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Bergner, Heinrich [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0367
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Kunststatistische Übersicht.

Die Bedeutung der Kaumburger Kunst liegt wenigstens im Mittelalter in
der ruhigen, langsam reifenden, dann aber mustergültigen Durchbildung und
Vollendung der jeweils vorliegenden Ideale. Die Lokalkunst hat Perioden von
Sturm und Drang nie erlebt. Sie ist gegen westliche Kunststätten immer etwas
rückständig. Aber was uns dort in wilder Gärung entgegentritt, das ist hier,
oft Jahrzehnte später, in das Gewand abgeklärter Schönheit und klassischer
Vollendung gekleidet. Es gilt dies ebenso für die romanische wie für die früh-
und spätgotische Kunst und selbst der Ohren- und Knorpelstil des 17. Jahrhunderts
hat m. W. nirgendwo in Deutschland eine so lange und liebevolle Pflege gefunden
als in Kaumburg. Denken wir vollends nur an die unvergleichliche Blütezeit
unter Bischof Dietrich II., so haben wir in der deutschen Geschichte nur eine
Analogie; es ist das Weimar Karl Augstus. Hier wie dort sammeln sich unter
einem weitherzigen Mäcen die größten Künstler, um in gespannter Arbeit, welt-
fern und doch auf der Höhe der Zeit, durch hundert Quellen genährt und
doch wurzelecht und bodenständig die unvergängliche Form großer Gedanken
zu finden.

I. Die kirchliche Baukunst.

Für uns beginnt die Kenntnis der Kirchenbaukunst mit dem mittleren Teil
der Domkrypta, einer dreischiffigen Anlage fast genau in den Abmessungen der
Merseburger. Schon hier gewahren wir eine eigene Rückständigkeit. Von der
Regeneration der Baukunst durch die Hirsauer, die damals Thüringen beherrschte,
ist keine Spur, die Formsprache geht noch in den Wegen der ottonischen
Renaissance. Die Profile sind schlank und locker, die Säulen kannelliert, das
Ornament vollständig von der antiken Palmette beherrscht. Auf dem Wege der
Stil Vergleichung würde man auf eine Bauzeit um 1080- 1100 kommen. Aber der
Kreuzgang in Pforte belehrt uns eines Besseren. Hier sind dieselben Formen
noch um 1150 in Gebrauch und danach schreiben wir wie bisher die Kaumburger
Krypta dem großen Gönner Pfortes Bischof Udo I (1025—48) zu. Wie weit er
und sein Kachfolger mit dem Keubau des Domes gelangte, entzieht sich direkter
Einsicht. Wahrscheinlich beschränkte sich die Tätigkeit auf die Ostteile bis zum
Querhaus. Denn im ersten Joch und den Seitenschiffen des Langhauses liegen
die großgedachten Anfänge eines neuen Doms vor, der aber plötzlich samt den
Westtürmen in Seitenschiffhöhe liegen blieb. Die Absicht ging noch auf eine
Flachdeckbasilika mit kantonnierten Quadratpfeilern. Die äußeren Lisenen wurden
schon anfänglich aufgegeben. Dagegen sollte auch im Innern die Hochwand
durch Lisenen geteilt werden, wie man es nur an einigen rheinischen Beispielen
kennt. Im übrigen entspricht die Planung so sehr den späteren Hirsauer
Gewohnheiten, besonders dem 1199 vollendeten Burgelin, daß man den Bau in
den erwähnten Grenzen richtig auf den Ausgang des 12. Jahrhunderts , unter
 
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