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Heft z
Alkoholgewinnung in Bäckereien / Von Dr. Ounther Bugge
Ts die Tageszeitungen geht die Nachricht, daß es dem italieniſchen
Ingenieur Andrusiani gelungen iſt, einen Apparat zu bauen, der die
Gewinnung von Alkohol aus den beim Brotbacken entweichenden Dampf-
ſchwaden ermöglichen soll. Die Erfindung iſt vor kurzem in einer Berliner
Großbäckerei ausprobiert worden, wobei ſich die Angaben des Erfinders
als richtig erwiesen haben. Bei dieſer Probevorführung des neuen Ver-
fahrens wäre der Erfinder beinahe verhaftet worden, da in Deutſchland
die Alkoholerzeugung nur im Einverſtändnis mit der Branntweinmonopol-
behörde erfolgen darf und nicht angemeldete Alkoholgewinnungsanlagen
als „Geheimbrennereien“ gelten. Erſt durch das Eingreifen des Direktors
des Zollamtes gelang es, die Erlaubnis für die Vorführung des Apparats
zu erwirken, der dann auch gut funktioniert haben ſoll. Nach Beendigung
des Verſuchs wurde von den Beamten der Steuerbehörde der Apparat
verſiegelt und der gewonnene Spiritus beſchlagnahmt.
Man wird ich bei der Betrachtung dieser Vorgänge eines Lächelns nicht
erwehren können, und es iſt zu hoffen, daß ſich der Erfinder durch ſein
Berliner Erlebnis nicht davon abhalten lassen wird, ſeine Verſuche fort-
zusetzen und auszubauen. Eine der wichtigſten Aufgaben, welche die
chemische Technik heute zu löſen hat, beſteht darin, die Vergeudung von
Rohstoffen jeder Art zu verhindern und sämtliche Abfälle, die bei gewerb-
lichen Verfahren entſtehen, nach Möglichkeit auszunutzen. Es iſt daher
sehr zu begrüßen, daß durch das Verfahren von Andruſiani ein bisher
nicht ausgenutzter Rohstoff Verwertung findet und dafür ein anderes zur
Ernährung notwendiges Ausgangsmaterial, die Kartoffel und das Ge-
treide, wenigſtens zum Teil der Verarbeitung auf Alkohol entzogen wird.
Der Erfinder will mit ſeinem Apparat aus je 1000 Kilogramm verbackenem
Mehl 10 Liter Alkohol gewinnen; in Deutschland würde es ſich dabei um
eine Gesamtmenge von 800 000 Hektoliter Alkohol handeln. Dieſe Menge
entspricht der Hälfte der jetzigen deutſchen Alkoholproduktion. Bei einer
Jahreserzeugung von etwa 500 000 Hektoliter Alkohol aus Brotdampf
würden etwa 9 Millionen Zentner Kartoffel oder eine entſprechende
Menge Getreide für die Ernährung frei werden. .
Daß bei der Hefengärung des Brotteiges Alkohol (neben Kohlensäure)
entſteht und in Gasform entweicht, iſt ſchon lange bekannt. Man hat aber
bisher den Verſuch, dieſen Alkohol zu gewinnen, nicht gemacht, weil
man das Verfahren für unwirtschaftlich hielt. Es ſcheint nun, daß es dem
Italiener gelungen iſt, unter Benutzung der großen Erfahrungen, die in
letter Zeit auf dem Gebiet der Deſtillationsapparate gemacht worden
sind, einen Apparat herzuſtellen, der einfach, billig und automatiſch den
Alkoholdampf gewinnt und aufarbeitet. Die Dampsſchwaden werden aus
dem Backofen durch ein Rohr (A) zunächſt in einen kleinen Keſsel (B) ge-
leitet, in dem ein Teil des mitgeführten Waſſers verdichtet wird. Der
nicht verdichtete Waſſerdampf ſtrömt dann zuſammen mit dem gasförmigen
Alkohol in den eigentlichen Verdichtungsapparat (C und D), in dem die
Scheidung in Wasser und Alkohol und die Kondensation des Dampfes zum
flüssigen Alkohol durch Kühlung erfolgt; bei VN kann der etwa 750 ige
Alkohol entnommen werden, während der Reſt des von Altohol befreiten
Schwadens in den Schornſtein abzieht. Aus einem 112 Brote faſſenden
Backofen läßzt sich auf diese Weiſe während der Backzeit von 45 Minuten
etwa 1 Liter Spiritus gewinnen.
Gegenüber den sensationellen Preſſemeldungen über die weitreichenden
Folgen dieser Erfindung wird der Fachmann zunächſt Zurückhaltung zu
wahren haben. Voraussetzung für die Richtigkeit der oben angeführten
Zahlen wäre vor allem, daß alle Bäckereien in Deutſchland ſich den Apparat
von Andrusiani anschaffen würden. Bei weitem der größte Teil der Bäcke-
reien beſteht jedoch aus kleinen Betrieben. Wenn eine mittelgroße Bäckerei,
die täglich rund 100 Brote bäckt, täglich etwa 1 Liter 759% igen Alkohol ge-
winnen könnte, würde sie im Jahr rund 3 Hektoliter herſtellen, was einer
Jahreseinnahme von 150 Mark entſpricht. Ob dieſe Einnahme die Koſten
der Verzinſung und Amortiſation der erforderlichen Apparatur deckt, vor
allem auch, ob alle Bäcker sich bereit finden werden, die Kosten der Anſchaf-
fung des Apparats aufzuwenden, darf wohl bezweifelt werden. Günſltiger
dürften die Aussichten für die neue Erfindung bei den in Deutſchland vor-
handenen großen Brotfabriken liegen. Man wird alſo ſeine Erwartungen
nicht zu hoch ſpannen dürfen, zumal wenn man bedenkt, daß der Getreide-
verbrauch in den Brennereien nur etwa ein Taunsendſtel des gesamten Ge
treideverbrauchs ausmacht und auch die Kartoffelerzeugung in Deutſchland
sſo groß iſt, daß nur etwa ein Drittel zu Speisſezwecken abgeſetzt werden kann.
Alkoholgewinnung während des Backtens. Durch eine neue Erfindung wird aus den während des Backens entweichenden Dampfſchwaden
reiner Alkohol gewonnen. Unsere Aufnahme zeigt den Alkoholsammelapparat in einer Großbäckerei. (Presſe-Photo-Zentrale)
Heft z
Alkoholgewinnung in Bäckereien / Von Dr. Ounther Bugge
Ts die Tageszeitungen geht die Nachricht, daß es dem italieniſchen
Ingenieur Andrusiani gelungen iſt, einen Apparat zu bauen, der die
Gewinnung von Alkohol aus den beim Brotbacken entweichenden Dampf-
ſchwaden ermöglichen soll. Die Erfindung iſt vor kurzem in einer Berliner
Großbäckerei ausprobiert worden, wobei ſich die Angaben des Erfinders
als richtig erwiesen haben. Bei dieſer Probevorführung des neuen Ver-
fahrens wäre der Erfinder beinahe verhaftet worden, da in Deutſchland
die Alkoholerzeugung nur im Einverſtändnis mit der Branntweinmonopol-
behörde erfolgen darf und nicht angemeldete Alkoholgewinnungsanlagen
als „Geheimbrennereien“ gelten. Erſt durch das Eingreifen des Direktors
des Zollamtes gelang es, die Erlaubnis für die Vorführung des Apparats
zu erwirken, der dann auch gut funktioniert haben ſoll. Nach Beendigung
des Verſuchs wurde von den Beamten der Steuerbehörde der Apparat
verſiegelt und der gewonnene Spiritus beſchlagnahmt.
Man wird ich bei der Betrachtung dieser Vorgänge eines Lächelns nicht
erwehren können, und es iſt zu hoffen, daß ſich der Erfinder durch ſein
Berliner Erlebnis nicht davon abhalten lassen wird, ſeine Verſuche fort-
zusetzen und auszubauen. Eine der wichtigſten Aufgaben, welche die
chemische Technik heute zu löſen hat, beſteht darin, die Vergeudung von
Rohstoffen jeder Art zu verhindern und sämtliche Abfälle, die bei gewerb-
lichen Verfahren entſtehen, nach Möglichkeit auszunutzen. Es iſt daher
sehr zu begrüßen, daß durch das Verfahren von Andruſiani ein bisher
nicht ausgenutzter Rohstoff Verwertung findet und dafür ein anderes zur
Ernährung notwendiges Ausgangsmaterial, die Kartoffel und das Ge-
treide, wenigſtens zum Teil der Verarbeitung auf Alkohol entzogen wird.
Der Erfinder will mit ſeinem Apparat aus je 1000 Kilogramm verbackenem
Mehl 10 Liter Alkohol gewinnen; in Deutschland würde es ſich dabei um
eine Gesamtmenge von 800 000 Hektoliter Alkohol handeln. Dieſe Menge
entspricht der Hälfte der jetzigen deutſchen Alkoholproduktion. Bei einer
Jahreserzeugung von etwa 500 000 Hektoliter Alkohol aus Brotdampf
würden etwa 9 Millionen Zentner Kartoffel oder eine entſprechende
Menge Getreide für die Ernährung frei werden. .
Daß bei der Hefengärung des Brotteiges Alkohol (neben Kohlensäure)
entſteht und in Gasform entweicht, iſt ſchon lange bekannt. Man hat aber
bisher den Verſuch, dieſen Alkohol zu gewinnen, nicht gemacht, weil
man das Verfahren für unwirtschaftlich hielt. Es ſcheint nun, daß es dem
Italiener gelungen iſt, unter Benutzung der großen Erfahrungen, die in
letter Zeit auf dem Gebiet der Deſtillationsapparate gemacht worden
sind, einen Apparat herzuſtellen, der einfach, billig und automatiſch den
Alkoholdampf gewinnt und aufarbeitet. Die Dampsſchwaden werden aus
dem Backofen durch ein Rohr (A) zunächſt in einen kleinen Keſsel (B) ge-
leitet, in dem ein Teil des mitgeführten Waſſers verdichtet wird. Der
nicht verdichtete Waſſerdampf ſtrömt dann zuſammen mit dem gasförmigen
Alkohol in den eigentlichen Verdichtungsapparat (C und D), in dem die
Scheidung in Wasser und Alkohol und die Kondensation des Dampfes zum
flüssigen Alkohol durch Kühlung erfolgt; bei VN kann der etwa 750 ige
Alkohol entnommen werden, während der Reſt des von Altohol befreiten
Schwadens in den Schornſtein abzieht. Aus einem 112 Brote faſſenden
Backofen läßzt sich auf diese Weiſe während der Backzeit von 45 Minuten
etwa 1 Liter Spiritus gewinnen.
Gegenüber den sensationellen Preſſemeldungen über die weitreichenden
Folgen dieser Erfindung wird der Fachmann zunächſt Zurückhaltung zu
wahren haben. Voraussetzung für die Richtigkeit der oben angeführten
Zahlen wäre vor allem, daß alle Bäckereien in Deutſchland ſich den Apparat
von Andrusiani anschaffen würden. Bei weitem der größte Teil der Bäcke-
reien beſteht jedoch aus kleinen Betrieben. Wenn eine mittelgroße Bäckerei,
die täglich rund 100 Brote bäckt, täglich etwa 1 Liter 759% igen Alkohol ge-
winnen könnte, würde sie im Jahr rund 3 Hektoliter herſtellen, was einer
Jahreseinnahme von 150 Mark entſpricht. Ob dieſe Einnahme die Koſten
der Verzinſung und Amortiſation der erforderlichen Apparatur deckt, vor
allem auch, ob alle Bäcker sich bereit finden werden, die Kosten der Anſchaf-
fung des Apparats aufzuwenden, darf wohl bezweifelt werden. Günſltiger
dürften die Aussichten für die neue Erfindung bei den in Deutſchland vor-
handenen großen Brotfabriken liegen. Man wird alſo ſeine Erwartungen
nicht zu hoch ſpannen dürfen, zumal wenn man bedenkt, daß der Getreide-
verbrauch in den Brennereien nur etwa ein Taunsendſtel des gesamten Ge
treideverbrauchs ausmacht und auch die Kartoffelerzeugung in Deutſchland
sſo groß iſt, daß nur etwa ein Drittel zu Speisſezwecken abgeſetzt werden kann.
Alkoholgewinnung während des Backtens. Durch eine neue Erfindung wird aus den während des Backens entweichenden Dampfſchwaden
reiner Alkohol gewonnen. Unsere Aufnahme zeigt den Alkoholsammelapparat in einer Großbäckerei. (Presſe-Photo-Zentrale)