I 2d
Das Buch für Alle
Heft 8
vor
Nach einem G.malbe von L. Blume-Siebert.
Rufigsammeln bei Schnee und Frost.
der nächsten Zeit allein das Hans zu verlassen.
ein
rot
an der Brücke. Ich will mit Dir fliehen, komme,
Bis dahin schütze Dich Gott! In banger Sorge
Arabas schritt weiter. Scharlachrot schwebte er
Zuschauer.
„Noch wenige Meter, dann bist du da. Warum bangst du diesmal?
Was soll mir widerfahren? Sie liebt mich doch!"
Auf eiumal nahm die Nickelstange vor ihm verzerrten Glanz an, der ins
Breite floß. Unstcher griff er zu. Was war das?
Arabas wusste und hörte nichts mehr.
Dann gellten Schreie aus tausend Kehlen.
Ein Drängen, Schieben und Hasten entstand in den Sitzreihen.
Stühle barsten unter der Hast der Flüchtenden, und ein weiter Kreis
tat sich auf. Am Boden lag eine scharlachrote Gestalt. Von Arabas' Stirn
rann ein dünnes Blutrinnsal.
Der Direktor iam. Einige Livrierte folgten ihm. Sie betteten Arabas
auf eiue Bahre und Irrigen ihn in ein enges Ankleidezimmer. Bald war
Martba hatte ihn nicht vergessen Kurz vor seinem Auftreten steckte
ihm ein Diener ein Briefchen zu. Er öffnete hastig den Umichlag und las:
„Liebster! HeMe ist der letzte Tag, da Du in der gleichen Stadt weilst
wie ich, und heute nacht noch willst Du abreisen. Mit ollen Gedanken bin
ich bei Dir und ängstige mich um Dich. Meine Eltern schlossen mich ein,
rind doch weih ich einen Weg, um heute abend zu Dir zu eilen denn ich
kann nicht mehr ohne Dich leben. Ich warte anf Dich und bm nm zehn Uhr
was da kommen mag.
Deine Martha."
Arabas barg den
Brief in seinem Trikot,
dann schritt er zur
rechtenZeitdie schma-
len Stufen zur Bühne
hinan.
Er hörte den grellen
Tusch der Trompeten.
Dann flatterte die
Gardine auseinander.
Niin staiid er im L'cht
der Scheinwerfer.
„Martha," flüsterte
er halblaut in un-
endlicher Zärtlichkeit.
Dann sagte er wie
an jedem Abend sein
Sprüchlein her.
Langsam stieg er
auf das Podest, das
eine rot amtene Decke
mit seinem Namens-
zug trug. Er emp-
fand ein Glück das er
nie gekannt i das Le-
ben dünkte ihm
einziger Strauß
erblühter Rosen.
Das Drahtseil
ihm blitzte in den:
bläulichen Dunst des
Saales.
,sttlaren Kopf! Dort
ist das Seil; der Weg
ist schwer, und der Weg
ist steil. — Ich bin
dem," dachte er dann,
„komme, was da kom-
men mag!"
Die unter dem Seil
sahen, rückten beiseite.
Arabas fühlte den
harten Draht unter
den leichten Schuhen
und breitete die Arme
aus. Langsam 'eiste
er einen Futz vor den
andern.
Dort oben glänzte
das Ziel, die Nickel-
stange.
„Sonderbar," dach-
te Arabas, „der Mu-
siker dort unten isst
seine Butterstulle."
über den Köpfen der
weg gehen. Er eilte schnell hinterher. Dann stand er plötzlich vor dem
erschreckten Paar.
Arabas versuchte sich zu rechtfertigen und sprach von seinen Plänen und
seinen Ersparnissen.
Doch Holb redete wegwerfend von halsbrecherischen brotlosen Künsten
und Artistenzeug und Akrobatenvolk, so dasz Arabas die Stirnader schwoll.
Martha folgte zitternd dem streiigen Befehl des Vaters, sofort mit
Heimzukommen, dort würde sich alles weitere finden.
Zu Hause polterte Holb noch zorniger los, heftig und verächtlich.
„Ich liebe ihn," rief
Martha gepeinigt, „er
meint es ehrlich!"
„Unsinn!" schrie
der Agent. „Er ist ein
Luftikus wie alle diese
Kerle und will dich
nur verführen."
„Ich kann nicht an¬
ders!" Martha weinte.
„Der rote Teufel
hat dich verrückt ge¬
macht!" chimpfteHolb.
Und auch die Mutter
stimmte klagend ein
und wies auf die ge¬
ringe Sicherheit eines
so halsbrecherischen
Tuns hin.
„Er will ja seinen
Beruf mir zuliebe
aufgeben," erklärte
Martha, „nur noch
einen Monat ist er
verpflichte'., und er hat
sich genug gespart, um
ein Geschäft zu kau¬
fen."
„Warte nur auf
ihn," höhnte Holb, „ob
er noch an dich denkt,
wenn er einmal fort
ist. Ein Akrobat und
einGeschäft anfangen!
Lächerlich!" Er zupfte
Martha am Ärmel.
„Vielleicht stellt er sich
dann vor den Leuten,
die bei ihm Zigarren
kaufen, aufden Kopf."
Martha dachte an
Arabas und schwieg.
Der Agent Holb
war ein vorsichtiger
Mann. AufdemBüro
des Varietätheaters
hatte man ihm gesagt,
dasz die Verpflichtung
BenArabasAnit dem
Letzten des Monats ab¬
liefe. Sein Herz war
dadurch zwar etwas
leichter geworden doch
verbot er Martha auf
das allerstrengste, in
Am vorletzten Tage des Monats hatte Arabas vergebens an der Brücke
gewartet. In seiner Sehnsucht glaubte er in jedem Mädchen, das da her-
kam, die Geliebte zu erkennen.
Unruhig kehrte er nach einer Stunde vergeblichen Wartens heim. Er
ahnte, dasz es zwischen Martha lind ihrem Vater eine harte Aussprache
gegeben haben müste. Er sann lange, um eineu Weg zu finden, mit Martha
sprechen zu können. Glaubte er doch, daß auch sie mit all n Gedankeu bei
ihm weilte und es auf ieden Fall versuchen würde, ihm vor seinem Scheiden
ein Lebenszeichen zu geben.
Am letzten Tage stand er wieder wartend an der Brücke. Und doch wußte
er, dasz sie nicht kommen würde. Noch waren es vier Stunden, bis die
Vorstellung vorbei war, und dann blieb noch eine Frist von zwei Stunden.
Erst nach Mitternacht ging sein Zug.
Das Buch für Alle
Heft 8
vor
Nach einem G.malbe von L. Blume-Siebert.
Rufigsammeln bei Schnee und Frost.
der nächsten Zeit allein das Hans zu verlassen.
ein
rot
an der Brücke. Ich will mit Dir fliehen, komme,
Bis dahin schütze Dich Gott! In banger Sorge
Arabas schritt weiter. Scharlachrot schwebte er
Zuschauer.
„Noch wenige Meter, dann bist du da. Warum bangst du diesmal?
Was soll mir widerfahren? Sie liebt mich doch!"
Auf eiumal nahm die Nickelstange vor ihm verzerrten Glanz an, der ins
Breite floß. Unstcher griff er zu. Was war das?
Arabas wusste und hörte nichts mehr.
Dann gellten Schreie aus tausend Kehlen.
Ein Drängen, Schieben und Hasten entstand in den Sitzreihen.
Stühle barsten unter der Hast der Flüchtenden, und ein weiter Kreis
tat sich auf. Am Boden lag eine scharlachrote Gestalt. Von Arabas' Stirn
rann ein dünnes Blutrinnsal.
Der Direktor iam. Einige Livrierte folgten ihm. Sie betteten Arabas
auf eiue Bahre und Irrigen ihn in ein enges Ankleidezimmer. Bald war
Martba hatte ihn nicht vergessen Kurz vor seinem Auftreten steckte
ihm ein Diener ein Briefchen zu. Er öffnete hastig den Umichlag und las:
„Liebster! HeMe ist der letzte Tag, da Du in der gleichen Stadt weilst
wie ich, und heute nacht noch willst Du abreisen. Mit ollen Gedanken bin
ich bei Dir und ängstige mich um Dich. Meine Eltern schlossen mich ein,
rind doch weih ich einen Weg, um heute abend zu Dir zu eilen denn ich
kann nicht mehr ohne Dich leben. Ich warte anf Dich und bm nm zehn Uhr
was da kommen mag.
Deine Martha."
Arabas barg den
Brief in seinem Trikot,
dann schritt er zur
rechtenZeitdie schma-
len Stufen zur Bühne
hinan.
Er hörte den grellen
Tusch der Trompeten.
Dann flatterte die
Gardine auseinander.
Niin staiid er im L'cht
der Scheinwerfer.
„Martha," flüsterte
er halblaut in un-
endlicher Zärtlichkeit.
Dann sagte er wie
an jedem Abend sein
Sprüchlein her.
Langsam stieg er
auf das Podest, das
eine rot amtene Decke
mit seinem Namens-
zug trug. Er emp-
fand ein Glück das er
nie gekannt i das Le-
ben dünkte ihm
einziger Strauß
erblühter Rosen.
Das Drahtseil
ihm blitzte in den:
bläulichen Dunst des
Saales.
,sttlaren Kopf! Dort
ist das Seil; der Weg
ist schwer, und der Weg
ist steil. — Ich bin
dem," dachte er dann,
„komme, was da kom-
men mag!"
Die unter dem Seil
sahen, rückten beiseite.
Arabas fühlte den
harten Draht unter
den leichten Schuhen
und breitete die Arme
aus. Langsam 'eiste
er einen Futz vor den
andern.
Dort oben glänzte
das Ziel, die Nickel-
stange.
„Sonderbar," dach-
te Arabas, „der Mu-
siker dort unten isst
seine Butterstulle."
über den Köpfen der
weg gehen. Er eilte schnell hinterher. Dann stand er plötzlich vor dem
erschreckten Paar.
Arabas versuchte sich zu rechtfertigen und sprach von seinen Plänen und
seinen Ersparnissen.
Doch Holb redete wegwerfend von halsbrecherischen brotlosen Künsten
und Artistenzeug und Akrobatenvolk, so dasz Arabas die Stirnader schwoll.
Martha folgte zitternd dem streiigen Befehl des Vaters, sofort mit
Heimzukommen, dort würde sich alles weitere finden.
Zu Hause polterte Holb noch zorniger los, heftig und verächtlich.
„Ich liebe ihn," rief
Martha gepeinigt, „er
meint es ehrlich!"
„Unsinn!" schrie
der Agent. „Er ist ein
Luftikus wie alle diese
Kerle und will dich
nur verführen."
„Ich kann nicht an¬
ders!" Martha weinte.
„Der rote Teufel
hat dich verrückt ge¬
macht!" chimpfteHolb.
Und auch die Mutter
stimmte klagend ein
und wies auf die ge¬
ringe Sicherheit eines
so halsbrecherischen
Tuns hin.
„Er will ja seinen
Beruf mir zuliebe
aufgeben," erklärte
Martha, „nur noch
einen Monat ist er
verpflichte'., und er hat
sich genug gespart, um
ein Geschäft zu kau¬
fen."
„Warte nur auf
ihn," höhnte Holb, „ob
er noch an dich denkt,
wenn er einmal fort
ist. Ein Akrobat und
einGeschäft anfangen!
Lächerlich!" Er zupfte
Martha am Ärmel.
„Vielleicht stellt er sich
dann vor den Leuten,
die bei ihm Zigarren
kaufen, aufden Kopf."
Martha dachte an
Arabas und schwieg.
Der Agent Holb
war ein vorsichtiger
Mann. AufdemBüro
des Varietätheaters
hatte man ihm gesagt,
dasz die Verpflichtung
BenArabasAnit dem
Letzten des Monats ab¬
liefe. Sein Herz war
dadurch zwar etwas
leichter geworden doch
verbot er Martha auf
das allerstrengste, in
Am vorletzten Tage des Monats hatte Arabas vergebens an der Brücke
gewartet. In seiner Sehnsucht glaubte er in jedem Mädchen, das da her-
kam, die Geliebte zu erkennen.
Unruhig kehrte er nach einer Stunde vergeblichen Wartens heim. Er
ahnte, dasz es zwischen Martha lind ihrem Vater eine harte Aussprache
gegeben haben müste. Er sann lange, um eineu Weg zu finden, mit Martha
sprechen zu können. Glaubte er doch, daß auch sie mit all n Gedankeu bei
ihm weilte und es auf ieden Fall versuchen würde, ihm vor seinem Scheiden
ein Lebenszeichen zu geben.
Am letzten Tage stand er wieder wartend an der Brücke. Und doch wußte
er, dasz sie nicht kommen würde. Noch waren es vier Stunden, bis die
Vorstellung vorbei war, und dann blieb noch eine Frist von zwei Stunden.
Erst nach Mitternacht ging sein Zug.