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Heft io

Das Buch f u r "A l s e

gewinnung nicht mehr aus für den besonders durch den beispiellos an-
wachsenden Automobilverkehr ständig zunehmenden Bedarf. Ja, man hat
berechnet, das; die amerikanischen Erdölvorkommen in etwa zwei Jahr-
zehnten erschöpft sein dürften. Bei ihrem Bestreben, sich außerhalb des
eigenen Landes, vor allem in Meriko, an der Erdölproduktion zu beteiligen,
begegnen sie England als Rivalen, und auch der Konkurrenz anderer Staaten,
wie Frankreich und Holland. Auf englischer Seite ist es der Ropal-Dutch-
Konzern, auf amerikanischer die Standard Oil Co., die sich bei den Erwer-
bungen in Meriko mvorzukommen suchen. Nordamerika hat gegen die Ab-
machungen von San Remo, die England den
größten Teil der mesopotamischen Ausbeute zu-
erteilten, Einspruch erhoben und verlangt gleiches
Recht für alle, die „offene Tür" auch dort für die
Beteiligung an der Erdölgewinnung, so wie die
Bereinigten Staaten selbst bisher britische Gesell-
schaften auf amerikanischem Boden zugelassen
haben. Ebenso beansprucht Amerika für seine Ge-
sellschaften das Recht, sich an der Ausbeutung der
Petroleumfelder in Niederländisch-Jndien, auf
Djambi in Sumatra zu beteiligen. Es w verspricht
energisch dem Versuch Englands, die Gerechtsame
dem Royal-Dutch-Konzern zu übertragen. Die
Königlich Niederländische Petrolenmgesellschaft
hat sich schon seit Jahren mit der Londoner Shell
Transport and Trading Co. verbunden, und all-
mählich hat die englische Beteiligung fast die Über-
macht erhalten. So stehen sich denn die beiden ver-
wandten Großmächte England und die Vereinigten
Staaten bei dem Wettringen um den Besitz der
meisten Erdölquellen in scharfer wirtschaftlicher
und wegen der trotz aller Friedensreden verblei-
benden Eventualität eines Seekrieges auch politi-
scher Konkurrenz gegenüber. Reiche, zum Teil noch
nicht einmal erschlossene Erdölvorkommen liegen
in den südamerikanischen Staaten, in Chile, Bo¬
livien und vor allem in Argentinien am Fuße der
Anden.
Und Deutschland? Der deutsche Bedarf ist auf
ein Fünftel des Friedensbedarfes zurückgegangen.
In der gegenwärtigen politischen Ohnmacht und
wirtschaftlichen Notlage kann für Deutschland
nichts anderes übrig bleiben, als ein vorsichtiges
Verhüten bindender Abhängigkeit von einem der
beiden Truste. Mag nun auch in dem Kampf um
das Übergewicht in der Beherrschung der gewal-
tigen Energien, die im Erdöl zur Verfügung
stehen, der Sieg auf englischer oder amerikanischer
Seite zu einer Weltherrschaft führen, der deutschen
Arbeit wird es im Lauf der Jahrzehnte doch auch
gelingen, sich einen zunehmenden Anteil an der
Weltwirtschaft und auch an dem dafür unentbehr-
lichen Rohprodukt, dem Erdöl, zu sichern.
Mittenwald und der Geigenbau
Von Ernst -Rudolf Brendel
Mit vier Bildern der Photothek
is in das siebzehnte Jahrhundert muß man
zurückgreifen, um die Anfänge des deutschen
Geigenbaues im Süden unseres Vaterlandes zu
finden. Und eine große Abhandlung wäre nötig, wollte man die Entwick-
lung der Streichinstrumente und unter ihnen das Werden der Violine
schildern, der noch um 1600 in der Musik eine ziemlich untergeordnete Rolle
zugeteilt war. Niemand dachte in jener Zeit daran, daß dieses Instrument
die Königin des Orchesters und der Liebling großer Virtuosen werden
würde. Woran mochte das liegen?
Michael Prütorius schrieb 1619, die Orchesterstimmung sei bei den Alten
um einen Ton niedriger und tiefer gewesen als jetzt, und tadelt diejenigen
seiner Zeitgenossen, welche sich unterstünden, den Ton noch weiter zu
erhöhen. Dies sei nicht ratsam, sowohl wegen der Violinisten als der
Saiteninstrumente überhaupt, denn es müßten vortreffliche Saiten sein,
die, bis zu solcher Höhe gestimmt, sich beim Spiel bewährten. Meist käme
es vor, daß mitten im Konzert die Quinten „abschnappten". Wie schlecht
müssen die Saiten gewesen sein, die eine weitere Steigerung der damaligen
Tonhöhe nicht aushalten konnten. Die Violine konnte schon aus diesem
Grunde nur wenig von dem eigenartigen Klangcharakter besitzen, der sie
später vor allen anderen Instrumenten auszeichnete. Das lag also nicht

allein in dem verhältnismäßig noch nicht durchgebildeten Bau, sondern
zumeist an der tiefen Stimmung des Orchesters und nicht zuletzt in der Un-
zulänglichkeit der Besaitung. Das Ohr der Zuhörer war an sanfte Musik
gewöhnt, und man verlangte vom Instrumentenmacher, daß er seinen Er-
zeugnissen einen milden, angenehmen Ton zu geben verstehe.
Der veränderte Kunstwille der Zeit setzte sich allmählich durch, und mit
den gesteigerten Forderungen der Komponisten entfalteten und bereicherten
anch die Instrumentenbauer ihr Können. „Seit dem Beginn des siebzehnten
Jahrhunderts gewinnt die Instrumentalmusik jene steigende Bedeutung,
die eines der Hauptmerkmale der musikalischen
Neuzeit ist und schließlich zu ihrer gänzlichen Vor-
herrschaft führt. Die Rolle, welche die Instru-
mentalmusik in der seit der Jahrhundertwende im
Mittelpunkte des Interesses stehenden begleitenden
Vokalmusik spielt, hat zu dieser Entwicklung viel
beigetragen. In der Oper insbesondere entwickelte
sich das moderne Orchester mit dem Streich-
quartett als Grundlage. Fortan spielt unter
den Instrumenten die Familie der Violinen die
erste Rolle, und es ist kein Zufall, daß gerade im
siebzehnten Jahrhundert der italienische Geigen-
bau eine hohe Blüte erlebte. Nicola Amati (1596
bis 1684), Giuseppe Antonio Guarneri (1687 bis
etwa 1742) und Antonio Stradivari (etwa 1644
bis 1737) sind Namen, an die der alte Ruhm
italienischer Geigenbaukunst gebunden ist; Brescia
und Cremona waren die Hauptjitze dieser Fa-
milien." *
Der Anteil deutscher Meister an der Entwick-
lung der Violine ist nicht gering. Wenn auch die
Namen dieser Instrumente aus dem Italienischen
entlehnt sind, was anzudeuten scheint, daß man
sich dort mit ihrem Bau schon länger beschäftigte,
so ist es doch schwer, zu entscheiden, ob das größte
Verdienst auf die Geigenbauer jenseit der Alpen
fällt. Italien hatte das Erbe des Zeitalters Leos X.
und der anderen großen Medic.er angetreten;
unter den glücklichsten Verhältnissen waren der Kunst
die Pfade geebnet, da Nicola Amati in Cremona
wirkte. Als der aus Tirol stammende Meister des
deutschen Geigenbaues, Jakob Stainer, 1621 ge-
boren wurde, hatte seit Jahren die unheilvollste
Epoche der Geschichte unseres Vaterlandes be-
gonnen. Kunst und Gewerbe konnten während
der dreißigjährigen Kümpfe in schwerster Not
nicht recht gedeihen, der Wohlstand der Bürger,
die kräftige Jugend und die politische Bedeutung
wurden vernichtet. Stainers Leben war ein
schwerer Kampf, und erfand ein trauriges Ende.
In seinem Sterbejahr 1683 erschienen die Türken
vor Wien. Wenn sich aus diesen unruhigen Zeiten
auch nur wenige Nachrichten über Stainer er-
halten konnten, so erlosch sein Ruhm doch nicht.
Die von ihm gebauten Instrumente schützte man
zu Lebzeiten des Meisters höher als die Geigen
aus Cremona, und bald nach seinem Tode gab es
zahllose Fälschungen. Mozart bejah eine Stainer-
geige, die er hoch in Ehren hielt und als Solo-
instrument benützte. Echte Stainergeigen bezahlte
man schon um 1832 mit drei- bis fünfhundert Du-
katen. Stainer hat sic zwar nach den berühmten
Kunstwerken des Eremonesers Nicola Amati gebildet, aber die Form und
das Besondere der Bauart seiner Geigen ist selbständig ausgedacht; Klang-
farbe und Tonstärke sind eigentümlich und so wesentlich von denen der
Italiener verschieden, daß man Stainer mit Recht den „Vater der deutschen
Geige" genannt hat.
Spricht man von Mittenwald, das man. einst das „deutsche Cremona"
nannte, einem Ort, der heute noch wegen seiner Instrumente in bestem Rufe
steht, so muß man Stainers gedenken. Bei Scharnitz mündet das Gleiersch-
tal in das Isartal, und von da aus führt man in wenigen Stunden die Hoch-
straße nordwärts nach Mittenwald. Von hier aus wanderte einst der Mitten-
walder Uraan Klotz nach Absam in Tirol zu Jakob Stainer in die Lehre
und kehrte dann wieder in seine Heimat zurück. Er war ein tüchtiger Schüler,
und seine besten Violinen stehen so hoch im Ansehen wie die seines Lehrers.
Klotz unterrichtete seinen Sohn Mathias, der später zum Begründer des
* Nauman, n, Emil, Illustrierte Musikgeschichte. 3. Auflage. Union
Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.


Das Denkmal de' berühmten Mittenwalder
Geigenbauers Mathias Klotz.
 
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