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Das BuchfüvrAlle

Heft 2



1926



Genia / Der Roman einer Rache / Von Yans von Hüilſen

(Fortsetzung)

Tasia

eo Norriſsen ging am Mittag desselben Tages in Berlin die
Linden entlang. Er war wie immerſehr elegant gekleidet und
S-ghetrachtete ſich gerne im Vorübergehen in den großen Spie-
gelſcheiben der Schaufenster. Aber alles Wohlgefallen an Jeiner
äußeren Erſcheinung, wie ſie ihm aus den Spiegelſcheiben ent-
gegenſtrahlte, vermochte ihn kaum davon ahzulenken, daß er
Sorgen hatte. Der geſtrige Abend war leider Gottes verluſtreich
gewesen, und durch dieſe verdammte Geſellſchaft bei Palm war
ihm jede Gelegenheit genommen, heute abend die Scharte aus-
zuwehßen. So mußte man auf den Sonntag hoffen. Und wenn
dann das Glück ausblieb, > tja, du mein Gott, dann kam wieder
einmal der Gang zu Frau Pouwels. Geld, Geld, das verdammte
Geld! Eigentlich war
ja das Leben ekelhaft. EEE
Er dachte, indem ero
die Straße hinunter-
ſchlenderte, an Dor-
patzurück, wo er seine
ſchöne Praxis gehabt
hatte, und wo er die
SorgeumGeldeigent-
lich nur kannte, wenn
es einmal galt, eine
beſonders hohe Spiel-
ſchuld zu begleichen.
Das war nun alles
futſch und zu Ende.
Und diese Exiſtenz als
Assistent und gewisser-
maßenMitarbeiter bei
Palm, > wer hätte
die ertragen, „wenn
die Hoffnung nicht
wär!“, lirällerte Nor-
riſſen vor Jich hin, in-
dem er, mechaniſch
angezogen, vor einen
Parfümeriegeſchäft
ſtehen blieb. Erstens
einmal, dachte er, geht
mein Haarwasser zu
Ende, und zweitens
könnte ich Genia eine
Flaſche Rosa Centi-
folia mitbringen ...
Das iſtnun einmal ihr
Lieblingsparfüm . . .
kleineGeschenke erhal-
ten die Freundschaft.
Und er trat in den
Laden.
In dem keriſtallen
ſpiegelnden und von
tauſend Flaſchen und

2, 1926

Spielgefährten




Fläschchen funkelnden Raum bemerkte er einen Herrn von unver-
kennbar französiſchem Typ, klein, zierlich, gelblich, mit einem
ausgezogenen ſchwarzen Schnurrbart und ſtark behaarten Händen.
Er redete in ſeiner Muttersprache mit einer Dame, die er zunächſt
halb verdeckt hatte. Als Jie ſich nun über die gläsernen Scheiben
des Ladentisſches neigte, erſchrak Norriſſen. War es möglich?!
Er blickte sie an, als wollte er Jie durch die Kraft seines Blickes
zwingen, aufzuſehen von dem Schildpattnecessaire, das der Ver-
käufer vor ihr ausgebreitet hatte. Aber sie war allzusehr gefesselt.
Da verſuchte er ein stärkeres Mittel: er machte dicht neben ihr
seine Bestellung + und Jofort, als sie seine Stimme hörte, hob
ſie den Blick, flüchtig, für eine Sekunde, um ihn gleich wieder
zu senken. Norrissen zahlte, empfing sein Päckchen und ging.

Er wartete draußen, bis die Dame mit ihrem Begleiter gleich-
falls den Laden ver-
ließ. Sie ſchlugen die
Richtung nach dem
Brandenburger Tore.
ein, und Norrissen
folgte ihnen in klei-
nem Abſtand. Ja, kein
Zweifel, sie war es:
das war genau ihr
Gang. Vollerwarihre
Jigur geworden in
denzwei Jahren. Aber
das Geſsicht ſchien
immer noch so jung,
ſo jung! Wo war sie
geweſen, seit sie da-
mals in Stockholm
ſpurlos verschwunden
war Na, wir werden
ja bald wissen, dachte
§s Neorriſsen, denn ersah,
daß die beiden ins
Portal des Hotels
Adlon einbogen.

Er folgte ihnen, ſah,
wie der Franzose ich
flüchtigverabschiedete,
wie ſeine Begleiterin
ſich in einen Kluhsessel
niederließ, trat raſch
auf sie zu, zog den Hut
und ſagte: , Tasfſa "

Sieschlugvonunten
her die braunen Augen
zu ihm auf. „Wirklich,
mein Lieber. Es war
alſo keine Täuſchung
vorhin?“

„GottseiDankt, nein.
zStöreich?r’sagte er
mit einem ſpöttiſchen
Lächeln im Gesicht.

Nach einem Gemälde von V. Schramm
 
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