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Heft 2
Ansicht aus dem alten Ulm
Ulmer Zillen, auch „Schachteln“ genannt, die Donau hinabfuhren und Jich
sogar die Kaiserin Maria Theresia einem dieser Fahrzeuge zur Reiſe an-
vertraute, sind längst dahin. Aber von ,„Klein-Venedig“, wie man die
Fiſcherſtadt nannte, ſtehen noch gar manche Häuſer, die Jahrhunderte hin-
durch brave, tüchtige Schiffergeſchlechter beherbergten. Stehen Jie auch
nicht mehr, wie das Gebäude rechts unterhalb der Brücke auf unſerem Bild,
Mannisfaltiges
Nach einem Gemälde aus der Kunsthalle in Bremen
Verlag der Neuen Photographischen Gesellſchast A.-G., Berlin-Steglitz
auf Pfählen im Wasser, iſt auch zumeist an den unteren Geschoſſen da und
dort manches geändert, die oberen ein wenig übereinander vorragenden
Stockwerke mit altersgrauem Fachwerk, die hohen Giebel und blin-
zelnden Manſardensenſter ſchauen so traulich dem Wanderer entgegen wie
ehedem. Ein ſchönes Stück „Heimat“ voll Erinnerungen an ehrenvolle Ver-
gangenheit zeigt uns der Stadtteil „Unter den Fiſchern“ im „alten Ulm".
O dieſe Fremdwörter! Wenn man auf irgend eine Weiſe reich geworden
iſt, möchte man doch auch vornehm sein, nobel und gebildet auftreten. Dazu
gehört nach der Meinung gewisser Leute unbedingt, daß man Fremdwörter
in die Rede einslechten muß. Eine der vielen Neureichen hatte vorher in
ihrem Ladengeſchäft allerlei unverſtandene Brocken aufgefiſcht, mit denen
ſie bei jeder unpassenden Gelegenheit ihre Bildung zu beweisen glaubte.
Einmal fühlte sie ſich nicht wohl und ließ einen Arzt kommen, der wegen
seiner Grobheit und humorvollen Art bekannt war.
Als der Doktor kam, begann die Progtzin: „Herr Medizinalrat, ich möchte
Sie einmal inſultieren; ich habe ſo Konfektion nach dem Kopf und bin
manchmal ganz konſtruiert."
Der Arzt erwiderte: „Machen Sie ſich darüber keine Skrofeln, ſchicken
Sie in die nächſte Hypotheke und laſſen Sie ſich für eine Mark renoviertes
Rhinozerosöl holen.“ V. P. S.
Schein und Wirklichkeit. Wenn heute auf der Bühne getafelt wird,
kommen richtige Speiſen und Getränke auf den Tiſch. Das war aber früher
nicht so, denn in solchen Fällen stellte man aus Pappe oder Ton gemachte
und bemalte Dinge auf. Da man befürchtete, es könne leicht ein Brand
ausbrechen, wenn auf dem Theater geraucht würde, war es ſtreng verboten,
Zigarren anzuzünden. Ein zu seiner Zeit bekannter und beliebter Komiker
muſzte in einer Szene von dem mitſpielenden Direktor eine Zigarre an-
nehmen, die ihm angeboten wurde. Dieser Rauchbolzen war aber nur aus
Holz. Der Komiker griff ungeschickt danach, und die falſche Zigarre fiel
klappernd auf den Boden. Im Zwischenraum lachten ein paar Leute be-
luſtigt und hellauf. Da fragte der Komikerſeinen Spielpartner: „Sagen Sie,
was kostet denn das Klafter von dieſer Sorte?“ + Da brach im Theater
lautes Gelächter aus. W. L. S.
Durch die Blume. Es iſt nun einmal so, das ſchöne Geſchlecht will nicht
altern. Eine Dame, die längst über ihre Blütezeit hinaus war, sagte un-
bedacht zu einem Spötter: „Wenn ich an meinen erſten Ball denke, kommt
es mir vor, als wäre das geſtern gewesen.“ Ironiſch erwiderte der loſe
Schalk: „Ich bemerkte das ſchon öfter. Gnädigſte haben für längſt ver-
gangene Ereignisse ein geradezu ſtaunenswert gutes Gedächtnis." R. S.
Gefühlvoll. Ein altes Wort lautet: „Ein Burſch, der ſcharf im Wachſen
iſt, ein Kalb ſamt den vier Haxen ißt." So saß denn auch einmal ein Lehr-
junge, ein recht durchtriebener Burſch, beim Mittageſſen vor ſeinem Teller,
auf dem neben viel Kartoffeln ein winziges Stückchen Rindfleiſch lag. Der
Junge schaute das Fleiſch eine Weile an, wozu er ein recht trauriges Ge-
ſicht machte. Auf einmal fing er an zu heulen. Streng ſah der Meiſter den
Buben an. Die Meiſterin aber fragte: „Warum heulſt du denn auf einmal
ſo ?" „Weil ich mir denke, es iſt doch recht grauſam, daß man wegen einem
kleinen Stückchen Fleiſch einen großen Ochsen erschlägt.“ M. W. S.
Ein Vermächtnis. Die Zeit der Originale iſt längſt vorbei; die Menſchen
sſindſachlich und nüchtern geworden. Vorhundert Jahrengab es nochüberall