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Kosmische

Chor der Sterne:

Wohin mcin Stern, — kleine Erde, wohin?
Du drängst dich vor und du drängst dich auf,
Mcin bernsteingelbcr Spazicrstockknauf,

Unreine Träne, geweint vom Lide
Verwcster Dämonen,

Wohin, beichädigte Sylphide?

Ach, woiltest du uns verschonen
Mit deinen heißen und warmen gonen.

Die Erde:

O latzt mich, laßt, ihr alten Stcrne,

Bcwundcrn mich aus stiller Ferne,

Wie ihr euch unbedenklich dreht
Ilnd wie ihr langen Weges geht
Aus Nichtigem zu andern Reichen
Von Staub und Nichts. Und ohnegleichen
Erglänzet ihr auf diejem Gang,

Nie wird euch bang, ihr geht mit Klang,

Don Blasorchestcrn, Trommelschlägen
Ilnd dreht euch gchend wie die Hüften
Von Tänzerinnen, die zerrinnen
Iknd wi>.der sich aus Schleierlüften
Furückgewinnen.

Ihr grotzcn Sterne, wie von Sinnen
O raujchumdunkelt seh' ich cuch
And mein Gesicht versteht euch nicht.

Ich staune nur und will mit Staunen
Ihr prächtigen und feinen Damen,

Voriuhm mit all>.rschwersten Ramen,

Euch näh^r sein und euren Launen.

Ein Fixstern:

Willst selber eine Sonne wcrden?

Erhelle dich, verstclle dich frei!

Wir aber wissen deine Beschwerden.

Du kranker Dunst, verölter Schimmer,

Erbcbst ja, blasjes Frauenzimmer,
Klavierumhallt von Schwärmerei?

Du monatskranke Mondesfee,

Es tun uns ja die Augen weh,

Wenn wir dich sel/n, von weitem nur.

Datz dir dcr weitze Sonncngott
Noch iinmcr aufgehl! Welch ein Spott!

Du rinnst von ihm wie Tränenspur.

Die Erde:

Mehr als die Sonne, — mir >st der Menjch
Aufgegangcn mit großem Schreiten.

Ich trag , trage ihn dahin
Seit unendlichen Zeiten,

Den wildm Sohn mit Bart und Beil,

Kantate.

Fch trage, trage ihn dahin,

Mcin böses Kind zu meinem Heil,

Iknd zu seinem Heile.

Es hat keine Eile,

Noch eine Weile und von zehntausend
Iahrcn cine ncue Weile.

Es hat noch Zeit, wir sind noch weit,

Wir schweben schon eine Ewigkeit
Miteinander, Mutter und Sohn,

So wiege ich ihn und kenne ihn schon,

Wiege ihn, liebe ihn, binde ihn schon.

Oft ist ihm weh, dann droht er so
llnd reißt mich auf und wütet roh
Ilnd schneidet selbst sein Fleisch in Stücken.

Ach, und ich liebe seine Tücken!

Ich schmeichle ihm und blühe auf
Mit neuen Prärien und Palmen,

Mit meinen Haaren und Halmen.

In lockigem Klee halt ich ihn auf,

Sein Knie in tauigen Rosen.

Ich lose ihn, — und speit er drauf,

So will icl/s doch ertragen,

Mein Leben an seines wagen.

Die Sterne:

Die Menschenkrähe, wir haben sie längst
Ins Weltall geschabt von unsrer Haut,

Ietzt sind wir leer und rollcn laut.

Dic juckende Rinde ficl wie Regen
gn dcn Orkan, der uns umfährt,

Icht dürfen wir glänzcnd uns bcwcgen.

Doch du bist krank und ausgezehrt.

Die Erde:

Krank?

Meine Liebe krank?Meine Hoffmmg krank?
Ich rveiß es anders, zu mir drang
Der Gottcsstimme Donnersang.

So geht nur hin mit eurem Hassen,

Ihr leeren Berge, tote Welt,

Ihr müht mir meinen Buben lassen,

Ich zic/ ihn auf, wie's inir gefällt.

Noch ist er jung und beißt und bricht,

Doch licst cr schon in eurcn Strahlen,

Die ihm, ihr witzt es selber nicht,

Ein Ewiges ins Auge malcn.

Aus eurem Eise mahnt ihn warm
Die Schöpferglut, die ihr vergesjen,

Und curem Tanz in melnem Arm
Wird er die Zeit und Wcge niessen,

Und wächst und wird sein Herz zerspalten,
Den frommen Samen drein zu säen,

— O Stolz, schon seh' ich es gescheh'n —
Wird euch und mich für Goit erhalten.

Max Brod.
 
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