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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 1/2
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Clericus, L.: Das sogenannte Künstlerwappen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0022

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Das fogcnannfc AünstlcrMWli.

von L. Llericus.

> der Zeit, in welcher Eorporationen anfingen Wappen
auzunchme», gab cs keine „Künstler" nach modernem
Begriff, ani allerwenigsten eine „Künstlerzunft." Ls
gab und giebt daher auch kein eigentliches Künstlcr-
Wappen, sondern als das Bedüifniß entstand, ein solches zu haben
— das ist aber noch gar nicht lange her —, nahm man als
solches, als Nothbehclf, das Walcrwappen an, welches in seiner Form
schon seit mindestens fiinshundcrt Jahren bekannt war. Die drei
Figuren in diesem Wappen werden nach altem Sprachgebrauch als
Schilde bezeichnet uild da die Waler früher auch Schildcrer hießen,
so schien Alles in Vrdnnng und klar zu sein, sür Jeden, der sich
über dergleichen Dinge nicht gerne den Kopf zerbricht. Auch ich habe,
seit ich vor beiläufig etwa fünfzig Jahren den Zauber der heraldische»
Bilderschrift auf mich cinwirkcn fühlte, weiter unbesehen an die drei
„Schilde" der Waler geglaubt, wenn mir allniälig auch wanches an
der Sache mehr ltiib mehr verdächtig vorznkommen schien, bis eine
gelehrte Abhandlung über den Gegenstand aus neuester Zeit mich auf
ihn besonders anfinerkfanl machte. Zunächst erkannte ich, daß man
unter Schildcrern niä't wappenschildmalcr verstehen dürfe. Denn der
Plural von „der Wappenschild" heißt Schilde, Verfertiger von diesen
könnten daher nach Analogie aller einschlägigen kfandwerkcrbezcich-
nnugen (Sxänglcr, Gärtner, Kürschner, Tischler, Nadler, Täschner
u. dgl. in.) nur Schildncr oder Schildler heißen, Schildcrer können
nur abgeleitet werden von „die Schilder", dem Plural von „das Schild",
einer Waler,i im Allgemeinen, einem kjerbcrgsschild, Denkmalsschild
u. s. w. (vcrgl. wauerer, wcsserer, Zinimcrer). Lntgegenzustchcn
scheint dieser Erklärung die Umschrift des Kölner Gildcnsiegcls von
1396 (mit (0 der bewußten Figuren): 8 - commune • fraternitatis •
ciipeatorum • civitatis ■ Coloniensis ■ Allein schon Grenser macht dazu
die Aniuerknng, daß man bei dicsein Siegel nicht an Waler, sondern
an wirkliche „wappenschildmachcr" zu denken habe, die sehr häufig
mit den Wappenstickern (pcsanicutiercn) und Sattelniacheru (Leder-
arbeitern) in geschäftlichem Kartell standen, auch mit den Glasern,
mit diesen aber ans anderem Grunde. Die Waler, nicht Wappen-
schildinaler, (mit drei der betr. Figuren im Schilde) von Freiburg i. Br.
nannten sich dagegen schon t3L0 auf ihrem Siegel piciores (8 • com-
mune -zunfti • pictoru’ • Friburg’n ■ ). Bekräftigt wird die Anmerkung
Grcnscr's durch die Figur des St. Lvcrgisilus auf dein Kölner Siegel,
der zwar eine Kapelle in Köln hat, aber, soweit bekannt, niemals
Patron der Waler war. Dagegen soll nicht verschwiegen werden, daß
die Umschrift des Kölner Siegels noch eine aridere Deutung zuläßt.
Denn clipeus heißt auch „Brustbild", die Umschrift würde dann zu
übersetzen sein: „Siegel der Bruderschaft der BiVuißmaler zu Köln."
Der wirkliche Wappenschild heißt nämlich lateinisch nie clipeus, weii
dieser Sprache der Begiiff dafür feblt, sondern insigne (insignia).
italienisch, vom andern lateinischen Ausdruck scutum, scuäo (dipeo
ist ein bloß dichterischer Ausdruck ohne heraldische B Ziehung), fran-
zösisch Lcussori, englisch escutcheon (beide desselben Stammes) lind
coat of armes. — Doch alle diese beSenklichen Lrwägntigen würden
nicht so bala zum Ziele geführt habet,, wenn nicht ein Zufall zu
lfilse gekonitiieti wäre. Lines Tages las ich in einem heraldischen
Fachblatte, daß der Verfasser eines Wegweisers durch Goslar bespöttelt
wurde, weil er bei der Beschreibung des „Brusttuches", der bekannteti,
iiiteressanien lsolzarchitektnr daselbst, das an seiner Fagade mit ange-
brachte Walerwappen als drei Farbetltöpfe erkläit habe. Sofort er-
innerte ich mich, daß sich itl »nseiem Kiinftgelverbe wuseum, bisher
nickt allzusehr beachtet, eine Wenge alter Farbentöpfe befindet, die
bei Durchlegung der ve> bretterten Jakobsstraße hier, an der Lcke der
Tischlerkrugstraße, in> Brandfchutt von fSZt gefunden worden waren,
theilweise noch mit cingctrockucten Farbcnresten, und säninitlich von
der Forni, welche die angeblichen Schilde des Walcrwappens haben,
einige kleinere sogar mit den Konturen gothischer Schilde, wie auf
dem Kölner Jnuniigssiegcl. also iit Gestalt des antiken Pithos (Dolium).
Line Anfrage bei dem Verfasser jener Goslarcr Broschüre, einem
Lehrer, ergab, daß derselbe, der, was ihm gar nicht weiter vcidacht
werden kan», nichts von Heraldik versteht, von den gerade bei der

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Restaurirung des Brusttuchgiebels beschäftigten Walern die Auskunft
erhalten gehabt hatte: „die betreffenden drei Figuren sind unsere alten
Farbentöpfe." Das war sehr wichtig, daß eine solche Tradition sich
in den Fachkreisen selbst lebendig erhalten hatte, völlig unberührt von
den gelehrten Dcdnctioucn der Heraldiker, die sich in eitlen wahren
Rausch hineinträumcn, als wenn die ganze Welt sich nur um die,
wenn auch noch so hübschen, Jtlsignicn einer einzelnen Gesellschafts-
klasse drehe.

Ich suchte mir nun von unseren Töpfen zwei gleich große aus
und ließ sie, um das dritte Lxcmplar zu erhalten, in Gips abgießcn.
In der weißetl Farbe ließen sie sich auch leichter photographiren und
ließen sich bequcni Löchelchctt in die Wandungen bohren, um sie für
die Aufnahme an einem schildförmigen Brette aufzuhäugen. Denn
in diesem Falle konnte nur eine mechanische und unbedingt jedes Detail
fixirende lviedcrgabe einen klarcti Beweis liefern; gegen jede Zeichnung
würde man den Linwaud haben erhebet! können, daß ich einer vor-
gefaßten wcinung zu Liebe die Fornicn zurcchtgerückt hätte, was
nun die unten abgernndete ioder selbst zugcspitzte) Gestalt der mittel»
alterlickcn Farbentöpfe betrifft, die nach altem Herkommen länger bci-
behaltcn wurde, als es vielleicht nöthig gewesen wäre, so wird sie
erkläit durch die Beschaffenheit der früheren Farben vor der allgemeinen
Linführung der Gclfarbcn. Jene hatten nur Bindemittcl, die sehr schnell
trockneten, weshalb man die utlten runden Töpfe auch während der
Arbeit in nassen Saud oder Lehm stellte. Aber auch zu dein Zweck,
die Töpfe umzubindeti, eignete sich die alte Forni mit der leisen Ein-
schnürutig oben und den runden Böben, um die sich bequem ein Kreuz-
gehäuge legen ließ, natürlich besser, als die gerade, heutzutage allein
übliche, mit den biüchigetl Henkeln. — Alle Zunftwappcti beziehen
sich auf die Hauptsache des Handwerksbetriebes, sic zeige» zu allermeist
die Gerät he und Werkzeuge, mit deneit gearbeitet wird, seltener die
Gbjcktc der Thätigkcit (Gchscn, Kälber auf Schlächtersiegel»), oder die
Erzeugnisse derselben (Brod und Semmeln auf Bäckersicgeln), fein
einziges derartiges Wappen bringt das vereinzelte und Seltenste der
Handwcrksthätigkeit zur Erscheinung, wie es die Waler mit unaus-
gcmaltem und daher unfertigem Schilde gcthan haben sollten. Denn
das attgebliche Bemalen der ritterlichen Kampfschilde würde doch nur
den aUerkleinstcn und schlechtest bezahltett Thcil ihres Gcwerbcbctliebcs
ausgemacht haben, es ist sogar wahrscheinlich, daß cs überhaupt nicht
stattgcfuudeu hat, aus dem Grunde, weil die nur mit Leim gebundenen
Wasserfarben auf wirklichen Kainxfschilden den Unbilden der Witter-
ung nicht widerstand zu leisten in, Stande gewesen wären, wie das
an anderer Stelle noch des Näheren bewiesen weiden soll, wer die
voistehende Abbildutig mit gesunden Augen betrachtet und ohne Eigen-
sinn die weiteren Folgen zieht, innß zu der Etkenntniß kommen, daß cs
endlich Zeit ist, die „Schilde" der Waler und heutzutage der Künstler
zu begraben und sich in Zukunft an ihrer Statt die altchrwürdigen
Farbentöpfe anzubcquemcn!

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