Heft 2
Das Buch f ü r A l l e
Zur Befreiung des Burgenlandes
Von Hans Karl Pirkner / Mit vier Bildern
on den berüchtigten vierzehn Punkten des ehemaligen Präsidenten
Wilson lautete einer: „Länderund Völker dürfen nicht hin und her-
geschoben werden wie die Figuren in einem Schachspiel". Jahre
sind seitdem vergangen, und die Ententediplomaten spielen noch immer mit
dem Schicksal von Ländern und Provinzen. Und jeder ihrer Schachzüge
mar bisher so beschaffen, das; in den strittigen Ländern und Provinzen
neues Elend, Bedrängnis und schwerste Not entstehen muhte. Das Wilsonsche
Selbstbestimmungsrecht der Völker war ein weiteres aus jener Reihe von
Schlagwörtern, das nichts mehr galt, nachdem es zur Erweckung falscher
Hoffnungen seine Schuldigkeit getan hatte. Statt friedlicher Lösungen
kam es zu blutigen Aufständen und Bürgerkriegen, die auch Deutsch-
Westungarn nicht erspart blieben.
Im Frieden von Saint-Germain und von Trianon wurde zwar das
nrdeutsche Land Österreich zugesprochen, aber zwei Jahre vergingen,
ohne daß die Übergabe erfolgte. Nun ist es Ende August 1921 endlich
doch so weit gekommen, daß die berechtigten deutschen Ansprüche erfüllt
wurden. Damit sind Teile dieses Gebietes zum neunten Male mit
Österreich verbunden worden, denn nicht weniger als achtmal im Laufe
feiner Geschichte gehörte Deutsch-Westungarn für längere oder kürzere Zeit
zu Österreich. Die bisherige Grenze zwischen beiden Ländern war keine
Sprachgrenze, sie führte mitten durch deutsches Gebiet. Deutsch-West-
ungarn, das Burgenland, ist uraltes deutsches Siedlungsland, in dem die
Deutschen früher als Magyaren und Slawen seßhaft geworden sind. Die
wirtschaftlichen Beziehungen des Landes waren zu alten Zeiten und bis in
die Gegenwart weit engere zu Deutsch-
Österreich als zum übrigen Ungarn.
Einst herrschten die Römerin diesem Ge¬
biet,- sie nannten die Provinz Pannonien.
Aber schon im Anfang unserer Zeitrechnung
hausten dort germanische Stämme des Vol-
kes der Sueven (Schwaben). Nach den
Hunnenstürmen wechselten dort abermals
verschiedene germanische Stämme. Karl der
Große vernichtete das Reich der Awaren,
gründete die Fränkische Ostmark, und nun
siedelten sich in Westungarn Bayern, Sach-
sen und Franken an. Schon um 860 wird
die „Öde Burg" oder „Burg in der Öden",
das heutige Odenburg, erwähnt; damit ist
der deutsche Ursprung der Stadt erwiesen.
Nach wechselnden Schicksalen riefen die
Ungarn um das Jahr 1000 deutsche An-
siedler herbei, denen Vorrechte und Frei-
heiten versprochen werden mußten, und im
elften Jahrhundert begann unter Kaiser
Heinrich lll. die deutsche Siedlung in groß-
zügiger Weise durch aus dem Nordgau her-
beigezogene Mainfranken. Man nennt die
Deutschen des Burgenlandes „Heinzen
„Hienzen"; dieser Name hängt mit Heinrich,
Heinz oder Hinz zusammen und stammt
aus jener Zeit der Besiedlung. Die Hienzen
wohnen meist im Gebirge der Eespanschaf-
ten Odenbnrg und Eisenburg. Jin Tief-
lande der Wieselburger Gespanschaft haben
die sogenannten Heidebauern ihre Heimat
gesunden, in einer Gegend, die bis ins fünf-
zehnte Jahrhundert schwach bevölkert war und Sümpfe und nichturbares
Land aufwies. Dann kam ein starker Zuzug aus Oberschwaben vom Bodensee
her. Es waren Protestanten, die ihres Glaubens wegen auswanderten.
Die M hrzahl der Hienzen und Heidebauern ist katholisch. Die Hälfte
der Bewohner Odenburgs gehört dem evangelischen Bekenntnis an.
Für die vielgeplagten, geduldigen, verspotteten Hienzen und Heidebauern
hat nun die Stunde der Erlösung geschlagen. Ohne die Arbeit der Deutschen
wären die Ungarn nie zur Blüte gelangt, die ihnen zum Dank dafür seit
fünf Jahrzehnten mit Unterdrückung lohnten und beharrlich das Deutschtum
auszutilgen suchten. Noch ein oder zwei Menschenaller ungestörter Magyari-
sierung, und von dem westungarischen Deutschtum wäre nicht mehr viel
übrig geblieben. Diese Gefahr droht nun nicht mehr. Die Hienzen und
Heidebauern kehren wieder heim zur alteu Ostmark, als deren Hüter sie
einst dort eingesetzt wurden.
Man hat das deutsch-westungarische Gebiet, das sich über Teile der vier
Komitate Ungarns — des Preßburger, Wieselburger, Ödenburger und Eisen-
burger Uomitats— erstreckte, das „Vierburgenlaud" genannt. Da Preßburg
in der Hand der Tschechen, und die Zugehörigkeit der deutschen Teile des
Preßburger Komitates strittig ist, nennt man es jetzt auch „Dreiburgen-
land". Es ist ein ausgesprochenes Landwirtschaftsgebiet, in dem rund zwei
Drittel aller Einwohner von Ackerbau, Viehzucht und vorn Ertrag anderer
ländlicher Beschäftigungen leben. Das reiche, schöne Land ist eine unent-
behrliche Kornkammer für das getreidearme Österreich, dem dieser wirt-
schaftliche Zuwachs zur Erhaltung unbedingt nötig ist. Rind- und Schweine-
fleisch, Eier, Milch und Geflügel bezog Wien und überhaupt Deutsch-
Österreich in Mengen aus dem Burgenlande. Weil alles so rasch vergessen
wird, erinnern wir uns wohl kaum mehr daran, daß Ungarus „ritterliches"
Verhalten im Weltkrieg durch die Sperrung der Zufuhren für die Ver-
pflegung Wiens in brutaler Weise dazu bei-
getragen hat, dort die so verhängnisvolle
Teuerung hervorzurufen. Von den allein
in Ungarisch-Altenburg, im Wieselburger-
Gespan, jährlich erzeugten acht bis zehn
Millionen Liter Milch sind vor 1914 neunzig
Prozent nach Wien ausgeführt worden. Und
ähnlich lag es mit allem anderen, was das
Land hervorbrachte. Zur Gesundung der
deutschösterreichischen Verhältnisse wird die
Einverleibung des Burgenlandes wesent-
lich beitragen..
In Deutsch-Westungarn finden sich die
schroffsten Gegensätze h'.nstchtl'ch Bodenbe-
schaffenheit, Fruchtbarkeit und Klima. Zahl-
reiche Wasserläufe und Hügelketten trennen
es in viele Teile, die durch Straßen und
Eisenbahnen miteinander verbunden wer-
den müssen. Fast der ganze Boden des ge-
segneten Wieselburger Komitates, in dem
die Heidebauern wohnen, iit änßerst frucht-
bar und liefert Weizen, Gerste, Kukuruz
und Korn in großer Menge. Ein eigenartiges
Naturwnnder ist der sechsunddreißig Kilo-
meter lange, durchschnittlich elf Kilometer
breite, aber stellenweise nnr einbis dreiMeter
tiefe Neusiedler See mit seinen weit ausge-
dehnten, fast undurchdringlichen Schilfbe-
ständen. Das Wasser in diesem See wechselte
in allen Jahrhunderten seinen Stand; 1736
konnte inan den See durchwaten nnd vier
Jahre später war er fast ganz ausgetrocknet.
Man wollte das trockene Seebett bebauen;
r
Das Rathaus in Oldenburg.
Das Buch f ü r A l l e
Zur Befreiung des Burgenlandes
Von Hans Karl Pirkner / Mit vier Bildern
on den berüchtigten vierzehn Punkten des ehemaligen Präsidenten
Wilson lautete einer: „Länderund Völker dürfen nicht hin und her-
geschoben werden wie die Figuren in einem Schachspiel". Jahre
sind seitdem vergangen, und die Ententediplomaten spielen noch immer mit
dem Schicksal von Ländern und Provinzen. Und jeder ihrer Schachzüge
mar bisher so beschaffen, das; in den strittigen Ländern und Provinzen
neues Elend, Bedrängnis und schwerste Not entstehen muhte. Das Wilsonsche
Selbstbestimmungsrecht der Völker war ein weiteres aus jener Reihe von
Schlagwörtern, das nichts mehr galt, nachdem es zur Erweckung falscher
Hoffnungen seine Schuldigkeit getan hatte. Statt friedlicher Lösungen
kam es zu blutigen Aufständen und Bürgerkriegen, die auch Deutsch-
Westungarn nicht erspart blieben.
Im Frieden von Saint-Germain und von Trianon wurde zwar das
nrdeutsche Land Österreich zugesprochen, aber zwei Jahre vergingen,
ohne daß die Übergabe erfolgte. Nun ist es Ende August 1921 endlich
doch so weit gekommen, daß die berechtigten deutschen Ansprüche erfüllt
wurden. Damit sind Teile dieses Gebietes zum neunten Male mit
Österreich verbunden worden, denn nicht weniger als achtmal im Laufe
feiner Geschichte gehörte Deutsch-Westungarn für längere oder kürzere Zeit
zu Österreich. Die bisherige Grenze zwischen beiden Ländern war keine
Sprachgrenze, sie führte mitten durch deutsches Gebiet. Deutsch-West-
ungarn, das Burgenland, ist uraltes deutsches Siedlungsland, in dem die
Deutschen früher als Magyaren und Slawen seßhaft geworden sind. Die
wirtschaftlichen Beziehungen des Landes waren zu alten Zeiten und bis in
die Gegenwart weit engere zu Deutsch-
Österreich als zum übrigen Ungarn.
Einst herrschten die Römerin diesem Ge¬
biet,- sie nannten die Provinz Pannonien.
Aber schon im Anfang unserer Zeitrechnung
hausten dort germanische Stämme des Vol-
kes der Sueven (Schwaben). Nach den
Hunnenstürmen wechselten dort abermals
verschiedene germanische Stämme. Karl der
Große vernichtete das Reich der Awaren,
gründete die Fränkische Ostmark, und nun
siedelten sich in Westungarn Bayern, Sach-
sen und Franken an. Schon um 860 wird
die „Öde Burg" oder „Burg in der Öden",
das heutige Odenburg, erwähnt; damit ist
der deutsche Ursprung der Stadt erwiesen.
Nach wechselnden Schicksalen riefen die
Ungarn um das Jahr 1000 deutsche An-
siedler herbei, denen Vorrechte und Frei-
heiten versprochen werden mußten, und im
elften Jahrhundert begann unter Kaiser
Heinrich lll. die deutsche Siedlung in groß-
zügiger Weise durch aus dem Nordgau her-
beigezogene Mainfranken. Man nennt die
Deutschen des Burgenlandes „Heinzen
„Hienzen"; dieser Name hängt mit Heinrich,
Heinz oder Hinz zusammen und stammt
aus jener Zeit der Besiedlung. Die Hienzen
wohnen meist im Gebirge der Eespanschaf-
ten Odenbnrg und Eisenburg. Jin Tief-
lande der Wieselburger Gespanschaft haben
die sogenannten Heidebauern ihre Heimat
gesunden, in einer Gegend, die bis ins fünf-
zehnte Jahrhundert schwach bevölkert war und Sümpfe und nichturbares
Land aufwies. Dann kam ein starker Zuzug aus Oberschwaben vom Bodensee
her. Es waren Protestanten, die ihres Glaubens wegen auswanderten.
Die M hrzahl der Hienzen und Heidebauern ist katholisch. Die Hälfte
der Bewohner Odenburgs gehört dem evangelischen Bekenntnis an.
Für die vielgeplagten, geduldigen, verspotteten Hienzen und Heidebauern
hat nun die Stunde der Erlösung geschlagen. Ohne die Arbeit der Deutschen
wären die Ungarn nie zur Blüte gelangt, die ihnen zum Dank dafür seit
fünf Jahrzehnten mit Unterdrückung lohnten und beharrlich das Deutschtum
auszutilgen suchten. Noch ein oder zwei Menschenaller ungestörter Magyari-
sierung, und von dem westungarischen Deutschtum wäre nicht mehr viel
übrig geblieben. Diese Gefahr droht nun nicht mehr. Die Hienzen und
Heidebauern kehren wieder heim zur alteu Ostmark, als deren Hüter sie
einst dort eingesetzt wurden.
Man hat das deutsch-westungarische Gebiet, das sich über Teile der vier
Komitate Ungarns — des Preßburger, Wieselburger, Ödenburger und Eisen-
burger Uomitats— erstreckte, das „Vierburgenlaud" genannt. Da Preßburg
in der Hand der Tschechen, und die Zugehörigkeit der deutschen Teile des
Preßburger Komitates strittig ist, nennt man es jetzt auch „Dreiburgen-
land". Es ist ein ausgesprochenes Landwirtschaftsgebiet, in dem rund zwei
Drittel aller Einwohner von Ackerbau, Viehzucht und vorn Ertrag anderer
ländlicher Beschäftigungen leben. Das reiche, schöne Land ist eine unent-
behrliche Kornkammer für das getreidearme Österreich, dem dieser wirt-
schaftliche Zuwachs zur Erhaltung unbedingt nötig ist. Rind- und Schweine-
fleisch, Eier, Milch und Geflügel bezog Wien und überhaupt Deutsch-
Österreich in Mengen aus dem Burgenlande. Weil alles so rasch vergessen
wird, erinnern wir uns wohl kaum mehr daran, daß Ungarus „ritterliches"
Verhalten im Weltkrieg durch die Sperrung der Zufuhren für die Ver-
pflegung Wiens in brutaler Weise dazu bei-
getragen hat, dort die so verhängnisvolle
Teuerung hervorzurufen. Von den allein
in Ungarisch-Altenburg, im Wieselburger-
Gespan, jährlich erzeugten acht bis zehn
Millionen Liter Milch sind vor 1914 neunzig
Prozent nach Wien ausgeführt worden. Und
ähnlich lag es mit allem anderen, was das
Land hervorbrachte. Zur Gesundung der
deutschösterreichischen Verhältnisse wird die
Einverleibung des Burgenlandes wesent-
lich beitragen..
In Deutsch-Westungarn finden sich die
schroffsten Gegensätze h'.nstchtl'ch Bodenbe-
schaffenheit, Fruchtbarkeit und Klima. Zahl-
reiche Wasserläufe und Hügelketten trennen
es in viele Teile, die durch Straßen und
Eisenbahnen miteinander verbunden wer-
den müssen. Fast der ganze Boden des ge-
segneten Wieselburger Komitates, in dem
die Heidebauern wohnen, iit änßerst frucht-
bar und liefert Weizen, Gerste, Kukuruz
und Korn in großer Menge. Ein eigenartiges
Naturwnnder ist der sechsunddreißig Kilo-
meter lange, durchschnittlich elf Kilometer
breite, aber stellenweise nnr einbis dreiMeter
tiefe Neusiedler See mit seinen weit ausge-
dehnten, fast undurchdringlichen Schilfbe-
ständen. Das Wasser in diesem See wechselte
in allen Jahrhunderten seinen Stand; 1736
konnte inan den See durchwaten nnd vier
Jahre später war er fast ganz ausgetrocknet.
Man wollte das trockene Seebett bebauen;
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Das Rathaus in Oldenburg.