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Das B u ch

f ü r A l l e

sich zweimal in der Woche in der großen Tonne. Das lut sie. Sie hat sehr
schönes langes und dickes Haar. Das kämmt sie jeden Tag Zweimal, und sie
nimmt sich sehr viel Zeit dazu. Meine Feliciana kocht die Frijoles und
überhaupt alles viel besser als meine Frau. Sie kann viel mehr kochen.
Sie kann auch viel besser zählen als ich. Sie kann sogar ihren Namen
schreiben. Ja, das kann die Feliciana."
Die Hunde spielten dicht vor unseren Füßen herum. Ascension bückte
sich nun und hob einen der kleinen auf. „Das ist der kleine Beller, den Sie
mir für einen Peso verkaufen wollen?" fragte er nun.
„Ja, das ist er. Der kostet einen Peso und nicht einen einzigen Centavito
weniger. Der ist sehr tapfer und kann gut bellen."
„Das glaube ich auch jetzt beinahe, er hat einen guten starken Mund, und
die Zähne sind schon tüchtig spitz und scharf. Ich glaube, daß er schon bald
einen Banditen beißen kann. Einen Peso, sagen Sie, Seüor, einen Peso
und nicht einen Centavito weniger? Das ist teuer, sehr teuer."
„Sie dürfen den Hund ruhig hier lassen, ich will ihn gar nicht verkaufen,"
sagte ich.
„Was die Feliciana ist, meine Tochter," begann er nun wieder, „die ist
eine sehr gute Köchin. Ich kann Ihnen das schwören. Sie verlangt nicht
viel Lohn, sechs Pesos den Monat, und sie kocht gut, und sie tut alle Arbeit.
Sie läuft auch nicht fort. Freilich, drei Pesos Lohn muß ich voraushaben,
sonst kommt sie nicht. Ich habe eine Menge Ausgaben für sie. Wenn Sie
mir jetzt diese drei Pesos hier bezahlen, dann schicke ich sie rauf. Sie kann
tüchtig arbeiten."
„Nein," sagte ich, „die drei Pesos gebe ich Ihnen nicht. Ich kenne die
Feliciana gar nicht, weiß auch nicht, ob sie arbeiten will. Aber wenn Sie
denken, daß sie eine gute Köchin ist, dann will ich sie für einen Monat zur
Probe nehmen. Aber ich zahle nichts voraus. Nach zehn Tagen bekommt
sie ihre zwei Pesos und nach weiteren zehn Tagen wieder zwei Pesos. Viel
Arbeit hat sie nicht, denn ich bin den ganzen Tag draußen auf meinem
Acker."
„Das weiß ich alles sehr gut," sagte Ascension, „sonst könnte sie auch
nicht für sechs Pesos arbeiten, und sie müßte wenigstens sieben Pesos
haben. Also, Sie wollen mir nicht die zwei Pesos vorausgeben, Seüor?"
„Nein."
„Aber vielleicht einen Peso, Seüor. Nun sehen Sie doch einmal hier,
ein Peso ist doch ganz wenig, gerade nur ein kleines Stückchen Geld. Das
können Sie mir doch leicht vorausgeben. Feliciana kann auch tüchtig
waschen. Sie versteht das gut, sie spart auch sehr mit dem Fett, wenn sie
kocht. Für ein paar Centavos kann sie ein gutes Essen kochen. Die kann für
einen Peso, nun warten Sie einmal, also sie kann für einen Peso zwanzig
Lomidas, denken Sie nur, zwanzig Mittagessen kochen. Wissen Sie, was
Seüora Porragas in ihrer Wirtschaft für ein einziges Mittagessen verlangt?
Das wissen Sie nicht. Aber ich weiß es ganz genau, Jacinto hat es mir er-
zählt, sie verlangt für ein einziges Mittagessen fünfunddreißig Centavos.
Mit solchem Gelde kann Feliciana mehr als zwölf Mittagessen kochen."
Während ich vorher nie an eine Köchin gedacht hatte, so war es mir
während der langen Unterredung doch so nach und nach in den Sinn ge-
kommen, daß ich unbedingt eine Köchin brauchte. Sie würde mir eine
ganze Menge Arbeit abnehmen, und ich könnte meine Gedanken auf andere
Dinge lenken als auf Hausarbeit, die mir viel Zeit wegnahm.
So sagte ich denn schließlich: „Gut, ich werde Feliciana als Köchin an-
nehmen."
„Das habe ich doch gewußt, daß Sie eine Köchin brauchen, Seüor,"
sagte nun Ascension mit großer und überlegener Sicherheit. „Denken
Sie denn nicht, daß es nun anständig wäre, mir
wenigstens einen Peso zu geben als Vorausbezah¬
lung für den Lohn?"
Ascension hat im Grunde recht, dachte ich. Es
ist nur billig, daß man bei Anstellung einer Arbeits¬
kraft ein Handgeld gibt. Man tut es ja sogar, wenn
man einen Esel kauft oder eine Ziege, warum soll
man es dann nicht mit gleicher Bereitwilligkeit tun,
wenn man einen Menschen zur Arbeit annimmt.
Durch den Platzwechsel hat ja der Mensch gewisse
Ausgaben nötig.
„Ascension," sagte ich nun, „gut, ich will Ihnen
einen Peso vorausgeben auf den Lohn der Feliciana.
Aber Sie müssen die Feliciana nun sofort herauf¬
schicken, damit sie schon das Mittagessen für heute
kochen kann."
„Auf der Stelle schicke ich sie rauf, die Feliciana,"
sagte Ascension mit einer Gebärde, als ob ich etwa
an seiner Ehrlichkeit gezweifelt hätte, „aber sofort
sage ich ihr, daß sie zu Ihnen hinaufgehen soll. Ich
werde ihr helfen, ihre Kleider und Schuhe in den
Sack zu packen, damit sie ganz schnell kommen kann."

Ich ging ins Haus und brachte einen Peso heraus. Ich gab den Peso
Ascension und sagte noch einmal: „Also schicken Sie die Feliciana rauf
und sagen Sie ihr, daß ich auf sie warte im Hause und nicht auf das Feld
vorher hinausgehe."
Ascension nahm den Peso, sagte: „Vielen Dank, Seüor!" schob den
Peso in seine Hosentasche, drehte sich um und ging einige Schritte weit.
Als er etwa zehn Schritte gegangen war, blieb er stehen, drehte sich
wieder uni und kam zurück.
Er ging auf die spielenden Hunde zu, hob den kleinen Hund, den er sich
gestern ausgesucht hatte, auf und sagte: „Das ist doch der kleine tapfere
Beller, nicht wahr, Seüor?"
„Ja," sagte ich zustimmend, „das ist ein kleiner tapferer Bursche, der
sicher einmal den Banditen das Fell tüchtig zerfetzen wird."
„So sieht er aus," sagte Ascension und nestelte das Hündchen in seinen
Arm. „Was sagten Sie, Seüor, wieviel das kleine winzige Hündchen kosten
soll? Er wiegt doch noch nicht einmal ein Kilo."
„Der kostet einen Peso; ich kann nichts herunterhandeln lassen."
„Das ist viel Geld für einen so kleinen Hund. Ich weiß nicht, wie ich
das machen soll? So viel Geld für einen kleinen Hund. Gut denn, Seüor,
ich will Ihnen einen Peso für den Hund bezahlen. Ich glaube nicht, daß
er einen Peso wert ist."
Er suchte jetzt umständlich in seiner Hosentasche herum und brachte end-
lich einen Peso hervor.
„Hier ist der Peso, Seüor, für das kleine Hündchen," sagte er. „Den
Hund habe ich nun von Ihnen gekauft, ^.clios, 8süor!"
Und fort ging er, mit dem Hund im Arm.
Ich wartete auf Feliciana. Aber sie kam nicht. Es waren nur etwa fünf-
zehn Minuten bis zu ihremHause, und jetzt wartete ich bereits drei Stunden.
Ich mochte nicht aufs Feld hinaustrotten, weil sie ja inzwischen vielleicht
kommen konnte und mich dann nicht im Hause antreffen würde.
Endlich ging ich hinunter ins Dorf.
Als ich zu der Hütte des Ascension kam, spielte er mit dem Hunde.
„Guten Tag, Seüor!" sagte er sorglos, als er mich in der Tür stehen
sah. Ich trat näher, aber er schien nicht zu wissen, was ich von ihm wollte.
„Hören Sie, Ascension," sagte ich ohne weitere Einleitung, „Sie haben
mir doch versprochen, die Feliciana sofort hinaufzuschicken."
„Freilich habe ich das versprochen," gab er unbekümmert zu, „und was
ich verspreche, das halte ich stets. Ich habe Feliciana sofort hinaufgeschickt
zu Ihnen."
„Sie ist aber nicht gekommen."
„Dafür kann ich nicht, Seüor," sagte er achselzuckend, „ich habe die
Feliciana sofort hinaufgeschickt. Aber sie ist nicht gegangen. Sie sagt mir
dreist: ,Du hast mir gar nichts zu sagen!' Was will ich denn da machen?
Ich habe sie sofort hinaufgeschickt."
„Also dann scheint es mir, daß Ihre Feliciana nicht als Köchin zu mir
kommen will," sagte ich.
„Ich habe sie sofort hinaufgeschickt, wie ich versprochen habe, ich bin ein
grundehrlicher Mensch." Ascension blieb bei seiner Rede und brachte keinen
Wechsel hinein.
„Das nützt mir nichts," behauptete ich, „sie ist nicht gekommen."
„Aber, Seüor, ich kann sie doch nicht zu Ihnen ins Haus schleppen wie
eine kleine Ziege. Sie ist doch eine erwachsene Frau. Ich habe sie sofort
hinaufgeschickt."
„Gut,dann müssen Sie mir sofort denHund wieder zurückgeben,Ascension."
„Den Hund, Seüor?" Ascension machte ein erstauntes Gesicht. „Aber
haben Sie denn ganz vergessen, daß ich Ihnen
den Hund für einen Peso abgekauft habe? Das
ist jetzt mein Hund, den habe ich für einen Peso
von Ihnen gekauft."
„Dann müssen Sie mir den Peso wieder zurück-
geben, den ich Ihnen vorausbezahlte auf den Lohn
der Feliciana," sagte ich.
„Den Peso, den Sie mir für die Feliciana be-
zahlt haben?"
„Ja, den Peso meine ich."
„Aber, Seüor," lachte nun Ascension, „den Peso
habe ich Ihnen doch zurückgegeben, als ich den Hund
von Ihnen kaufte. Wissen Sie denn das nicht mehr?"
Der Mann hatte recht. Er hatte mir den Hund
abgekauft, und er hatte mir auch den Peso, den ich
vorausbezahlt hatte auf den Lohn der Feliciana, zu-
rückgegeben.
Ich konnte das durchaus nicht bestreiten; denn
ich hatte ja den Peso in meiner Tasche. Also hatte
Ascension recht und ich unrecht.
Aber meinen Hund war ich los, und Ascension war
sein glücklicher Besitzer.
 
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