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Heft i

Das Buch für 2t l l e

Das Sonnenbad gehört seit Jahren zu
den wissenschaftlich anerkannten und ge¬
schätzten Heilfaktoren bei verschiedenen
Leiden. Seine Wirkung — wie sicher
festgestellt ist — beruht nicht lediglich auf
der S o n n e n w ä r in e, dasheisttauf
den roten, warmen, sondern auf
den unsichtbaren — aber experi¬
mentell vom Physiker nachzuweisenden—
u l t r a v i o l e t t e n, k a l t e n Licht-
strahien. Diese sind besonders im
Sonnenlicht der reinen Höhen¬
luft enthalten. Im Dunstkreis der Erde
werden sie von Rauch und Staub ab¬
sorbiert, „eingeschluckt", und fehlen fast
ganz im Sonnenlicht der Ebene. Des¬
halb werden auch durch Höhenson¬
nenbäder weit günstigereEr-
folge erzielt als durch Sonnenbäder
im Mittelgebirge und in der Ebene.
Zwei Schweizer Arzte, vr. Bernhard
im Höhenkurort Samaden im Engadin
und Or. Rollier in Leysin in der Französischen Schweiz, haben die Höhen-
sonnenbehandlung wissenschaftlich begründet. Sie erzielten so austerordent-
liche, wunderbar anmutende
Heilerfolge bei den äusteren
sogenannten chirurgischen
Tuberkuloseformen, dast die
operative Behandlung dieser
Leiden fast gänzlich der Me¬
thode der Bestrahlung wei¬
chen mustte. Selbst Kranke
mit schwerer Knochentuber¬
kulose, in traurigstem Zu¬
stande eingeliefert, bei denen
die Operation vergeblich
ichien, sind völlig genesen.
Rolliers Erfolge wirkten
bahnbrechend für die neuere
Sonnenheilkunde.
DiebesondereWirkungder
ultravioletten Lichtstrahlen
der natürlichen Höhensonne
war bekannt; man kam des¬
halb auf den Gedanken,
künstlich erzeugte Höhen¬
sonne anzuwenden. Und es
ist nun möglich, den Haupt¬
heilfaktor des Hochgebirgs¬
klimas, die Hochgebirgsonne,
die Höh ens onne, künst-
lich zu ersetzen! Seit 1906 ist von Professor Kromayer zur Be-
handlung von Hautleiden die sogenannte Kromayerlampe aus Quarz als
ausgezeichnete Lichtquelle für ultraviolette Strahlen eingeführt worden
Heute wird durch dieQuarzlampengesell-
schaft in Hanau, eine Tochtergründung
der bekannten Platinschmelze W. L. He¬
raeus in Hanau und der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft Berlin, die soge¬
nannte Hanauer oder — nach ihrem
Erfinder, dem Physiker vr. Küch in
Hanau, benannte — Küch-Quarz-
lampe hergestellt. In einem luftleeren,
durchsichtigen Rohr aus geschmolze¬
nem Bsrgkrista! l wird Quecksilber¬
dampf durch elektrischen Strom zu höch¬
ster Glut gebracht und dadurch ein Licht
von austerordentlicher Stärke erzeugt.
Diese nur für Arzte oder Kli¬
niken bestimmten neuen Bestrah¬
lungsapparate senden ohne lästige Hitze¬
entwicklung mehr heilkräftige,
kalte, unsichtbare Lichtstrahlen aus als
die natürliche Sonne im Hoch¬
gebirge. Den Hauptfaktor der Hoch¬
gebirgskuren künstlich erzeugt zu haben,
ist eine groste Errungenschaft der deut¬
schen Technik. Sie wird ihren Weg auch

dorthin finden, wo man uns zu vernichten
sucht. Die medizinische Anwendung der
„künstlichen Höhensonn e", die
sogenannte Ultraviolett-Therapie, wurde
von den deutschen Universitätsprofessoren
Jesionek in Giesten, König in Marburg,
Hagemann in Würzburg, Vulpius in Hei-
delberg, Ludloff in Frankfurt a. M., Bie-
salski, Huldschinsky und Langstein in Ber-
lin ausgearbeitet und kommt in ihrer
Wirkung einem längeren Aufenthalt in
Hochgebirgskurorten gleich. Die Bestrah-
lung mit „künstlicher Höhensonne" ersetzt
den unerschwinglich gewordenen Kur-
aufenthalt im Hochgebirge und erzielt
nicht nur bei der Behandlung von Rha-
ch i t i s, sondern bei vielen anderen Lei-
den austerordentliche Heilerfolge, auch
bei Fällen, in denen andere Behand-
lungsweisen versagen, namentlich bei
Kno ch entub erkulos e und T u-
berkulos ev erdacht.
Kurt Huldschinsky, der Assistent K. Biesalskis am Oskar-Helene-Heim
zur Heilung und Erziehung gebrechlicher Kinder in Berlin-Dahlem, hat
kürzlich eine aufsehenerre-
gende Schrift über Behand-
lung der Nhachitis durch
Ultraviolettbestrahlung ver-
öffentlicht, in der vierund-
zwanzig Fälle dargestellt sind.
Anfänglich vermutete er, die
Methode der künstlichen
Höhensonne sei nur zur Er-
gänzung der bisherigen Be-
handlung der Rhachitis wert-
voll. Nach den Ergebnissen
der Bestrahlung in vierund-
zwanzig Fällen an Kindern
im Alter von anderthalb bis
sechseinhalb Jahren, wobei
es sich um Rhachitis jeden
Grades, frische und
alte, handelte, ergab sich,
dast die Ultraviolettbestrah-
lung als spezifisch es Ver-
fahren gegen die Rhachitis
anzusehen ist, das injedem
Falle die Krankheit in
kürzester Zeit zum
Stillstand und zur
Abheilung bringt.
Es gelang ihm, sämtliche Fälle durch zweimonatige Lichtbestrahlung
in zweiundzwanzig bis sechsundzwanzig Sitzungen
auszuheilen. Die nach Röntgenaufnahmen hergestellten Zeich-
nungen in Huldschinskys Abhandlung sind
ein überzeugender Beweis für seine Er-
folge mit künstlicher Höhensonnenbestrah-
lung. Diese Behandlung kann bei ihrer
leichten Anwendbarkeit nicht
nur allen Volkskreisen zugute kommen,
es must erreicht werden, dast
die zynische englische Prophezeiung, in
zwanzig Jahren sei das deutsche Volk an
der englischen Krankheit zugrunde ge-
gangen, zunichte gemacht wird. Ohne
nennenswerten Zeitverlust kann eine
groste Zahl von gefährdeten und erkrank-
ten Kindern behandelt werden. Mit
einer Lichtquelle ist es möglich, bei
einer Bestrahlungsdauer von üusterstens
zwanzig Minuten und zwölf
B e h a n d l u n g s t a g e n für jedes
Kind i in Monat einhundert-
zweiundneunzig Kinder gleich-
zeitig zu behandeln. Rechnet
man für jedes Kind eine zweimonatige
Behandlung, so käme man im Jahr
auf weit über tausend mit einer


Bestrahlung mit „künstlicher Höhensonne".
Mehrere Kinder können gleichzeitig bestrahlt werden.

Bestrahlungshalle nach Professor Jesionek nn „Krankenhause links der Isar"
in München.



Von chirurgischer Tuberkulose(Skrofulose) geheilte Kinder.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik Marburg.
 
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