WSKRZESZENIE ŁAZARZA FABRITIUSA
"Die Auferweckug des Lazarus" von Carel Fabritius und die neuen Forschungen zum Rembrandt-Kreis
Der vorliegende Text ist eine verkurzte Auffassung
meines Aufsatzes Die Auferweckung des Lazarus von
Carel Fabritius in Warschau in den Niederdeutschen
Beitragen zur Kunstgeschichte 29, 1990, s. 81-110.
Im I. Teil wird der Erhaltungszustand des
Gemaldes beschrieben und die ursprungliche Kom-
positionsidee wiederhergestellt: Das Nachdunkeln
der Farbflache ist namlich so weit gegangen, daB die
Figur eines NegeB unter dem Schirm links heute nur
schwer erkennbar ist — was die Komposition sehr
beeintrachtigt, da der Mohr das wichtige Gegen-
stuck zu dem Mann an der Spitze der rechten
Menschengruppe bildete und die beiden Gestalten
zwei diagonal arrangierte Figurengruppen seitlich
nach oben hin abschlossen. Auch die heutige fast
monochrome Farbgebung scheint ursprunglich rei-
cher und ein wenig bunter gewesen zu sein.
II. Die Herkunft des Gemaldes bleibt fast vóllig
unbekannt. Die in der Literatur vorgeschlagene
Identifizierung mit einer Lazaruserweckung, die
16.9.1739 in Amsterdam als Werk Rembrandts
versteigert worden ist, ist unrichtig: die Zahl der
Figuren in beiden Bildern stimmt miteinander nicht
uberein. Man weiB allein, daB das Gemalde sich seit
etwa 1855 in der Alexander-Kirche in Warschau
befand.
III. Die Komposition von Fabritius gibt den
Evangeliumstext auBerst prazise wieder. Anders als
in der ikonographischen Tradition, den Auffassun-
gen Rembrandts und Lievens von etwa 1629-31
ahnlich, wurde hier der Wendepunkt des Gescheh-
nisses — die Peripetie — gewahlt: Joh.11:43, wo
Christus den Wiederbelebungsruf Lazare, veniforas
an den Toten richtet. Die erzahlerische und kom-
positionelle Auffassung wurde auf den Vorbilder
Rembrandts und Lievens' von etwa 1630-31 ge-
stutzt (Rembrandts Gemalde in Los Angeles und
seine Radierung B.73 und Lievens' Gemalde in
Brighton und seine Radierung B.3 — Abb.2,3,4);
die neue Rembrandt-Radierung von 1641 (B.72)
wurde nicht berucksichtigt. In der Malweise und
Komposition sind hier auch zahlreiche Analogien
zu Rembrandt-Werken aus den 1630er Jahren und
zur Nachtwache erkennbar.
IV. Es wird hier eine prazisere Datierung vor-
geschlagen, u.zw. in das Jahr 1645: Das Gemalde ist
signiert, durfte also nach Beendigung der Lehrzeit
(1641-43) entstanden sein ; aus dem stilkritischen
Yergleich mit Werken, die Fabritius kurzlich vom
Rembrandt Research Project zugeschrieben wor-
den sind und die noch in Rembrandts Werkstatt
gemalt wurden, ergibt sich die Folgerung, dab das
Warschauer Gemalde zweifellos nach ihnen ent-
standen ist; die Komposition zeigt keine Spuren der
Anlehnung an die Radierung B.72 (1641), was ein
fruheres Datum suggerieren kónnte, es sind aber
zwei weitere Lazaruserweckungen zu nennen, zwei
Handzeichnungen von direkten Schulern Rem-
brandts — von S. van Hoogstraaten und einem
anonymen Schiller (Abb. 17 u.19), die sicherlich in
der 2. Halfte der 1640er Jahre, also nach B.72,
geschaffen wurden und trotzdem keine Einwirkung
dieser Radierung erkennen lassen, sondern — wie
auch das Fabritius- Gemalde auf die fruhere Reda-
ktion von Rembrandt bzw. Lievens von 1630-32
zuruckgehen. Damit beweisen sie, daB eine solche
ikonographische Situation im Rembrandt-Kreis die-
ser Zeit durchaus móglich war und daB die Radie-
rung B.72 als keine Neuheit und frische Entdeckung
mehr um 1645 empfunden war und zu einer von meh-
reren alternativer Auffassungen des Themas wurde.
V. Die Stellung des Warschauer Gemaldes im
fruhen Oeuvre Fabritius' wird im Rahmen des
folgenden Schemas rekonstruiert: 1) Bildnis von
Rembrandt in Pasadena (Abb.12), um 1642/43; 2-3)
Bildnispaar in der Slg. Duke of Westminster, um
1642/43; 4) Frauenbildnis in Toronto, um 1642/43;
5) Bildnis eines alten Mannes in Koln, 1643
(Abb.13); 6) Die Lazaruserweckung in Warschau,
um 1645; 7) Merkur und Aglauros in Boston, um
1645/46 (Abb.8); 8) Merkur und Argus in New
York, um 1645/46 (Abb.7); 9) Selbstbildnis in
Rotterdam, um 1646/47 (Abb.9); 10) Bildnis Ab-
raham de Potter in Amsterdam, 1649 (Abb.ll). Das
'Tronje' mit dem Mann mit Heim in Groningen ist
hier Fabritius abgeschrieben. Auch Sumowskis
Zuschreibung der Salzburger Hagar mit Engel an
Fabritius ist hier abgelehnt.
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"Die Auferweckug des Lazarus" von Carel Fabritius und die neuen Forschungen zum Rembrandt-Kreis
Der vorliegende Text ist eine verkurzte Auffassung
meines Aufsatzes Die Auferweckung des Lazarus von
Carel Fabritius in Warschau in den Niederdeutschen
Beitragen zur Kunstgeschichte 29, 1990, s. 81-110.
Im I. Teil wird der Erhaltungszustand des
Gemaldes beschrieben und die ursprungliche Kom-
positionsidee wiederhergestellt: Das Nachdunkeln
der Farbflache ist namlich so weit gegangen, daB die
Figur eines NegeB unter dem Schirm links heute nur
schwer erkennbar ist — was die Komposition sehr
beeintrachtigt, da der Mohr das wichtige Gegen-
stuck zu dem Mann an der Spitze der rechten
Menschengruppe bildete und die beiden Gestalten
zwei diagonal arrangierte Figurengruppen seitlich
nach oben hin abschlossen. Auch die heutige fast
monochrome Farbgebung scheint ursprunglich rei-
cher und ein wenig bunter gewesen zu sein.
II. Die Herkunft des Gemaldes bleibt fast vóllig
unbekannt. Die in der Literatur vorgeschlagene
Identifizierung mit einer Lazaruserweckung, die
16.9.1739 in Amsterdam als Werk Rembrandts
versteigert worden ist, ist unrichtig: die Zahl der
Figuren in beiden Bildern stimmt miteinander nicht
uberein. Man weiB allein, daB das Gemalde sich seit
etwa 1855 in der Alexander-Kirche in Warschau
befand.
III. Die Komposition von Fabritius gibt den
Evangeliumstext auBerst prazise wieder. Anders als
in der ikonographischen Tradition, den Auffassun-
gen Rembrandts und Lievens von etwa 1629-31
ahnlich, wurde hier der Wendepunkt des Gescheh-
nisses — die Peripetie — gewahlt: Joh.11:43, wo
Christus den Wiederbelebungsruf Lazare, veniforas
an den Toten richtet. Die erzahlerische und kom-
positionelle Auffassung wurde auf den Vorbilder
Rembrandts und Lievens' von etwa 1630-31 ge-
stutzt (Rembrandts Gemalde in Los Angeles und
seine Radierung B.73 und Lievens' Gemalde in
Brighton und seine Radierung B.3 — Abb.2,3,4);
die neue Rembrandt-Radierung von 1641 (B.72)
wurde nicht berucksichtigt. In der Malweise und
Komposition sind hier auch zahlreiche Analogien
zu Rembrandt-Werken aus den 1630er Jahren und
zur Nachtwache erkennbar.
IV. Es wird hier eine prazisere Datierung vor-
geschlagen, u.zw. in das Jahr 1645: Das Gemalde ist
signiert, durfte also nach Beendigung der Lehrzeit
(1641-43) entstanden sein ; aus dem stilkritischen
Yergleich mit Werken, die Fabritius kurzlich vom
Rembrandt Research Project zugeschrieben wor-
den sind und die noch in Rembrandts Werkstatt
gemalt wurden, ergibt sich die Folgerung, dab das
Warschauer Gemalde zweifellos nach ihnen ent-
standen ist; die Komposition zeigt keine Spuren der
Anlehnung an die Radierung B.72 (1641), was ein
fruheres Datum suggerieren kónnte, es sind aber
zwei weitere Lazaruserweckungen zu nennen, zwei
Handzeichnungen von direkten Schulern Rem-
brandts — von S. van Hoogstraaten und einem
anonymen Schiller (Abb. 17 u.19), die sicherlich in
der 2. Halfte der 1640er Jahre, also nach B.72,
geschaffen wurden und trotzdem keine Einwirkung
dieser Radierung erkennen lassen, sondern — wie
auch das Fabritius- Gemalde auf die fruhere Reda-
ktion von Rembrandt bzw. Lievens von 1630-32
zuruckgehen. Damit beweisen sie, daB eine solche
ikonographische Situation im Rembrandt-Kreis die-
ser Zeit durchaus móglich war und daB die Radie-
rung B.72 als keine Neuheit und frische Entdeckung
mehr um 1645 empfunden war und zu einer von meh-
reren alternativer Auffassungen des Themas wurde.
V. Die Stellung des Warschauer Gemaldes im
fruhen Oeuvre Fabritius' wird im Rahmen des
folgenden Schemas rekonstruiert: 1) Bildnis von
Rembrandt in Pasadena (Abb.12), um 1642/43; 2-3)
Bildnispaar in der Slg. Duke of Westminster, um
1642/43; 4) Frauenbildnis in Toronto, um 1642/43;
5) Bildnis eines alten Mannes in Koln, 1643
(Abb.13); 6) Die Lazaruserweckung in Warschau,
um 1645; 7) Merkur und Aglauros in Boston, um
1645/46 (Abb.8); 8) Merkur und Argus in New
York, um 1645/46 (Abb.7); 9) Selbstbildnis in
Rotterdam, um 1646/47 (Abb.9); 10) Bildnis Ab-
raham de Potter in Amsterdam, 1649 (Abb.ll). Das
'Tronje' mit dem Mann mit Heim in Groningen ist
hier Fabritius abgeschrieben. Auch Sumowskis
Zuschreibung der Salzburger Hagar mit Engel an
Fabritius ist hier abgelehnt.
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