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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 61.1929

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Heft 12
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https://doi.org/10.11588/diglit.52835#0313
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— der Mensch erträgt es nicht! Schlegel und Eisen, Hammer und Amboß,
Pflug und Egge, das macht ihn froh!
Der von der Straße Aufgelesene hat sich selbst wiedergefunden. Die
Unrast ist ihm aus der Seele gewichen, stetig blickt sein Auge, sein Schritt
ist fest und nicht mehr schlendernd, bedachtsam sein Wort und klug sein
Ratschlag, wenn er einmal darum gebeten wird. Der Herr hat ein wachsen-
des Vertrauen zu ihm, und etwas wie eine heimliche Liebe zu dem immer
ernsten, schweigsamen Menschen keimt in ihm auf. Es kommt der Tag, wo
der Gesell die Meisterprüfung besteht, und es kommt die feierliche Stunde,
wo er mit Ehren in den Kreis der Meister aufgenommen wird. Und als
nach Jahr und Tag sein Herr zu ihm sagt: „Ich hab' nicht Kind noch Kegel,
tritt du in mein Geschäft und werd' mein Hausgenoß," da wäre wohl des
Burschen Glück gemacht gewesen — hätt' er nicht ein altes Herzweh, das
nicht verheilen will, mit sich umhergetragen!
Er zieht zu dem Herrn ins Haus, und sie passen gut zueinander, der Alte
und der Junge. Es schaut auch manch schönes Jüngferlein nach dem
schmucken, jungen Meister aus, aber er wirbt um keine. Als der Alte
einmal eine Bemerkung drüber macht, da erwidert der Junge nur kurz:
„Mir gefüllt bloß eine, und die kann ich nicht kriegen, die hat schon einen
andern."
„Geh, es wird nit sein!" sagt der Alte ungläubig. „Erzähl' mir die Sach'
in Ordnung und schön der Reihe nach!"
Es ist wieder eine Stunde, wo das vermauerte Herz sich auftut und von
seinem Kummer spricht — „und das mit der Anna ist's auch gewesen, was
mich verrückt gemacht hat damals," schließt der junge Mann ingrimmig seine
lange Beicht'.
Da fragt der Alte: „Bist du denn ganz sicher, daß sie den Schreiber
auch wirklich genommen hat? Cs ist doch schon mancher Versprach wieder
zurückgegangen, warum nicht dieser? Geh du hin und schau', ob es wahr
ist, was jener Gesell geredet hat. Ist's so, dann sei ein Mann und mach'
ein End'. Es gibt noch mehr Mädel als grad die eine, und eine Meisterin
muß ins Haus."
„Ich will nach Eurem Rat tun," sagt der Bursch. Aber er hat keine
große Hoffnung dabei.
Der junge Meister Konrad im schmucken, blauen Leibrock sitzt in der
gelben Kutsche und fährt denselben Weg zurück, den er vor fünf Jahren
auf Schusters Rappen hergekommen ist. Fünf Tage muß er fahren, durch
ein blühendes, maigrünes Land. Der Postknecht bläst alle Lieder, die er
weiß, aber die Stirn vom Fahrgast bleibt ernst.
Am sechsten Tag kommt er in dem freundlichen Städtchen an, wo seine
Liebste wohnt. Im Gasthaus zur Post steigt er ab, bestellt ein Essen und
fragt die Wirtin dies und das. Da erfährt er denn von der geschwätzigen
Frau alles, was er wissen will.
Die Anna ist wirklich des Schreibers Braut gewesen, aber kurz vor der
Hochzeit ist sie andern Sinnes geworden und hat gesagt, lieber wollt' sie
betteln gehen als ihn heiraten. Da aber sein Haus schon hochzeitlich ge-
schmückt gewesen, da hat er die Mutter genommen, die Witib, die auch
den Jahren nach besser zu ihm getaugt hat. Die Jungfer aber wohnt in
der Giebelstub' in ihres Vaters früherem Haus und näht für fremde Leut'.
Von ihrem Stiefvater will sie keinen roten Heller annehmen.

Das ist dem Meister Konrad die beste Zeitung! Aber ist ihm die Anna
noch gut? Fünf Jahr' ist eine lange Zeit. —
So schnell es ohne Aufsehen geschehen kann, geht er zu seiner Liebsten
Haus. Bedachtsam steigt er die Treppe zur Giebelstub' hinan, und das
Herz klopft ihm laut. Es ist alles anders als einst. Damals war er ein
armer Handwerksbursch und sie die reiche Meistertochter. Heut ist sie
eine arme Näherin und er ein wohlbestallter Meister — aber er zagt
doch, als wollt' er um des Königs Töchterlein freien!
Schüchtern klopft er an, öffnet die Tür und sieht ein stilles, schönes
Mädchen, über weißes Linnen gebeugt. Als sie aufschaut, wird ihr Gesicht
rot wie Blut, sie ruft: „Konrad! Das hab' ich immer gewußt, daß du mich
nit vergessen hast!"
Und dann liegt sie schon an seinem Herzen.

So klingt das Liedlein aus! Am folgenden Sonntag werden die beiden
Brautleut' „von der Kanzel geschmissen" und „am Rathaus aufgehängt".
Sie haben lang genug aufeinander gewartet, sie können keinen Tag mehr
vertun. Es gibt ein groß Gerede in der Stadt, denn endlich wissen es die
Leut', auf wen die Anna gewartet hat! Der Stadtschreiber muß seiner
Stieftochter die Hochzeit ausrichten, und die Stadtschreiberin trägt an
diesem Tag ein Wunder von einem Reifrock und einen dreieckigen türkischen
Schal, wie es große Mode ist. Die Braut im grünen Kränze! und schlichten
Kind ist so hold wie eine rote Ros'.
Und dann steigen die Jungen in die Hochzeitskutsche und fahren in die
neue Heimat. Droben aber, am Stadtwall, da läßt die Braut die Pferde
halten, und die beiden schauen noch ein letztes Mal auf das Städtchen
hernieder, das sie nun für immer verlassen müssen.
„Wie oft sind all meine Gedanken, die ich hakt', hierher gewandert,
sind durch die Gassen all gegangen und vor deinem Fenster gestanden,
Anna!" sagte der Mann.
„Wieviel Leid hab' ich um dich getragen da unten, um dich in den langen
Jahren des Wartens!" sagte die junge Frau leise.
Er faßt ganz zart ihre Hand.
„Wer nie um Lieb' gelitten hat, weiß nit, wie süß sie ist, Anna!"
Dann fahren sie weiter.
Der droben auf dem Bock, der Postknecht — ein Schelm ist er! Einmal
an einem regengrauen Abend hat er bei einer Kapelle gewartet und seine
Liedlein geblasen, und eine schöne Jungfer hat ihm einen Silberbatzen
gegeben für einen jeden Vers, damit er recht lange verweilt!
Heut aber hat ihm der junge Ehemann einen ganzen Taler geschenkt,
daß er umso schneller fahren soll.
Da läßt er die Rosse lustig rennen und bläst sein Lied dazu:

„Und kommt ein junger Passagier
Mit einem Liebchen her zu mir
Und setzt sich in den Wagen —
Ich lass' den Pferden ihren Lauf
Und fahre, was ich kann, darauf
Und blase und blase:
Tru — dalalala — lala!

Kaum bin ich einen Büchsenschuß
Vom Platze ausgefahren,
So hör' ich einen süßen Kuß
Gleich hinter mir im Wagen!
Dann sing' ich fröhlich Tralala
Und lach' ins Fäustchen allemal
Und blase und blase:
Tru — dalalala — lala!"

(^^er Wettstreit der Kulturvölker in der Fortführung wissenschaftlicher
^»^Forschungen ist auch auf dem Gebiet der Altertumskunde in den
letzten Jahren zu bedeutsamen Ergebnissen gelangt, von denen einzelne,
wie zum Beispiel die Aufdeckung der Grabkammer des ägyptischen Pharaos
Tut-anch-Amon, auch das Interesse der Laien in breiter Öffentlichkeit
beschäftigten. Zu bedauern bleibt nur, daß in dem raschlebigen Geschlecht
unserer Tage der Sinn für geschichtliche Forschung geringer als in den
früheren Generationen ist, und daß solche Nachrichten von besonders be-
achtenswerten Funden zu Sensationen aufgebauscht, dann aber bald, von
anderen Tagesneuigkeiten verdrängt, vergessen werden. Und doch hat noch
immer das Wort des großen Weisen Chinas, Konfuzius, seine Richtigkeit:
„Erzähle mir die Vergangenheit, und ich werde die Zukunft entdecken."
Nachdem im vorigen Jahrhundert die Altertumswissenschaft durch die
erfolgreichen Entzifferungsarbeiten von Franz Champollion den Schlüssel
für die Geheimnisse der ägyptischen Hieroglyphen und anderer Bilder-
schriften erhalten hatte und daraufhin die indoeuropäische Sprachverglei-
chung die wichtigsten Entdeckungen machen konnte, haben die Ausgrabungen

Die Geheimnisse der Kömgsgräber von Ur
Menschenopfer in der Stadt Abrahams / Von Hermann Ratllard
an den Stätten uralter Kulturen, wie zum Beispiel der Babylons, die
Kenntnis frühester Vorzeit mehr und mehr erweitert. Die stille, unermüd-
liche Arbeit der orientalischen Forschung wurde von den Wirren der
Kriegsjahre vorübergehend lahmgelegt, dann aber mit verdoppeltem Elser
wieder ausgenommen. So hat die Universität Pennsylvania im Verein
mit dem Britischen Museum eine Expedition ausgerüstet, die unter Führung
von Professor Thompson 1918 und von H. R. Hall 1919 in Mesopotannen,
insbesondere im Bereich der Stadt Ur, die allgemein aus den bibuW
Erzählungen von Abraham bekannt ist, mit Ausgrabungen begann- ve
1920 werden die Arbeiten unter der Leitung von C. Leonard Woo
fortgesetzt. Es gelang, den weiten Tempelbezirk der einst bedeutsam
Stadt Ur, die hundert Kilometer von der Mündung des Fruchtbar
spendenden Euphrats in den Persischen Golf in kanäledurchzogenem relty
Land lag, freizulegen. Aus uraltem Schutt und Staub erstand ber ^us
türm, der Ziggurat, der zu interessanten Vergleichen mit dem babylontzH
Turm Anlaß gab. ,
Im Winter 1927/28 stieß man bei den Ausgrabungen auf drei um
 
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