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Biller, Thomas
Die Adelsburg in Deutschland: Entstehung, Form und Bedeutung — München, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.4980#0007
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Einleitung

Über den eindrucksvollen und landschaftsprägenden Bautypus der mittelalterlichen Burg
wurde in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts intensiv nachgedacht und
geschrieben. O. Pipers Burgenkunde, die um 1900 eine erste Phase der Forschung abschloß,
prägte für lange Zeit ein Bild, in dem es zunächst mehr um die Benennung von Bauteilen
und Funktionen ging, kaum um die Erkenntnis von Entwicklungen oder gar historischen
Hintergründen.

Neben einer bis heute fortlaufenden, von dort ableitbaren Literaturtradition ist jedoch in
den letzten Jahrzehnten an vielen Orten gleichzeitig, und für den Nicht-Spezialisten eher
unauffällig, eine andere Burgenforschung entstanden. Sie nähert sich dem Gegenstand mit
dem entwickelten Rüstzeug heutiger Wissenschaften und fördert neue Fakten in kaum noch
überschaubarer Fülle zutage. Den Überblick zu gewinnen, fällt gegenwärtig selbst dem
Fachmann schwer-zu detailliert sind die Einzelforschungen, zu unterschiedlich die Ansätze
der verschiedenen Disziplinen, zu verstreut die Orte der Publikation. Vieles weist darauf
hin, daß unser Bild von der Entwicklung und dem historischen Stellenwert der Adclsburg
derzeit ganz neu gestaltet wird. Wie dieses Bild am Ende aber aussehen wird, ist angesichts
der unübersichtlichen Forschungslage bisher eher Ahnung als gesicherte Kenntnis.

Die vorliegende Arbeit stellt sich diesem Problem in dem Wissen, daß mitten in einer
Phase lebendiger Forschung alles andere als eine »endgültige« Darstellung vorgelegt wer-
den kann. Der Versuch, Zwischenbilanz zu ziehen, kann uns vielleicht trotzdem einem
historischen Gesamtverständnis näher bringen, vielleicht sogar Gegenthesen auslösen, oder
die Fragestellung kommender Forschung präzisieren. Dies sind zumindest die Hoffnungen,
des Verfassers.

Freilich konnte die Arbeit nicht bei einer Darstellung des Forschungsstandes stehenblei-
ben, sondern mußte sich weiteren Problemen von teils grundsätzlicher Art stellen.
Beschränkte man sich auf das zusammenfassende Referieren neuer Ergebnisse, so würde
von selbst ein Schwerpunkt bei den Ergebnissen der Mittelalterarchäologic entstehen,
insbesondere beim frühen Burgenbau des 10./i 1. Jahrhunderts. Die neuen Erkenntnisse
zum Burgenbau des Hoch- und Spätmittelalters sind weniger spektakulär und eher Diffe-
renzierungen älterer Erkenntnisse. Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, hier sei von
der »Burgenkunde« schon vor fünfzig Jahren alles gesagt gewesen, dabei würden aber
zumindest zwei wichtige Tatsachen übersehen.

Einerseits muß die wachsende Erkenntnis zur Frühphasc der Adelsburg selbstverständ-
lich zu einer Neubewertung auch der folgenden Phase führen, die ich aus diesem Zusam-
menhang heraus als die »Klassik« der Adclsburg definiere. Andererseits ist eine sinnvolle
Wertung beider Phasen im Grunde nur dann möglich, wenn ein Bezug zu den allgemeine-
ren Entwicklungen der Zeit hergestellt wird, vor allem zur Entwicklung des Adels, der
nicht nur die Architektur seiner Wohnsitze, sondern die Gesellschaft seiner Zeit insgesamt
entscheidend geformt hat.

Inhalt und Gliederung dieses Buches sind daher so interdisziplinär wie die Forschung der
letzten Jahrzehnte. Dennoch entstammt die Zielsetzung des Buches eindeutig der Architek-
tur- und Kunstgeschichte, wie es dem Untersuchungsgegenstand entspricht: Es geht um
Verständnis, Definition und Interpretation einer Bauform. Bei der Annäherung an dieses
 
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