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Heft 27

Das Buch für Alle

Zigeuner als Schwindler und Schieber
Von Franz Talberg / Mit sechs Bildern
/^s steckt ein tiefer Sinn in dem arabischen Sprichwort: „Auf ein krankes Pferd
sich die Schmeissfliegen." Man weis;, alle Vergleiche hinken mehr oder
weniger, aber der Sinn dieser Worts lässt weitgehende Übereinstimmungen zu.
kränkelnde Pflanzen werden leicht von Parasiten aller Art befallen und gehen au
ihnen zugrunde. Und dasselbe ist bei schwächlichen Tieren und Menschen möglich.
Gesunde Organismen können sich gegen Bakterien behaupten, sie werden kaum
besonders geschwächt durch ihre Angriffe. Um das Tröstliche gleich vorweg zu
nehmen, wird mit der Gesundung unseres Volkskörpers auch alles Gesindel, das
ihm jetzt zusetzt und mehr oder weniger schwer schädigt, nicht mehr bestehen können.
Im Augenblick aber haben die gemeingefährlichsten und erbärmlichsten Elemente,
das sonst verfolgte und ausgestoßene lichtscheue Gesindel die Oberhand. Die
Zigeuner sind ein solches Ungeziefer am Volkskörper, der in gesunden Tagen unter
geordneten Zuständen sich ihrer zu erwehren vermochte und wenig darunter litt.
Nun umschwärmt dieses Pack den kranken Leib und entzieht ihm Lebenskräfte. Nicht
nur in den Großstädten, auch im offenen Lande sind diese Leute zur schweren Plage
geworden, und es wird lange dauern, bis man sie wieder los wird. Kürzlich unter-
nahmen Berliner Kriminalbeamte, unterstützt von der Schutzpolizei, eine Razzia auf
Zigeuner, die ihr Unwesen allzu öffentlich betrieben. In einem Lager dieser Horde,
das sich am Pferdemarkt in Weitzensee, einem Berliner Vorort, befand, umstellten die
Beamten in der Dunkelheit die Wagen und Wohnstätten. Im Verlaufe mehrerer
Stunden ergab es sich, daß ein Teil dieses lichtscheuen Packs Eoldschmuggel in größe-
rem Umfang betrieben hatte. Auch Steuerhinterziehungen wurden festgestellt. Ein
großer Haufe wanderte in die Untersuchungsgefängnisse. Zigeuner und Steuern?
Wie reimt sich das zusammen? In nicht geringer Zahl sind die Zigeuner am Pferde-
handel, und zwar nicht etwa nur in der Reichshauptstadt, beteiligt. So haben sie
auch einen Wandergewerbeschein und sind steuerpflichtig. Und sie sind nichts weniger
als ehrliche Makler, ihre geriebenen Gaunereien beruhen auf alter Tradition und
gegen ihre Pfiffe und Schlichs ist schwer aufzukommen. So kam es kürzlich in
Finsterrot vor, daß Roßtäuscher einem Händler statt des Pferdes, das sie mit ihm
getauscht hatten, heimlich eine Schindmähre in den Stall bugsierten; das ver-


. O. Haeckel
Eine Gruppe von rumänischen Wanderzigeunerinnen.


Zigeuner als Pferdehändler auf einem Berliner Markt.

ü.
 
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