Heft y
Das Buch f ü r 2t l l e
Pyvwlyck.
Unterricht in den mlernatumUen Ausweichercgeln zur See.
die Gestirne den „ersten Vertikal" durchschneiden, das heißtrechtim Osten oder
Westen sich befanden. An einem Modell mit den vielen Himmelskreisen sieht
der junge Student und kann mit den Fingern förmlich abtasten, was „Höhe
über dem Horizont", „Deklination oder Abweichung vom Himmelsäqnator"
bedeuten, wo er den „Stnndenwinkel" und das „Azimut" zu suchen hat.
Aber Theorie allein nützt ihm nichts. Er soll auch mit dem Sertanten messen
lernen. Die Grundlagen für seine Rechnungen hat er selbstvom „großen Ziffer-
blatt der Weltenuhr, die noch nie verkehrt ging", abzulesen. Wo die „Kimm"
— der Gesichtskreis —nicht frei ist, schafft man sich durch horizontal gestellte
Spiegelflächen (Quecksilberschälchen oder polierte Steine, die durch Wasser-
wagensorgsamnivelliertwerden) „einen künstlichen Horizont", über demdann
alle Höhenwinkel doppelt groß werden, so daß man sie erst zu halbieren hat.
Auch Damen haben in der letzten Zeit öftersdie Prüfung zum „Schiffer auf
kleiner Fahrt" bestanden, nm die eigene Lustjacht selber leiten zu können.
Zu unseren Bildern
Den lvölfen preis^egeben (S. 137). — In Schnee und Eis hat der
Winter Rußland begraben. Als der Wind die letzten Blätter über die
kahlen Felder fegte, hat man Friedensverhandlungen über den Wieder-
aufbau der zerrütteten Wirtschaft angeknüpft. Aber
Matthäus Wchiestl,
ein deutscher Maler
Von Robert Frank / Mil vier Bildern
enn Leute aus der Großstadt, die sich im Besitz
der allein wahren Bildung fühlen, irgend etwas
verächtlich oder.lächerlich zu machen suchen, dann rümp-
fen sie die Nase und sagen: „Das ist gut für Pose-
muckel oder Kuhschnappel, auch für Krähwinkel, Schöp-
penstedt und Nippenburg mag es passen." Damit,
glauben sie, sei dann alles gebührend gekennzeichnet
und abgetan, was aus der Provinz stammt. Weiß doch
der Bildnngsphilister in den Großstädten immer ganz
genau, was gerade bewundernswert ist, und wähnt er
doch, daß nur im „brausenden, gärenden Leben" der
Städte mit mindestens über einer halben Million Ein-
wohnern die alleinseligmachende wahre Kultur zu
entstehen vermag. Und doch ist nichts so falsch und ver-
kehrt wie diese Auffassung, die für die Vergangenheit
ebensowenig richtig ist wie für die Gegenwart. Wer
Lust hat, sich davon zu überzeugen, der versuche ein-
mal, die großen Namen der Renaissance auf ihre Her-
kunft zu prüfen. Die Männer lebten und wirkten
wohl in Rom oder Florenz, aber sie st amme n meist
nicht aus diesen Städten. Leonardo da Vinci, Michel-
angelo und Tizian kamen aus der Provinz, auch Raffael
erblickte das Licht der Welt in Urbino, einem Nest bei
Rom. Das Leben in den großen Städten zehrt vom Mark des Volkes und
es müßte versiegen, wenn nicht immer wieder Nachschub aus der Provinz
käme. In nnseren Dörfern haben sich Bauernfamilien seit Jahrhunderten
in stetiger Folge erhalten, während in den Städten die durchschnittliche
Lebensdauer einer Familie nicht über die vierte Generation hinansreicht.
Wo käme das Leben in den Großstädten hin, wenn der Zuwachs aus dem
offenen Land lind der Kleinstadt, der „Provinz", aufhör.e? Darüber wäre
viel zu sagen.
Der Dichter Wilhelm Raabe, der so lange warten mußte, bis die Menschen
den Weg zu ihm fanden, schrieb in einem seiner Romane: „In dem Lande
zwischen den Vogesen und der Weichsel herrscht ein ewiger Werkeltag,
dampft es immerfort wie frischgepflügter Acker und trügt jeder Blitz, der
aus den fruchtbaren Schwaden aufwärts schlägt, einen Erdgcruch an sich, wel-
chen die Götter nns endlich, endlich gesegnen mögen. Sie äen und spinnen
alle ans Nippenburg, wie sie Namen haben: Luther, Goet e, Jean Paul, und
sie ichämen sich ihres Herkommens auch keineswegs.... Wohin wir blicken,
zieht stets und überall der germanische Genius ein Drittel seiner Kraft aus
dem Philistertum und wird von dem alten Riesen, dem Gedanken, mit wel-
chem er ringt, in den Lüften schwebend erdrückt, wenn es ihm nicht gelingt,
zur rechten Zeit wieder den Boden, aus dem er erwuchs, zu berühren."
wieviel Kraft wird der Frühling noch am Leben finden
bei dem hungergepeitschtcn und verzweifelten Volk?
Die Ode des ausgesogenen Landes ist grauenhaft. Wer
will noch den Pflug führen, und wo soll genügend
Saatgut Herkommen? Leer laufen die Maschinen, und
ohne Mut werkelt die Arbeit von einem Tag zum ande-
ren, solange es noch etwas gibt, dem Elend und dem
Hungertyphus zu entgehen. An der Wolga ist nichts
mehr zu haben; darum requiriert man jetzt in der
Ukraine. Wenn auch in d eser nichts mehr zu holen sein
wird, auch dort die tah e, kalte Hoffnungslosigkeit starrt,
bricht dann nicht vollends das gehetzte, verstörte Volk in
Erschöpfung zusammen, preisgegeben der Not wie das
verendeirde Pferd auf unserem Bild den gierigen Wöl-
fen? — In Schneewehen halb vergraben stecken die
Trümmer des Schlittens mit zerbrochener Deichse'. Als
die angstgepeitichte Flucht vor der verfolgenden, heulen-
den Meute das Gespann bis dahin gehetzt hatte, war
dem Sattelpferd der frechste der Wölfe so gründlich air
den Hal- gefahren, daß es zusammenbrach. Das Gestänge
zerschl gen die in Todesangst ausbäumenden Gäule.
Was der Schlitteninsasse zusammenra fen konnte, nahm
er, als das letzte Blei verschossen, auf das unverletzt ge-
ll iebene Tier und sagte, den Rest von Kraft aus dem
erschöpften pressend, davon, ehe die Nacht hereinbrach,
die eisigkalte Winternacht. Der röchelnden Eier der
Wölfe preisgegeben, liegt da- Opfer blutend im Schnee.
Krächzende Raben umftattern die Unglückstätte.
P.,o,0N)i>c.
Messen von Höhen- und Horizontalwinkeln zur Ortsbestimmung.
Das Buch f ü r 2t l l e
Pyvwlyck.
Unterricht in den mlernatumUen Ausweichercgeln zur See.
die Gestirne den „ersten Vertikal" durchschneiden, das heißtrechtim Osten oder
Westen sich befanden. An einem Modell mit den vielen Himmelskreisen sieht
der junge Student und kann mit den Fingern förmlich abtasten, was „Höhe
über dem Horizont", „Deklination oder Abweichung vom Himmelsäqnator"
bedeuten, wo er den „Stnndenwinkel" und das „Azimut" zu suchen hat.
Aber Theorie allein nützt ihm nichts. Er soll auch mit dem Sertanten messen
lernen. Die Grundlagen für seine Rechnungen hat er selbstvom „großen Ziffer-
blatt der Weltenuhr, die noch nie verkehrt ging", abzulesen. Wo die „Kimm"
— der Gesichtskreis —nicht frei ist, schafft man sich durch horizontal gestellte
Spiegelflächen (Quecksilberschälchen oder polierte Steine, die durch Wasser-
wagensorgsamnivelliertwerden) „einen künstlichen Horizont", über demdann
alle Höhenwinkel doppelt groß werden, so daß man sie erst zu halbieren hat.
Auch Damen haben in der letzten Zeit öftersdie Prüfung zum „Schiffer auf
kleiner Fahrt" bestanden, nm die eigene Lustjacht selber leiten zu können.
Zu unseren Bildern
Den lvölfen preis^egeben (S. 137). — In Schnee und Eis hat der
Winter Rußland begraben. Als der Wind die letzten Blätter über die
kahlen Felder fegte, hat man Friedensverhandlungen über den Wieder-
aufbau der zerrütteten Wirtschaft angeknüpft. Aber
Matthäus Wchiestl,
ein deutscher Maler
Von Robert Frank / Mil vier Bildern
enn Leute aus der Großstadt, die sich im Besitz
der allein wahren Bildung fühlen, irgend etwas
verächtlich oder.lächerlich zu machen suchen, dann rümp-
fen sie die Nase und sagen: „Das ist gut für Pose-
muckel oder Kuhschnappel, auch für Krähwinkel, Schöp-
penstedt und Nippenburg mag es passen." Damit,
glauben sie, sei dann alles gebührend gekennzeichnet
und abgetan, was aus der Provinz stammt. Weiß doch
der Bildnngsphilister in den Großstädten immer ganz
genau, was gerade bewundernswert ist, und wähnt er
doch, daß nur im „brausenden, gärenden Leben" der
Städte mit mindestens über einer halben Million Ein-
wohnern die alleinseligmachende wahre Kultur zu
entstehen vermag. Und doch ist nichts so falsch und ver-
kehrt wie diese Auffassung, die für die Vergangenheit
ebensowenig richtig ist wie für die Gegenwart. Wer
Lust hat, sich davon zu überzeugen, der versuche ein-
mal, die großen Namen der Renaissance auf ihre Her-
kunft zu prüfen. Die Männer lebten und wirkten
wohl in Rom oder Florenz, aber sie st amme n meist
nicht aus diesen Städten. Leonardo da Vinci, Michel-
angelo und Tizian kamen aus der Provinz, auch Raffael
erblickte das Licht der Welt in Urbino, einem Nest bei
Rom. Das Leben in den großen Städten zehrt vom Mark des Volkes und
es müßte versiegen, wenn nicht immer wieder Nachschub aus der Provinz
käme. In nnseren Dörfern haben sich Bauernfamilien seit Jahrhunderten
in stetiger Folge erhalten, während in den Städten die durchschnittliche
Lebensdauer einer Familie nicht über die vierte Generation hinansreicht.
Wo käme das Leben in den Großstädten hin, wenn der Zuwachs aus dem
offenen Land lind der Kleinstadt, der „Provinz", aufhör.e? Darüber wäre
viel zu sagen.
Der Dichter Wilhelm Raabe, der so lange warten mußte, bis die Menschen
den Weg zu ihm fanden, schrieb in einem seiner Romane: „In dem Lande
zwischen den Vogesen und der Weichsel herrscht ein ewiger Werkeltag,
dampft es immerfort wie frischgepflügter Acker und trügt jeder Blitz, der
aus den fruchtbaren Schwaden aufwärts schlägt, einen Erdgcruch an sich, wel-
chen die Götter nns endlich, endlich gesegnen mögen. Sie äen und spinnen
alle ans Nippenburg, wie sie Namen haben: Luther, Goet e, Jean Paul, und
sie ichämen sich ihres Herkommens auch keineswegs.... Wohin wir blicken,
zieht stets und überall der germanische Genius ein Drittel seiner Kraft aus
dem Philistertum und wird von dem alten Riesen, dem Gedanken, mit wel-
chem er ringt, in den Lüften schwebend erdrückt, wenn es ihm nicht gelingt,
zur rechten Zeit wieder den Boden, aus dem er erwuchs, zu berühren."
wieviel Kraft wird der Frühling noch am Leben finden
bei dem hungergepeitschtcn und verzweifelten Volk?
Die Ode des ausgesogenen Landes ist grauenhaft. Wer
will noch den Pflug führen, und wo soll genügend
Saatgut Herkommen? Leer laufen die Maschinen, und
ohne Mut werkelt die Arbeit von einem Tag zum ande-
ren, solange es noch etwas gibt, dem Elend und dem
Hungertyphus zu entgehen. An der Wolga ist nichts
mehr zu haben; darum requiriert man jetzt in der
Ukraine. Wenn auch in d eser nichts mehr zu holen sein
wird, auch dort die tah e, kalte Hoffnungslosigkeit starrt,
bricht dann nicht vollends das gehetzte, verstörte Volk in
Erschöpfung zusammen, preisgegeben der Not wie das
verendeirde Pferd auf unserem Bild den gierigen Wöl-
fen? — In Schneewehen halb vergraben stecken die
Trümmer des Schlittens mit zerbrochener Deichse'. Als
die angstgepeitichte Flucht vor der verfolgenden, heulen-
den Meute das Gespann bis dahin gehetzt hatte, war
dem Sattelpferd der frechste der Wölfe so gründlich air
den Hal- gefahren, daß es zusammenbrach. Das Gestänge
zerschl gen die in Todesangst ausbäumenden Gäule.
Was der Schlitteninsasse zusammenra fen konnte, nahm
er, als das letzte Blei verschossen, auf das unverletzt ge-
ll iebene Tier und sagte, den Rest von Kraft aus dem
erschöpften pressend, davon, ehe die Nacht hereinbrach,
die eisigkalte Winternacht. Der röchelnden Eier der
Wölfe preisgegeben, liegt da- Opfer blutend im Schnee.
Krächzende Raben umftattern die Unglückstätte.
P.,o,0N)i>c.
Messen von Höhen- und Horizontalwinkeln zur Ortsbestimmung.