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Das Buch f ü r 2t l l e
Heft i
Rettung von der englischen Krankheit nud der Tuberkulose
Von Joachim Pezet / Mit acht Bildern
das feige Kampfmittel der Hungerblockade ist Deutschland
IZ ^so schwer an seiner Volksgesundheit geschädigt worden, daß d i e
*"^^T u b e r k u I o s e unsere größte Gefahr, unser ge-
fährlichster Feind genannt werden muß. Grauenvoll
sind auch die Wirkungen der Rhachitis,
der englischen Krankheit. Die Schädi-
gungen des Hungerkrieges sind noch nicht
zu Ende; der Volkskörper wird noch schwer
damit zu ringen haben. Im Verhältnis
zu 1913 zeigte das Jahr 1917 ein Steigen
der Eesamtsterblichkeit um 32 Prozent, das
folgende Jahr um 37 Prozeut. Für die
Altersstufen Zwischen fünf und f ü n f-
zehn Jahren nahm die Zahl der Todes-
fälle gegen 1913 um 45 Prozent zu. Im
e r st e n H a l b j a h r 1918 waren m ehr
Tuberkulosefälle zu verzeichnen
als im ganzen Jahre 1913- Damit
sind wir in der Tuberkulosebekämpfung
wieder
auf den
Stand
vor fünf-
undzwan-
zig Jah-
ren zu-
rückge-
kommen.
Schlim¬
mer als
in Deutschland steht es in Österreich, denn
dort war vor dem Kriege die Bekämpfung
des mörderischen Leidens noch äußerst
rückständig. In Wien ergab sich in den
Jahren 1917/18 im Vergleich zu dem Zu-
stand von 1913/14 bei Kindern im Alter
von sechs bis zehn Jahren eine Zu-
nahme der Sterblichkeit an Tuberkulose
um 55 Prozent, von elf bis fünfzehn
Jahren um 95 Prozeut, im Alter von
s e ch z e h n bis zwanzig Jahren um
160 Prozent und im Alter von e i n-
undzwanzig bis fünfundzwan-
zig Jahren um 120 Prozeut! Die ge-
waltige Steigerung der Tuberkulosefälle
ist nicht auf neue
Massenansteckun¬
gen, sondern auf
rasche Entwicklung und schnellen Verlauf vou vor¬
handenen Anlagen durch Huugereinwirkung und
Überanstrengungen zurückzuführen.
Diese Zustände wird man in Frankreich mit Be-
friedigung wahrnehmen, denn von Clemenceau
ist das Wort gefallen: „Noch leben zwanzig
Millionen Menschen zu viel in
Deutschland!" Nicht nur in Frankreich freut
man sich dieser „Erfolge" einer barbarischen Be-
handlung, die man mit sadistischem Behagen im
Frieden fortsetzt. Zynisch bemerkte eine englische
Zeitung: „In zwanzig Jahren wird das deutsche
Volk an der ,englischen Krankheit' als einer Folge
der Hungerblockade zugrunde gehen."
Die beiden Nationen bedenken dabei nicht,
daß es in Deutschland eine hochentwickelte Wissen-
schaft und Technik gibt, deren Ergebnisse wir nur
zu nützen brauchen, um diese Hoffnungen zuschan-
den zu machen. Die Rhachitis kann geheilt wer¬
den, und bei der Tuberkulose besteht begründete
Aussicht, ihre zerstörende Wirkung so weit zu
hemmen, daß die Lebensmöglichkeit erhöht und
die erschreckende Sterblichkeitsziffer bedeutend her¬
abgedrückt zu werden vermag. Es handelt sich
nur darum, sich der Hilfsmittel zu bedienen, die
uns Wissenschaft und Technik geschaffen haben.
Der Staat und alle wohlgeleiteten Gemeinwesen dürfen den schweren
Vorwurf nicht wider sich erheben lassen, ihre Pflichten am Wertvollsten,
der Volksgesundheit, versäumt zu haben. Die Behandlung mit küust-
Bestrahlung mit ultraviolettem Licht muß
zum Allgemeingut der leidenden Menschen
werden. Die im Jahre 1905 entstandene
Hanauer Quecksilberdampf-
lampe aus geschmolzenem Berg-
kristall (Quarz) kann auf medizinischem
Gebiete nur verglichen werden mit der
epochemachenden Entdeckung der X-Strah-
len durch Professor Röntgen, der Großtat
deutscher wissenschaftlicher Forschung. Ohne
Röntgenbehandlung wäre die moderne
Medizin nicht mehr denkbar. Und so wird
es auch bald nicht mehr möglich sein, ohne
Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne
auszukommen.
Heute ist es allgemein bekannt, von
welch ho¬
her Be-
deutung
bei Tu-
berkulose
die vor¬
beugende
Behand-
lung im
Hochge-
birgskli-
ina ist. Die Hochgebirgsonne ist der groß-
artigste Heilfaktor, den uns die Natur
als Tuberkulosebekämpfungsmittel bietet.
Wer kennt nicht den Ruf von Davos,
Samaden, Arosa, St. Moritz, Leysin und
anderen Heilstätten? Hat man nun im-
mer an die Heilkraft dieser Höhenlagen
geglaubt? — Im fünfteu Bande seiner
1918 erschienenen „Strahlentherapie"
schreibt Heusner: „Ms Spengler 1869
die Landschaft Davos gegen die Lungen-
schwindsucht empfahl, wurden seine Be-
weise für die Erfolge des Hochgebirges
skeptisch ausgenommen. Man hatte früh er
gelesen, daß Bergsteiger in den Kordil¬
leren in Höhen
von fünftausend
Meter und mehr
aus Nase und Ohren geblutet hatten, und zog
daraus den Schluß, daß Lungenkranke in einer
Höhe von fünfzehnhundert Meter Blutungen be-
kommen müßten. Ganz besonders aber fürchtete
man die schlimmen Folgen der Kälte. Wohl hatte
Dr. Brehmer in Eröbersdorf einer neuen Theorie
der Lungentuberkulose Bahn gebrochen, aber im
Hochgebirge, beinahe sechzehnhundert Meter über
dein Meere, Lungenkranke nicht nur den Sommer,
sondern auch den Winter verbringen zu lassen und
ihnen Heilung in Aussicht zu stellen, erschien da-,
mals fast allgemein als Widersinnigkeit. Noch
allzu fest staud das Dogma, daß die Kälte ,der
schlimmste Feind der kranken Lunge sei'. In der
ärztlichen Welt fand deshalb das kleine Schrift-
chen keine allzu freundliche Aufnahme. Man
spottete des Verfassers, oder man
erklärte seinen Versuch, Lungen-
leidende ins Hochgebirge zu locken,
geradezu für strafwürdig. Während
ein großer Teil der ärztlichen Welt der .Hochge-
birgs therapie' noch immer mit ablehnender
Kritik begegnete, errang die Hochgebirgs praris
ihre unleugbaren Erfolge." Dazu bemerkt der
bereits angeführte Heusner: „Geht es nicht
mit der Lichtbehandlung ebens o?"
licher Höhensonne,
Kinderelend.
Diese Aufnahme ist ein busallsbild von einem öffentlichen
Spielplatz in Berlin. Bei allen Kindern finden sich deut-
liche rhachitische Merkmale: krumme Beine, aufgetriebene
Gelenkenden und übergroße Köpfe.
Rhachitisches Kind.
Phot. Quarzlampengefellschaft,
Hanau.
Längsdurchschnitt eines gesunden und
eines rhachitischen Knochens.
Der gefunde Knochen ist schlank, und man
erkennt s cbarfe Grenzen zwischen dem knö-
chernen Schaft und dem knorpeligen Gelenk-
ende, der Slelle des Längenwachstums.
Der rhachitische ist v erb og e n, die Gr e n z e
zwisch en Kn ochen und Kn o rp el ist u li-
sch ar f, das Wachstum daher gestört. Der
Schaft ist an seiner Krümmung durch eine
kalklose, schwammige Auflagerung ver-
dickt. Der ganze Knochen ist daher kürzer
und plumper als der gekunde.
Rhachüisches Kind.
Phot. Quarzlampengesellschaft,
Hanau.
Das Buch f ü r 2t l l e
Heft i
Rettung von der englischen Krankheit nud der Tuberkulose
Von Joachim Pezet / Mit acht Bildern
das feige Kampfmittel der Hungerblockade ist Deutschland
IZ ^so schwer an seiner Volksgesundheit geschädigt worden, daß d i e
*"^^T u b e r k u I o s e unsere größte Gefahr, unser ge-
fährlichster Feind genannt werden muß. Grauenvoll
sind auch die Wirkungen der Rhachitis,
der englischen Krankheit. Die Schädi-
gungen des Hungerkrieges sind noch nicht
zu Ende; der Volkskörper wird noch schwer
damit zu ringen haben. Im Verhältnis
zu 1913 zeigte das Jahr 1917 ein Steigen
der Eesamtsterblichkeit um 32 Prozent, das
folgende Jahr um 37 Prozeut. Für die
Altersstufen Zwischen fünf und f ü n f-
zehn Jahren nahm die Zahl der Todes-
fälle gegen 1913 um 45 Prozent zu. Im
e r st e n H a l b j a h r 1918 waren m ehr
Tuberkulosefälle zu verzeichnen
als im ganzen Jahre 1913- Damit
sind wir in der Tuberkulosebekämpfung
wieder
auf den
Stand
vor fünf-
undzwan-
zig Jah-
ren zu-
rückge-
kommen.
Schlim¬
mer als
in Deutschland steht es in Österreich, denn
dort war vor dem Kriege die Bekämpfung
des mörderischen Leidens noch äußerst
rückständig. In Wien ergab sich in den
Jahren 1917/18 im Vergleich zu dem Zu-
stand von 1913/14 bei Kindern im Alter
von sechs bis zehn Jahren eine Zu-
nahme der Sterblichkeit an Tuberkulose
um 55 Prozent, von elf bis fünfzehn
Jahren um 95 Prozeut, im Alter von
s e ch z e h n bis zwanzig Jahren um
160 Prozent und im Alter von e i n-
undzwanzig bis fünfundzwan-
zig Jahren um 120 Prozeut! Die ge-
waltige Steigerung der Tuberkulosefälle
ist nicht auf neue
Massenansteckun¬
gen, sondern auf
rasche Entwicklung und schnellen Verlauf vou vor¬
handenen Anlagen durch Huugereinwirkung und
Überanstrengungen zurückzuführen.
Diese Zustände wird man in Frankreich mit Be-
friedigung wahrnehmen, denn von Clemenceau
ist das Wort gefallen: „Noch leben zwanzig
Millionen Menschen zu viel in
Deutschland!" Nicht nur in Frankreich freut
man sich dieser „Erfolge" einer barbarischen Be-
handlung, die man mit sadistischem Behagen im
Frieden fortsetzt. Zynisch bemerkte eine englische
Zeitung: „In zwanzig Jahren wird das deutsche
Volk an der ,englischen Krankheit' als einer Folge
der Hungerblockade zugrunde gehen."
Die beiden Nationen bedenken dabei nicht,
daß es in Deutschland eine hochentwickelte Wissen-
schaft und Technik gibt, deren Ergebnisse wir nur
zu nützen brauchen, um diese Hoffnungen zuschan-
den zu machen. Die Rhachitis kann geheilt wer¬
den, und bei der Tuberkulose besteht begründete
Aussicht, ihre zerstörende Wirkung so weit zu
hemmen, daß die Lebensmöglichkeit erhöht und
die erschreckende Sterblichkeitsziffer bedeutend her¬
abgedrückt zu werden vermag. Es handelt sich
nur darum, sich der Hilfsmittel zu bedienen, die
uns Wissenschaft und Technik geschaffen haben.
Der Staat und alle wohlgeleiteten Gemeinwesen dürfen den schweren
Vorwurf nicht wider sich erheben lassen, ihre Pflichten am Wertvollsten,
der Volksgesundheit, versäumt zu haben. Die Behandlung mit küust-
Bestrahlung mit ultraviolettem Licht muß
zum Allgemeingut der leidenden Menschen
werden. Die im Jahre 1905 entstandene
Hanauer Quecksilberdampf-
lampe aus geschmolzenem Berg-
kristall (Quarz) kann auf medizinischem
Gebiete nur verglichen werden mit der
epochemachenden Entdeckung der X-Strah-
len durch Professor Röntgen, der Großtat
deutscher wissenschaftlicher Forschung. Ohne
Röntgenbehandlung wäre die moderne
Medizin nicht mehr denkbar. Und so wird
es auch bald nicht mehr möglich sein, ohne
Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne
auszukommen.
Heute ist es allgemein bekannt, von
welch ho¬
her Be-
deutung
bei Tu-
berkulose
die vor¬
beugende
Behand-
lung im
Hochge-
birgskli-
ina ist. Die Hochgebirgsonne ist der groß-
artigste Heilfaktor, den uns die Natur
als Tuberkulosebekämpfungsmittel bietet.
Wer kennt nicht den Ruf von Davos,
Samaden, Arosa, St. Moritz, Leysin und
anderen Heilstätten? Hat man nun im-
mer an die Heilkraft dieser Höhenlagen
geglaubt? — Im fünfteu Bande seiner
1918 erschienenen „Strahlentherapie"
schreibt Heusner: „Ms Spengler 1869
die Landschaft Davos gegen die Lungen-
schwindsucht empfahl, wurden seine Be-
weise für die Erfolge des Hochgebirges
skeptisch ausgenommen. Man hatte früh er
gelesen, daß Bergsteiger in den Kordil¬
leren in Höhen
von fünftausend
Meter und mehr
aus Nase und Ohren geblutet hatten, und zog
daraus den Schluß, daß Lungenkranke in einer
Höhe von fünfzehnhundert Meter Blutungen be-
kommen müßten. Ganz besonders aber fürchtete
man die schlimmen Folgen der Kälte. Wohl hatte
Dr. Brehmer in Eröbersdorf einer neuen Theorie
der Lungentuberkulose Bahn gebrochen, aber im
Hochgebirge, beinahe sechzehnhundert Meter über
dein Meere, Lungenkranke nicht nur den Sommer,
sondern auch den Winter verbringen zu lassen und
ihnen Heilung in Aussicht zu stellen, erschien da-,
mals fast allgemein als Widersinnigkeit. Noch
allzu fest staud das Dogma, daß die Kälte ,der
schlimmste Feind der kranken Lunge sei'. In der
ärztlichen Welt fand deshalb das kleine Schrift-
chen keine allzu freundliche Aufnahme. Man
spottete des Verfassers, oder man
erklärte seinen Versuch, Lungen-
leidende ins Hochgebirge zu locken,
geradezu für strafwürdig. Während
ein großer Teil der ärztlichen Welt der .Hochge-
birgs therapie' noch immer mit ablehnender
Kritik begegnete, errang die Hochgebirgs praris
ihre unleugbaren Erfolge." Dazu bemerkt der
bereits angeführte Heusner: „Geht es nicht
mit der Lichtbehandlung ebens o?"
licher Höhensonne,
Kinderelend.
Diese Aufnahme ist ein busallsbild von einem öffentlichen
Spielplatz in Berlin. Bei allen Kindern finden sich deut-
liche rhachitische Merkmale: krumme Beine, aufgetriebene
Gelenkenden und übergroße Köpfe.
Rhachitisches Kind.
Phot. Quarzlampengefellschaft,
Hanau.
Längsdurchschnitt eines gesunden und
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Der gefunde Knochen ist schlank, und man
erkennt s cbarfe Grenzen zwischen dem knö-
chernen Schaft und dem knorpeligen Gelenk-
ende, der Slelle des Längenwachstums.
Der rhachitische ist v erb og e n, die Gr e n z e
zwisch en Kn ochen und Kn o rp el ist u li-
sch ar f, das Wachstum daher gestört. Der
Schaft ist an seiner Krümmung durch eine
kalklose, schwammige Auflagerung ver-
dickt. Der ganze Knochen ist daher kürzer
und plumper als der gekunde.
Rhachüisches Kind.
Phot. Quarzlampengesellschaft,
Hanau.