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He» 27 Illustrierte Familienzeitung 1022

Die Stimme des Blutes
Roman von Georg Julius Petersen / (Fortsetzung)
ie erste Begegnung Stammers nut seinem Sohn Edgar
ging ebenfalls in seinem Zimmer unter vier Augen vor
sich. Stammers hatte sich fest vorgenommen, auch seinem
Namenserben ruhig und, wenn es möglich sein sollte, freundlich
entgegenzukommen. Zu etwas Stärkerem, zu einem Wort der
Liebe glaubte er keinen Grund zu haben, das konnte dieser sonder-
bare Junge vielleicht falsch deuten. Er musste aber doch an sich
halten, als Edgar, nach einem zögernd gesprochenen Grust, neben
seinem Schreibtisch stand. Ein Gefühl der tieferen Zusammen-
gehörigkeit stieg in ihm auf.
„Nun, Edgar?"
„Guten Tag, Papa."
Der Vater hielt ihm lebhaft die Hand hin. „Ich habe dir
damals Unrecht getan, ich vergast, dast du kein Kind mehr bist."


Die Augen des Jünglings weiteten sich unter dieser unver-
muteten Begrüßung; Stammers sah es.
„Ja, ich erkenne mein Unrecht an. Denn es war eins; du
konntest nicht wissen, wem du Abbitte leisten solltest, wenn dein
Hochmut auch nicht erfreulich war."
Er schwieg eine Weile und stand dann auf. „Ich will das ver-
gessen, mein Sohn, wie ich vieles vergessen will. Nur um eins
bitte ich dich: in allem, was du tust — soweit es von Bedeutung
für dich ist —, frage mich um Rat. Vielleicht wirst du finden, dast
dein Vater dein bester Freund ist."
Der Jüngling neigte sich leicht unter diesen gütigen Worten.
Hatte der Vater je so zu ihm gesprochen? Er konnte sich nicht
erinnern.
„Ich verspreche es dir, Papa."
Stammers nickte ihm freundlich zu. „Es ist gut, Edgar," er-
widerte er ruhig. „Und nun tue dein Möglichstes, deiner Schwester
näherzukommen, sie hat es um dich verdient."
Als sein Sohn gegangen war, blieb Stammers noch lange in

Hofmusik. Nack) einem Gemälde von H. Hanke.
27. 1922.
 
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