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Kunsthistorische Bilderbogen: für den Gebrauch bei akademischen und öffentlichen Vorlesungen, sowie beim Unterricht in der Geschichte und Geschmackslehre an Gymnasien, Real- und höheren Töchterschulen zusammengestellt (Suppl. 2): Ergänzungen zum Hauptwerk — Leipzig, 1883

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https://doi.org/10.11588/diglit.1175#0010
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Anhang. Die antike Polychromie.

um fo weniger allgemeine Regeln aufftellen, als die Ent-
wickelung des Gefchmacks ohne Zweifel nicht blofs zeitlich,
fondern auch landfehaftlich gefonderte Phafen durchlaufen
haben wird. Im Allgemeinen fcheint anfangs eine einfache
Farbenftimmung dem flrengeren Charakter der Kunft ent-
fprochen zu haben, während fpäter nicht nur durch flärkere
Anwendung der Vergoldung eine prächtigere Wirkung er-
zielt wurde, fondern auch die plaftifche Ausführung der Or-
namente der Polychromie in die Hand arbeitete.

Eine Reconftruction der Polychromie am d o r i fc h e n
Syftem veranfehaulicht Tafel I. Die herrfchenden Farben
find Blau und Roth, da der helle dem Säulenfchaft und dem
Architravbalken gegebene "Ton nur die durchfichtige, grun-
dirende Lafur des Marmors bezeichnet. Mit Gold find ein-
zelne Theile der Ornamente, die Palmetten der Tropfen-
regula unterhalb der Triglyphen und die Köpfe derfelben,
die Ringe am Säulenhals und anderes überzogen. Den
Echinus bedeckt ein überfallender Blätterkranz, blau mit
rothen Rippen auf rothem Grunde. Ein rother Maeander-
ftreifen umzieht als zufammenfaffendes Band den Abacus,
die Deckleifle des Architravs und den oberen Rand der
verticalen Aufsenfläche des Geifon, während das darüber
lagernde dorifche Kyma mit dem Schema halbüberfallender
Blätter verziert, der Rinnleiften, aus welchem die kräftig
colorirten Löwenköpfe hervorfpringen, mit einem zierlichen
Anthemienkranz bemalt ift. Für die Trigiyphenfchlltze blieb
durch alle Zeit ein helles Blau die conventioneile Farbe.

Nicht wefentlich verfchieden war die polychrome Be-
handlung des ionifchen Gebälks (Taf.II), nur dafs die
kräftige Gliederung des Triglyphenfriefes mit feinen in Roth
und Blau abwechselnden Tönen hier in Wegfall kam und da-
für ein bandartiger, dunkel (meift blau) grundirter Figuren-
fries den Hauptfchmuck bildete. Bezeugt ift infehrifilich
und durch erhaltene Denkmäler befonders die reichere An-
wendung des Goldes zur Verzierung der Säulenköpfe, an
denen die Verbindung von Roth, Gold und Blau eine der
Tendenz des Stils auf das Anmuthige wohl entfprechende
Wirkung hervorbrachte. An Bauwerken des korinthifchen
Stils find Unterteilungen bisher nur vereinzelt vorgenommen
worden, doch ift nicht zweifelhaft, dafs fie demfelben Ge-
fetze polychromer Ausfchmückung unterworfen waren. An
dem choragifchen Monument des Lyfikrates fand Semper die
Akanthusblätter des Knopfes grün, den Grund blau und die
Wafferblätter der reichen Kehlen unterhalb der Akanthus-
bekleidung abwechfelnd roth und blau in freilich nur noch
fchwachen Spuren.

Anfcheinend in Widerfpruch zu der an Bauwerken und
in der Plaftik fo lebhaft fich äufsernden Vorliebe der Griechen
für polychrome Dekoration fleht die Farbenbefchränkung der
Keramik (Tafel V). Die überwiegende Maffe aller Thon-
gefäfse ift einfarbig bemalt unter Benutzung der natürlichen
Farbe des Vafenthons. Indem man entweder den helleren,
dem Material eigenthümlichen Grundton als Hintergrund
ftehen liefs und die Figuren fchwarz aufmalte, oder letztere
aus dem dunklen Ueberzuge ausfparte, erhielt man filhouetten-
arlige Darftellungen, die mit Innenkonturen leicht verfchen
und, gelegentlich durch einzelne Farbenzufätze verziert, einen
durchaus ornamentalen Charakter trugen. Das erftere Ver-
fahren, gewöhnlich das der fchwarzfigurigen Vafen genannt,
war in der älteften Zeit allein üblich. Es entwickelt fich
erft allmählich zu gröfserer Vollkommenheit und zeigt in
feinen Anfängen noch die Abhängigkeit von den techni-
fchen Proceduren und von den Vorbildern der orientalifchen
Kunft. So erkennt man in der Dekoration der nach ihrem
Finder fog. Dodwellvafe (V, l), in der Ueberziehung aller
Flächen des Gefäfses mit bildlichem Schmuck, in der Aus-
füllung der Zwifchenräume mit allerlei Rofetten die Ein-
wirkung affyrifcher Teppichmufter. Das Auffetzen der ein-
zelnen Figuren mit fchwarzem oder dunkelbraunem Firnifs,
das Einritzen der Konturen nach dem Brande mittelft eines
fcharfen Eifens erinnert dagegen an die damals noch geübte
Technik der Empäftik (des Auflöthens oder Aufnietens von
aus Metall ausgefchnittenen Figuren). War anfänglich der
helle Thongrund vorherrfchend geblieben, fo trat mit der
Zeit das Beftreben auf, den Eindruck der Dauerhaftigkeit
dadurch zu verftärken, dafs der gröfste Theil des Gefäfses
mit fchwarzem, jetzt verfeinertem und meift metallifch glän-
zendem Firnifs überzogen wurde. Für den Figurenfchmuck
wurde ein Stück des rothen Vafengrundes freigelaffen und
durch Säume und Borden als aufgelegtes Bild charakterifirt
(V, 3). Ueberhaupt ordnet fich nun die Decoration der
architektonifch berechneten Gefammtwirkung willig unter,
und befonders in der Anbringung der Ornamente offenbart
fich das feinfte Veiftändnifs für die Bedeutung der Formen
und die Beftimmung des Gefäfses. Der aufgemalte Zierrath
foll auch hier, wie in der polychromen Architektur, die
Function der einzelnen Theile deutlicher machen, daher wird
am Fufsende der aufftrebende Blätterkranz, am Henkelanfatz
zur Bezeichnung des befeftigenden Nageleindrucks die Palmette
(vgl. Taf. V, 3), an der Mündung die überfchlagende Blatt-
reihe (V, 6) befonders gern angewendet. Nicht nur in dem
fchwarzen Gefäfsüberzuge, auch in Einzelheiten der Formen, i

z. B. in den Henkeln, in der rippenartigen Durchfurchung
des Bauches mancher kleinerer Gefäfse (V, 5) äufsert fich
die Anlehnung au Metalltechnik. Daher erklärt fich auch
die zunehmende Sparfamkeit der Farbenzufätze. In älteren
Vafen wird Violett gern zur Auszeichnung der irgendwie
hervorftechenden Figurenlheile benutzt (V, I —4) und Weifs
dient regelmäfsig zur Andeutung der helleren Hautfarbe der
Frauen und Kinder, wohl auch einzelner Ornamentftücke und
Attribute. Aber der lockere Auftrag diefer Ergänzungsfarben
liefert den Beweis, dafs man ohne Veränderung des Vafen-
grundes die Ausführung eines farbigen Bildes nicht für mög-
lich hielt. Eine jüngere Epoche, die der rothfigurigen
Vafen, derjenigen Geläfse, an welchen nicht die Figuren
aufgemalt, fondern der Hintergrund fchwarz zugedeckt wurde,
fo dafs die Darfteilung als Ausfchnitt, die natürliche Thon-
farbe zeigend, übrig blieb, (vgl. Taf. V, 6), führte daher das
Princip der Oligochromie, der Farbenbefchränkung, noch
konfequenter durch. Der feine, leicht geröthelte Vafenthon
wird Grundfarbe aller Figuren, und Zufatz von Weifs, Gold
oder Dunkelbraun dient nur zur gelegentlichen Hervorhebung
des Beiwerks der figürlichen Darftellungen, während die
Ornamente durchgängig einfarbig bleiben. Doch bricht fich
in diefer Zeit die Neigung Bahn, auch vollkommen polychrome
Bilder auf Vafen anzubringen. Dies wurde aber erft durch
völlige Aenderung der Technik möglich, dadurch dafs man
die Bildflächen mit weifsem Pfeifenthon grundirte und auf
diefer allerdings nicht feuerbeftändigen Unterlage die Dar-
fteilung mit verfchiedenen Farben ausführte. Gefäfse diefer
Art (meift Lekyfhen und Teller) find vorzugsweife in Attika
angefertigt worden, aber der geringen Haltbarkeit jener
Gemälde wegen fchwerlich in praktifchem Gebrauch gewefen.
Die eigentliche rothfigurige Vafentechnik erhält fich bis in
die alexandrinifche Zeit ziemlich unverändert, nur dafs an
Stelle der älteren Strenge der Zeichnung allmählich eine
mehr malerifche Auffaffung (V, 3 u. 8) tritt und die ein-
reifsende Entartung des Gefchmackes wieder zur Vermehrung
der Farbenzufätze, befonders zu weitgreifender Anwendung
von Weifs und Gelb, vor allem auch dazu führt, dafs die
Grundfätze finnvoller Ornamentik nach und nach wieder in
Vergeffenheit gerathen.

Am vielfeitigften hat fich die Farbenluft der klaffifchen
Kunft in den Wanddekorationen ausgefprochen. Wenn
wir auch von den Leiftungen der Blüthezeit faft keine
Kenntnifs haben und nur fchriftliche Nachrichten über den
reichen Bilderfchmuck der Tempelzellen und öffentlichen
Hallen befitzen, fo geben uns doch die Refte der vom

Vefuv verfchütteten Städte Campaniens und manche in Rom
und anderwärts ausgegrabenen Gebäude eine genaue Vor-
ftellung von dem Dekorationsprincip der römifchen Zeit in
allen feinen Abftufungen, wie in feiner Fortbildung bis zum
Verfall. In den Gebäuden Pompejis, deffen Baugefchichte
fich vom erften vorchriftlichen Jahrhundert an ziemlich genau
verfolgen läfst, find mehrere fich deutlich unterfcheidende
Stilarlen der Wanddecoration nacheinander zur Herrfchaft
gekommen, die uns von der Pracht der Innenausftattung felbft
befchränkter Wohnungen den höchften Begriff geben. Obgleich
die kleine, von dem Mittelpunkt der römifchen Welt weit
abliegende Provinzialftadt im Baumaterial mit dem Luxus des
kaiferlichen Roms nicht wetteifern konnte, hat fie wenigftens am
malerifchen Schmucke nicht zu fparen gefucht. In technifcher
Beziehung zeigt fich hier diefelbe tüchtige Schulung des Hand-
werks, wie in der Hauptftadt, eine bewundernswerthe Sicher-
heit der Pinfeiführung, ein durchweg feiner Sinn für har-
monifche Farbenftimmung und im allgemeinen auch die
gleiche Gefchmacksrichtung. Die ältefte in Pompeji auftretende
Dekorationsweife, welche fchon gegen d. J. 80 v. Chr. an-
gewendet wurde, trägt einen ausgefprochen architektonifchen
Charakter. In Anfchlufs an eine in der alexandrinifchen
Zeit in Griechenland eingeführte Incruftationsmanier, bei
welcher die Wände mit farbigen Marmorplatten verkleidet
wurden, pflegte man damals den Fugenschnitt der Stein-
quadern in Stuck nachzuahmen und durch entfprechende
Bemalung die lllufion eines edleren Materials zu vervoll-
ftändigen. Stuckgefimfe, befonders ein leiten fehlendes mit
Zahnfchnitt, heben die Theile der Wandflächen noch mehr
hervor. In diefem Stil ift das Haus des Sallust dekorirt
(Taf. IV, 1). Der folgende ahmte theils ebenfalls eine
Marmorbekleidung nach, doch ohne Stuckprofilirung, theils
führte er in der Malerei architektonifche Gliederung durch
Voiftellung von Sockeln mit Säulen und Gebälken aus und
verflieg fich felbft zur Darftellung von ganzen Gebäuden,
Portiken u. f. w. (Taf. IV, 2 u. 5). Der dritte Stil, der
feinen Urfprung einer Reaction gegen die Ausfchreitungen
des vorigen zu verdanken fcheint, enthält fich aller archi-
tektonifchen Charakterifirung der einzelnen Wandtheile. Er
fetzt an die Stelle der horizontalen Gliederungen (des oberen
Sockelrandes, der Gefimfe) einfache Ornamentftreifen und
füllt die Mitte der lediglich für Ornamente freigehaltenen
Wandflächen gern mit baldachinenartigen zur Aufnahme
kleiner Tafelbilder gedachten Gerüfte. Von da aber geht
die Entwickelung mehr und mehr ins Phantaftifche über,
wovon Taf. IV, 3 wenigftens eine Andeutung giebt.
 
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