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66

Das Buch fü r Alle

Heft 4

kann sich leicht vorstellen, welche Unsummen eine solche Anlage ver-
schlingen würde, wenn sie überhaupt wegen des Eigengewichtes solcher
dicken Kabel technisch möglich wäre. So ist denn die Hochspannungs-
freileitung längst die allein übliche Form elektrischer Kraftübertragung
auf größere Entfernungen geworden. Aber mit 100 000 Volt steht die
Leitung von Golpa nach Berlin, wie erwähnt, einzig in der Welt da,
ein hocherfreulicher Beweis für die Leistungsfähigkeit unserer Elektro-
technik, die in unserem gesamten wirtschaftlichen Leben eine so ungemein
wichtige Rolle spielt. M. K.
Im Kampf gegen das Überhanünehmen der Mäuse. — In Jahren,
die ihrer Vermehrung günstig sind, zählten diese kleinen Nager und Körner-
fresser in einzelnen Ländern nach vielen Millionen, und der von ihnen
verursachte Schaden belief sich auf große Summen. Die neuere Wissen-
schaft bot zu ihrer Bekämpfung die verschiedensten Möglichkeiten. Man
vergiftete Körner oder brachte ihnen in diesen Früchten Bazillen bei, um
ein Massensterben am Mäusetyphus herbeizuführen. Da und dort aber
blieb man bei den einfachen Jagd¬
verfahren und setzte Prämien für
den Fang der Mäuse aus. So
wurdeu im August 1921 in Neu¬
burg am Rhein fünfzehn Pfennig
für eine tote Maus bezahlt uud
rund 70 000 Stück getötet. In
manchen Gemeinden kam es da¬
hin, daß die Prämienausschrei¬
bungen aufgehoben werden mu߬
ten, da man Zu viel Geld dafür
gebrauchte. So wurden in Min¬
feld in wenigen Tagen 100 000
Mäuse abgeliefert, wofür 10 000
Mark bezahlt wurden. Noch teue¬
rer kam der Gemeinde Berg die
Müusejagd zu stehen; sie zahlte für
30 000 dieser Nager 6000 Mark.
In Landau beschloß die Stadtver¬
waltung, zehn Gasapparate, die
1700 Mark kosteten, anzuschaffen.
Zwanzig Mann begannen den
Vernichtungsfeldzug, und die sech¬
zehntägige Massenvertilgung ver¬
ursachte einschließlich der Arbeits-
löhne und Gaspatronen rund 24 000 Mark Kosten. In ähnlicher Weise
ging man in Waiblingen und anderwärts vor.
Wie Professor Konrad Günther kürzlich in der „Naturwissenschaftlichen
Wochenschrift" auseinandersetzte, wirkt im organischen Leben alles so eng
ineinander, daß man schwerlich irgendwo eingreifen kann, ohne andere Teile
in Mitleidenschaft zu ziehen. So wird der Klee von den Hummeln be-
fruchtet; diese Insekten bauen ihre Nester in die Erde, wo sie von den
Mäusen vernichtet werden. Die Mäuse falleu verschiedenen Raubvögeln,
Wieseln und Füchsen zum Opfer. Je stärker sich nun diese Tiere vermehren,
umso mehr Mäuse werden vertilgt, und umso weniger Hummelnester
werden zerstört. Demnach dürfte man durch die Vertilgung der Mäuse
damit rechnen, daß der Klee besfer gedeiht, weil die Hummeln ihre Feinde
verloren haben. Um bei der Schädlingsbekämpfung richtig vorzugehen,
ist die engste Zusammenarbeit mit Forst- und Landwirtschaft, Fischerei,
Wasserbau, Städte- und Gemeinwesen nötig. Um nun eine fachmännische
Erforschung der Zweckmäßigsten Mittel zur Ungeziefervertilgung und
Schädlingsbekämpfung und auch der Verringerung der Seuchengefahr
herbeizuführen, ist in Mannheim eine „Deutsche Zentralstelle zur wissen-
schaftlichen Erforschung der gesamten Ungeziefervernichtung und Be-
kämpfung der Seuchengefahr" ins Leben gerufen worden. Jahr um Jahr
gehen Millionen durch Schädlinge aller Art zugrunde. Es mich etwas ge-
schehen, um hier Waudel zu schaffen. H. Nie.

Dom Neuen das Neueste. — Zum Wesen des Zeitungs- und Zeit-
schriftenbetriebes gehört es, die Leser der Blätter möglichst rasch mit den
neuesten Nachrichten aus alleu möglichen Gebieten bekannt zu machen.
Wenn es sich um Mitteilungen handelt, die das Wohl und Wehe des ein-
zelnen betreffen, muß man sich aber bei Veröffentlichungen doch Zurück-
haltung auferlegen, denn nichts ist schlimmer, als Erwartungen und Hoff-
nungen zu erregen, die sich nicht erfüllen können. Außer den im Kriege um
ihr Augenlicht Gekommenen gibt es zahlreiche Blinde, die gerne wieder
sehen möchten. Wie unverantwortlich ist es nun, wenn diesen Armen ge-
sagt wird, es sei gelungen, ganze Augen zu verpflanzen. So kam kürzlich aus
Wien die aufregende Meldung, es sei dort einem Studenten gelungen, ge-
blendeten Fischen, Lurchen und Natten die Sehorgane anderer Fische,
Lurche und Ratten einzusetzen. Er glaubte festgestellt zu haben, daß die ge-
blendeten Tiere ihr Sehvermögen wieder erlangten. Die ganze Art der
„Aufmachung" erweckte den Eindruck, daß es sich dabei um eure durchaus
nicht zweifelsfreie „Errungenschaft" handelte. Trotzdem fand die Nachricht
die weiteste Verbreitung. Hält man
mit dem Urteil nicht zurück, so ist
die fahrlässige Eile, mit der solche
Mitteilungen veröffentlicht wer-
den, zum mindesten als Gemüts-
roheit zn bezeichnen. Wenn auch
nur in einem Falle ein Erblindeter
erwartete, durch eine derartige
Operation sein Augenlicht wieder
erlangen zu köunen, so verdient es
schärfsten Tadel, diese Hoffnung
leichtsinnigerweise erweckt zu hab en.
Der Direktor der Berliner Uni-
versitäts-Augenklinik, Geh. Medizi-
nalrat Prof. Dr. R. Greef, äußerte
sich in der „Deutschen Optischen
Wochenschrift" über diese angeb-
lichen Erfolge. Der Gedanke, Augen
zu übertragen, ist nicht neu. Seit
mehreren Jahrzehnten kommen
immer wieder von Zeit zu Zeit
vou irgendwoher, meist aus Ame-
rika, sensationelle in den Tages-
zeitungen verbreitete Nachrichten
zu uns, daß es gelungen sei, Augen
vom Kaninchen, Kalb oder Schwein auf den Menschen zu übertragen. Nach-
dem sich ein großes Geschrei erhöbe:: hatte und Kommissionen ernannt
worden waren, blieb es dann wieder still. Gewiß kann man in die leere
Augenhöhle eines Menschen ein Kaninchenauge leicht einsetzen, aber nur
auf ein paar Tage. Dann schrumpft es allmählich und stirbt ab, da es mit
Blut zu wenig versorgt ist, um sich lebensfähig zu erbalten. Zurzeit ge-
lingt es der Technik nicht, die feinen Gefüßchen der Augen überzuleiten
und anzunähen. Gelänge es, die Technik der Operation so zn verfeinern,
daß ein neues Auge genügend durchblutet würde, danu könnte es wohl an-
wachsen, und es ist anzunehmen, daß dann auch Gefühls- und Bewegungs-
nerven hineinwachsen würden. Niemals aber, solange die Naturgesetze
herrschen, wird eine Sehnervenfaser sich mit anderen verbinden und leiten,
so daß man mit dem Auge auch nur eineu Schimmer sehen könnte.
Im Organismus muß streng unterschieden werden das zentrale Nerven-
system (Gehirn, Rückenmark und so weiter) und die peripheren, den ganzen
Körper durchziehenden Nerven. Die peripheren Nerven wachsen, wenn sie
durchschnitten sind, wieder zusammen und leiten auch wieder. Anders
verhält sich die Nervenfaser im Zentralsystem. Die einmal getrennte zen-
trale Nervenfaser wächst nie wieder so zusammen, daß sie wieder leitet,
wo sie sich auch befinden mag. Die Sehnerven sind keine peripheren Nerven,
sie enthalten nur zentrale Fasern; sie gehören zur weißen Hirnsubstanz.
Deshalb gilt hier das unwandelbare Gesetz, daß zerfallene oder getrennte

PlMvlhek.
Die >vo OQO-Volt-Starkslroinleitung in Berlin.
 
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