Heft 2
Da s Buch ſür Alle s
Sobald einer der Kämpfer mit dem Rücken den Boden berührt, gilt der
Kampf als beendet. Der Sieger tanzt dann ſchreiend um dieſen herum
und steigt zum Schluß über ihn hinweg. Bei den weiter weſtlich wohnen-
den JIpurinä ſpielt ſich der Empfang in etwas kriegeriſcher Form ab.
Fremden wie auch Stammesangehörigen, die ſich längere Zeit in der
Fremde aufgehalten haben, kommt beim Betreten des Dorfangers die
waffenfähige Dorfmannſchaft ſpeerſchwingend entgegengeſtürmt. Erſt nach
halbstündigen wilden Bewegungen wird dieſe Zeremonie beendet, man
geht dann zu den Begrüßungsreden über, auf die mindestens ebensoviel
Zeit verwendet wird. Als Grund für diesen eigenartigen kriegeriſchen Will-
kommensgruß geben die Eingeborenen an, daß böse Geister die Geſtalt
der Freunde angenommen haben könnten. Eine ähnliche Anſchauung
verbirgt ſich auch hinter der ſchon erwähnten Empfangszeremonie der
Polynesier, hier werden nämlich die Fremden als „Hatooa“ bezeichnet,
was nichts anderes als „böse Geiſter“ bedeutet.
Diese eigenartigen Zweikämpfe, von denen man nicht behaupten kann,
daß sie ſpieleriſchen Charakter trügen, ſind rein zeremonieller Art; jeder
Ankömmling ohne Unterschied des Ranges und Alters muß ich dieſer Sitte
unterwerfen. Der früh verſtorbene Ethnologe Schurtz und der besonders
auf religionswiſsenschaftlichem Gebiet bekannte Berliner Profeſſor Preuß
ſind auf Grund geiſtreicher Unterſuchungen zu dem Ergebnis gelangt, daß
viele der Begrüßungszeremonien aus religiösen
Schwingung biegt die maleriſche Fiſchergaſſe über die „Häuslesbrück
Glanz Venedigs, mit dem sie in regſtem Verkehr stand. Ulmer Geld
galt in der ganzen Welt. Da standen auch die Künſte, die Malerei und
die Plastik, die Kunst der Goldſchmiede und vor allem die der Bauleute
auf ſo hoher Stufe, daß, was von ihren Werken erhalten geblieben, noch
heute den Beschauer mit höchſter Bewunderung erfüllt. Auf das Ulmer
Münter iſt jeder Deutſche ſtolz. Und von den anderen Kirchen und Klöſtern,
den Rats- und Ständehäuſern, den mit Zinnen und Wappen gezierten und
bunt bemalten Toren, den kunſtreichen Brunnen und Denkmälern iſt trotz der
Verwüſtungen in den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges und der Fran-
zoſenherrſchaft, auch nach der weit getriebenen Beseitigung vieler die neu-
zeitliche Entwicklung behindernder Bauten, noch genug inunsere Zeit hinüber-
gerettet. Am meiſten hat das Stadtviertel unweit der Donau, da, wo die
Blau ihr zufließt, das noch heute im Mund des Volkes „Unter den Fiſchern"
heißt, das Gepräge längst vergangener Tage behalten. In reizvoller
mw
hinüber nach dem Saumarkt, auf dem die alten, einfachen und doch nie
des Schmuckes entbehrenden Giebelhäuſer dicht aneinandergelehnt stehen.
Schiffbauer, Holzhändler und Fiſcher, die dort ſeit jeher wohnten, waren
einſt eine für die Handelsstadt so wichtige und beſtens geordnete Genossen-
ſchaft, daß ein jeder es ich hoch anrechnete, zu den Fiſchern zu gehören, vom
Vater her und durch ſelbſtbeſtandene Berufsprüfung. Die Zeiten, da die
Anſchauungen heraus geboren sind. Der Primitive
glaubt ſich auf Schritt und Tritt von unzähligen
Gefahren umgeben, am meiſten fürchtet er das
Unheil von ſeinem lieben Mitmenschen, der es
durch irgend eine Zaubermaßnahme über ihn her-
aufbeſchwören könnte. Dagegen ſucht ich der
primitive Menſch durch verſchiedene Gegenmittel
zu ſchütßen. So iſt es in Ostafrika bei den Massai
üblich, ſich bei der Begrüßung anzuſpeien, und
zwar nur zu dem Zweck, den dem Fremden an-
hastenden Zauber zu entkräften. Was hat das aber
alles mit den Zweikämpfen zu tun? Es wurde
bereits betont, daß dieſe Spiele nie ohne Blut-
vergießen abgehen, ja es ſcheint, als ob man direkt
Verletzungen herbeiwünſcht. Das iſt nun durchaus
nicht auf Konto der rohen Gesinnung dieser „Wil-
den“ zu buchen + die Naturvölker halten, was ihre
Charakterveranlagung anbetrifft, wohl einen Ver-
gleich mit den Kulturvölkern aus ,, vielmehr iſt
auf Grund zahlreichen Materials, von dem das
vorliegende nur eine Auslese darſtellt, anzu-
nehmen, daß der ursprüngliche Zweck dieser Zere-
monie Aderlaß und Reinigungen ind, die als Ab-
wehrzauber unter den Naturvölkern eine wichtige
Rolle ſpielen. Gestützt wird dieſe Anschauung vor
allen Dingen durch die Taſſache, daß bei diesen
zeremoniellen Begrüßungszweikämpfen ſtets der
„Wirt“ mit dem „Gaſt“ kämpft, ganz im Gegen-
ſatz zu den reinen Schauſpielen, wie ſie zum Bei-
ſpiel in Indoneſien von den Dorfbewohnern zu
Ehren angekommener Fremder aufgeführt werden.
Aus dem alten Ulm
| IU! haben im letten Jahrzehnt die Heimat wie-
der bewußter lieben gelernt, die enge und die
weitere. Was in den Städten, zumal in der Vater-
ſtadt, erhalten geblieben iſt von Bildern deutscher
Vergangenheit, Türme und Tore, Wohnhäuser und
Gotteshäuſer, die bei den Erweiterungen zugunsten
des Verkehrs und der Geſundheit noch dem Abbruch
entgangen ſind, verſtehen wir besser als früher zu
ſchätzen als wertvolles Erbe unserer Vorfahren.
Der Süden und Südweſten Deutschlands iſt ganz
beſonders reich an alten, ehemaligen freien Reich-
ſtäßten, von deren Glanzzeit noch gar mancher
Marktplatz und manche enge, aber maleriſche Gasse
Schmuckſtücke der Baukunſt aufweist. Unter ihnen
iſt Ulm eine der älteſtenund hat in alter Zeit ein An-
ſehen besessen wie kaum eine andere. Vor tausend
Jahren eine königliche Pfalz, unter der Herrschaft
der Staufen ersſtarkt, von Rudolf, dem erſten Habs-
burger, mit der Reichsfreiheit bedacht, galt die er-
blühte Handelſtadt im dreizehnten Jahrhundert
ſoviel wie Augsburg und maß ihren Ruhm an dem
i Zz;
Sonderbarer Begrüßungsbrauch bei den Eskimos, die einander ohrfeigen
Nach einer Zeichnung von C. Arriens
Da s Buch ſür Alle s
Sobald einer der Kämpfer mit dem Rücken den Boden berührt, gilt der
Kampf als beendet. Der Sieger tanzt dann ſchreiend um dieſen herum
und steigt zum Schluß über ihn hinweg. Bei den weiter weſtlich wohnen-
den JIpurinä ſpielt ſich der Empfang in etwas kriegeriſcher Form ab.
Fremden wie auch Stammesangehörigen, die ſich längere Zeit in der
Fremde aufgehalten haben, kommt beim Betreten des Dorfangers die
waffenfähige Dorfmannſchaft ſpeerſchwingend entgegengeſtürmt. Erſt nach
halbstündigen wilden Bewegungen wird dieſe Zeremonie beendet, man
geht dann zu den Begrüßungsreden über, auf die mindestens ebensoviel
Zeit verwendet wird. Als Grund für diesen eigenartigen kriegeriſchen Will-
kommensgruß geben die Eingeborenen an, daß böse Geister die Geſtalt
der Freunde angenommen haben könnten. Eine ähnliche Anſchauung
verbirgt ſich auch hinter der ſchon erwähnten Empfangszeremonie der
Polynesier, hier werden nämlich die Fremden als „Hatooa“ bezeichnet,
was nichts anderes als „böse Geiſter“ bedeutet.
Diese eigenartigen Zweikämpfe, von denen man nicht behaupten kann,
daß sie ſpieleriſchen Charakter trügen, ſind rein zeremonieller Art; jeder
Ankömmling ohne Unterschied des Ranges und Alters muß ich dieſer Sitte
unterwerfen. Der früh verſtorbene Ethnologe Schurtz und der besonders
auf religionswiſsenschaftlichem Gebiet bekannte Berliner Profeſſor Preuß
ſind auf Grund geiſtreicher Unterſuchungen zu dem Ergebnis gelangt, daß
viele der Begrüßungszeremonien aus religiösen
Schwingung biegt die maleriſche Fiſchergaſſe über die „Häuslesbrück
Glanz Venedigs, mit dem sie in regſtem Verkehr stand. Ulmer Geld
galt in der ganzen Welt. Da standen auch die Künſte, die Malerei und
die Plastik, die Kunst der Goldſchmiede und vor allem die der Bauleute
auf ſo hoher Stufe, daß, was von ihren Werken erhalten geblieben, noch
heute den Beschauer mit höchſter Bewunderung erfüllt. Auf das Ulmer
Münter iſt jeder Deutſche ſtolz. Und von den anderen Kirchen und Klöſtern,
den Rats- und Ständehäuſern, den mit Zinnen und Wappen gezierten und
bunt bemalten Toren, den kunſtreichen Brunnen und Denkmälern iſt trotz der
Verwüſtungen in den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges und der Fran-
zoſenherrſchaft, auch nach der weit getriebenen Beseitigung vieler die neu-
zeitliche Entwicklung behindernder Bauten, noch genug inunsere Zeit hinüber-
gerettet. Am meiſten hat das Stadtviertel unweit der Donau, da, wo die
Blau ihr zufließt, das noch heute im Mund des Volkes „Unter den Fiſchern"
heißt, das Gepräge längst vergangener Tage behalten. In reizvoller
mw
hinüber nach dem Saumarkt, auf dem die alten, einfachen und doch nie
des Schmuckes entbehrenden Giebelhäuſer dicht aneinandergelehnt stehen.
Schiffbauer, Holzhändler und Fiſcher, die dort ſeit jeher wohnten, waren
einſt eine für die Handelsstadt so wichtige und beſtens geordnete Genossen-
ſchaft, daß ein jeder es ich hoch anrechnete, zu den Fiſchern zu gehören, vom
Vater her und durch ſelbſtbeſtandene Berufsprüfung. Die Zeiten, da die
Anſchauungen heraus geboren sind. Der Primitive
glaubt ſich auf Schritt und Tritt von unzähligen
Gefahren umgeben, am meiſten fürchtet er das
Unheil von ſeinem lieben Mitmenschen, der es
durch irgend eine Zaubermaßnahme über ihn her-
aufbeſchwören könnte. Dagegen ſucht ich der
primitive Menſch durch verſchiedene Gegenmittel
zu ſchütßen. So iſt es in Ostafrika bei den Massai
üblich, ſich bei der Begrüßung anzuſpeien, und
zwar nur zu dem Zweck, den dem Fremden an-
hastenden Zauber zu entkräften. Was hat das aber
alles mit den Zweikämpfen zu tun? Es wurde
bereits betont, daß dieſe Spiele nie ohne Blut-
vergießen abgehen, ja es ſcheint, als ob man direkt
Verletzungen herbeiwünſcht. Das iſt nun durchaus
nicht auf Konto der rohen Gesinnung dieser „Wil-
den“ zu buchen + die Naturvölker halten, was ihre
Charakterveranlagung anbetrifft, wohl einen Ver-
gleich mit den Kulturvölkern aus ,, vielmehr iſt
auf Grund zahlreichen Materials, von dem das
vorliegende nur eine Auslese darſtellt, anzu-
nehmen, daß der ursprüngliche Zweck dieser Zere-
monie Aderlaß und Reinigungen ind, die als Ab-
wehrzauber unter den Naturvölkern eine wichtige
Rolle ſpielen. Gestützt wird dieſe Anschauung vor
allen Dingen durch die Taſſache, daß bei diesen
zeremoniellen Begrüßungszweikämpfen ſtets der
„Wirt“ mit dem „Gaſt“ kämpft, ganz im Gegen-
ſatz zu den reinen Schauſpielen, wie ſie zum Bei-
ſpiel in Indoneſien von den Dorfbewohnern zu
Ehren angekommener Fremder aufgeführt werden.
Aus dem alten Ulm
| IU! haben im letten Jahrzehnt die Heimat wie-
der bewußter lieben gelernt, die enge und die
weitere. Was in den Städten, zumal in der Vater-
ſtadt, erhalten geblieben iſt von Bildern deutscher
Vergangenheit, Türme und Tore, Wohnhäuser und
Gotteshäuſer, die bei den Erweiterungen zugunsten
des Verkehrs und der Geſundheit noch dem Abbruch
entgangen ſind, verſtehen wir besser als früher zu
ſchätzen als wertvolles Erbe unserer Vorfahren.
Der Süden und Südweſten Deutschlands iſt ganz
beſonders reich an alten, ehemaligen freien Reich-
ſtäßten, von deren Glanzzeit noch gar mancher
Marktplatz und manche enge, aber maleriſche Gasse
Schmuckſtücke der Baukunſt aufweist. Unter ihnen
iſt Ulm eine der älteſtenund hat in alter Zeit ein An-
ſehen besessen wie kaum eine andere. Vor tausend
Jahren eine königliche Pfalz, unter der Herrschaft
der Staufen ersſtarkt, von Rudolf, dem erſten Habs-
burger, mit der Reichsfreiheit bedacht, galt die er-
blühte Handelſtadt im dreizehnten Jahrhundert
ſoviel wie Augsburg und maß ihren Ruhm an dem
i Zz;
Sonderbarer Begrüßungsbrauch bei den Eskimos, die einander ohrfeigen
Nach einer Zeichnung von C. Arriens