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Zil glauben, daß sie es sei. Da trat sie zum Fenster, begrüßte den
Meister und freute sich, daß er schon so eifrig bei der Arbeit sei.
„Ich bitt' Euch, nur den Schuh zu richten."
Sachs sah das Schühlein prüfend an: „Wir werden einen neuen
Absatz drauf machen, heut abend schon könnt Ihr ihn wieder haben."
„Das ist mir lieb, Meister."
„Holt Ihr ihn selber ab?"
Sie bejahte es, grüßte, nickte ihm zu und ging. Der Meister
stellte den Schuh beiseite und beendete seine angefangene Arbeit. Als
es Mittag geschlagen und die Knechte die Werkstatt verließen, machte
sich Sachs an die Arbeit.
Am Abend kam die Witib, fragte freundlich nach dem Schuh.
„Ist schon fertig für unsere liebe Endrestn," sagte der Meister,
recht lieb sich zu ihr neigend, denn er war allein in der Werkstatt;
er gab ihr ein Bündel, das sie mit Dank entgegennahm.
Daheim packte sie den Schuh aus, um ihn zum anderen zu stellen;
wie erstaunte sie da, als ihr ein Brief entgegensah. Sie öffnete ihn;
es war ein Gedicht an die „herzliche, schöne und tugendsame Witib
des Jakob Endres". Nun las sie:

„Sehr herzliche Schöne mein
Sollt nit verwundert sein
Ob das, was ich antrag
Und von Euch fordern mag.
Ich bin ein alter Mann,
Der Pflege nit entbehren kann,
Und auch Sonnenschein

Sieht gern um sich fein.
Ihr seid itzt Witib und frei
Und wenn Euch gelegen sei
Kunt Ihr mein Hausfrau werden,
Wär' mir die Seligkeit auf Erden
Und Eure Kinder hier aufwachs,
Das wünschet gern Hans Sachs."

Nicht sonderlich überrascht stand sie auf, trat zürn Fenster, sann
nach, las noch einmal Sachsens Verse; bald stand ihre Antwort fest.

Da neigte sie den Kopf und sagte leise: „Gern, Meister, will ich
Euch eine gute Hausfrau sein."
Da lachte Hans Sachs, stand auf, nahm sie in seine Arme und
sprach zum ersten Male: „Meine liebe Barbara", dann trat er mit
ihr zu den Kindern und sprach: „Wollt ihr mit der Mutter immer
bei mir bleiben?"
Die Kinder sahen ratlos lächelnd bald die Mutter, dann mit scheuem
Blick den Meister an, dann sich besinnend, daß sie Antwort geben
sollten, ohne Bangen, sprach keck eines der Büble: „Wenn die Mutter
da bleibt und wennst uns schöne Schühele machst, dann mag's sei'."
Da lachten sie beide, und Sachs nahm den flinken Burschen zu
sich und streichelte ihm den Kopf: „Ihr sollt alle schöne Schühele
haben und die schönsten Röcke, und eure Mutter wird immer bei euch
sein; gelt, meine Liebe?" wandte er sich an Barbara.
Die Witib sah ihren zukünftigen Gemahl so lieb an, daß des
alten Sachs' Augen leuchteten wie die eines jungen Brautmanns.
„Gewiß," sagte Barbara, „ich will treulich sorgen um unseren lieben
Vater und das Haus; er soll immer was Gutes im Tops finden,
und der zinnerne Hausrat soll blitzen, sonst wär' ich nicht wert, Meister
Sachsens Gemahl zu sein."
Nun kletterten auch die Kinder von der Bank herunter und drängten
sich um den alten Mann mit dem großen weißen Bart und den lieb-
guten Augen. „Gelt, nur machst gleißende Schnallen auf die Schuh?"
fragte das eine, und das andere bat: „Ich möcht' so herzlich gern ein
Schurzfell haben." Sachs lachte und streichelte die lieben Kinder-
köpfe und war herzensfroh inmitten der Kinderschar und an der
Seite der herzlieben Schönen.

nderen Morgens rief die Frau ihre Kinder zusammen, wusch eines
nach dem anderen fein säuberlich, kämmte ihnen das Haar und
zog ihnen die schönsten Kittelchen, die besten Strümpfe und Schuhe
an. Die Kinder standen erstaunt, daß schon wieder Sonntag sei,
aber die Mutter belehrte sie, daß sie mit ihnen zum Meister Sachs
gehen wolle, da müßten sie smn artig sein, still in der Stube verbleiben
und Antwort geben ohne Scheu auf das, was sie der Meister frage.
Dann machte sich auch die Mutter für den Besuch zurecht und zog
die Schuhe mit Hans Sachsens Absatz an.
Bald standen sie vor des Meisters Haus.-
Hans Sachs saß oben und hörte die weiche Stimme der schönen
Witib und das Getrippel der kleinen Kinderfüße. „Ach, wollten sie
doch nimmer von nur gehen," wünschte er. Dann stand er auf,
fuhr sich glättend über den Rock, straffte seine Gestalt und hüstelte,
wie um eine große Rede zu halten. Aber schon, als er nur „Herein"
auf das Klopfen sagte, klang seine Stimme befangen.
Die Endrestn trat mit den Kindern ein, knickste sehr artiglich, die
Kinder nahmen die Mütze vom Kopf und blickten den alten Herrn
scheu und voll Ehrfurcht an.
„Meine liebe Witib," sprach der Meister nun, „das ist eine groß-
herzliche Freude, die Ihr mir da macht, und was für herzige Kinder!
Bitt' gar schön, wollet Euch setzen, meine Liebe."
Die Frau setzte sich vor dem großen Eichentisch nieder; die Kinder
schoben sich leise auf die lange Bank am großen Kachelofen.
Aber auch die Endrestn war jetzt befangen; sie hatte die Augen
niedergeschlagen und die Hände ineinandergelegt. Als Sachs, um
das Schweigen nicht wachsen zu lassen, reden wollte, kam sie ihm
zuvor: „An mir ist's, zu reden, Meister, die Antwort auf Eure
ehrende Anfrag' bring' ich ..."
Da konnte sie aber doch nicht weiter, sie suchte nach Worten, wurde
verlegen und rot. Da nahm Sachs ihre Hände in die seinen und sprach
herzig und lächelnd: „Wenn Ihr sagt, Ihr bringet die Antwort und doch
nichts lauten laßt, was eine Antwort wär', so heißt das wohl: ,Hier
bin ich, und da sind die Kinder, wir gehören ins Haus und zu Euch'?"
„Wißt, Meister," sprach die Witib, „ich bracht' Euch die Kinder,
damit Ihr sie sehen sollt'-. Denn bedenket wohl, es ist kein Spiel,
sechs Kinder im Haus zu haben; das gibt Geschrei und Gestampf
auf Treppen und Stuben, und es sind sechs Mäuler, die gestopft
sein wollen; und wenn ich auch schaffen wollt', was ich kann in Küche
und Haus, ich weiß nicht und fürcht', es möcht' Euch bald leid sein
und ärgerlich, so viel Leut' in Eurem stillen Haus zu haben."
„Meine liebste Frau," sprach Sachs gerührt, „ich bin krank ge-
worden vor lauter Traurigkeit, die in meinem Hause ist, und nun
sollt Ihr und Eure Kinderlein mir wieder Leben hereintragen; gebt
Eure Antwort, seid Ihr willens?"

un kam frohe Zeit für Hans Sachs. Die Freude machte seine
Glieder jung; sein Herz war ja niemals alt gewesen. Die
Sonne schien ihm jeden Tag, wenn auch der Himmel düster und
regnerisch war. Die Kinder sprangen und trippelten treppauf,
treppab, ihr Lachen flatterte wie Frühlingswind durchs Haus; sie
waren schon ganz heimisch hier, auch wem: die Mutter nicht da war.
Die kam hin und wieder, um zu sehen, wie ihr lieb Gemahl sich
anstellte so allein; Sachs lachte und sprach: „In vierzehn Tagen ist
Hochzeit, mein Lieb." Bald waren es nur noch zehn, dann acht,
dann fünf, und immer fröhlicher wurde Sachs, je näher der Tag
herankam.
„Ei, Hans Sachs," hatten die Nachbarn und Freunde gesagt,
„das nenn' ich wacker sein; die schönste Witib führt er heim, dazu
sechs herzlich Kinderlein."
Nun sahen sie alle den Meister wieder am Fenster in der Werk-
statt sitzen, des Abends aber beugte er sich lange über die großen
Folianten; die alte Lust an den Büchern war wieder erwacht und zu
seiner größten Freude auch an der Poeterei. So viel Schönes hatte
er jetzt erlebt, daß er, innerem Drange folgend, Verse schreiben mußte
und so viel anderes, was er einst zur Arbeit sich erwählt, wurde
wieder lebendig in ihm und floß ihm leicht und freudig aus der Feder.
Am zweiten September 1561 war es, als Frau Barbara das
Hochzeitskleid anlegte und Hans Sachs den schönsten, mit feinstem
Pelz verbrämten Rock; und es stieg das Rot der jüngsten Braut in
Barbaras Wangen, und Sachsens Augen leuchteten, als wäre er der
Jüngsten einer. Die Kinder sprangen umher, stolz auf die schönen
neuen Schuhe vom Vater Sachs und die bunten Kleider; sie erfüllten
mit Jubel das Haus, in das die Gäste lachend, glückwunschsprechend,
gabenbringend traten. Und ein wonnigschöner Herbsttag war es;
wäre nicht welkes Laub unter den Bäumen gelegen, man hätte glauben
mögen, es sei der schönste Frühlingstag. Als das Brautpaar und die
Gäste zurückkehrten aus der Kirche, fanden sie den Tisch gedeckt; das
Zinn leuchtete in der Sonne, Blumen dufteten, und der Wein funkelte
in großen Kandeln.
Sachs dachte seiner Hochzeit mit Kunigunde. Damals waren acht
Tage vergangen, ehe alles zu Ende kam, und viel Gäste waren im
Haus gewesen; die Mägde hatten rote Köpfe und steife Arme vom
vielen Speisentragen, und der Wein floß wie Wasser. Heute war
es ein schlichtes, stilles Fest; aber recht war es so, nicht um Hochzeit
zu machen, heiratet man doch.
Nun saßen sie alle am Tisch; die Mägde brachten die Speisen;
muntere Scherze und fröhliches Plaudern scholl durch die Stube.
Mit keinem König hätte Hans Sachs jetzt getaucht, wie er selig neben
seinem Gemahl saß und traulich mit ihr vom zinnernen Teller aß.
Ein großes, frommes Glück erfüllte sein Herz, wie ein Gebet ob des
glücklichen Bewußtseins: noch einmal schien ihmidie Sonne im Herbst.
 
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