſchon lange her!“ Der Erbprinzeſſin erſchien
das wirklich alles ganz weit zurückliegend. Damals lebte
ja ihe Kind noch nicht „Bitte, Albrecht, rück die Wiege
etwas näher — ſo, noch dichter. Ach, wie ſüß das iſt, die
kleinen Alemzüge zu hören!“

In den blauen Augen der jungen Frau lag eine ſolche
Fülle mütterlicher Liebe, mütterlichen Entzückens, daß der
Erbprinz ſich unwillkürlich davon ergriffen fühlte.

Seie ahnte nichts von der Größe ſeines Schmerzes, den
Abgründen und einſamen Höhen ſeiner Natur. Gut ſo —

— 1904.
 
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