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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 9/10
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Rosenberg, M.: Aus der Großherzoglichen Kunstkammer zu Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0064

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Stiert der weiblichen Figur zugewandt, nur hat diese keine
Bocksfüße, welche nian sowohl auf dem Stiche als auch
auf unserer Ranne sieht. Auf dem vierten Stücke int grünen
Gewölbe ist die Frau etwas mehr aufgerichtet als auf deit
anderen Exemplaren. Auch der Faun, welcher Silen unter
den linken Arm gegriffen hat, kann bei Rubens nachge-
wiefen werden, hingegen hat sich die von ihm geküßte und
die liegende Frau, welche ganz von Rubens infpirirt er
scheinen, unter den hiesigen Blättern nicht auffinden lassen. —
Wenn nach dem obigen unsere Elfenbeinschnitzerei auch
eine Reihe voit Gegenstücken hat, so steht sie doch der
Rubens'schen Loinposition näher, als die anderen und zeichnet
sich überdies durch die vorzügliche technische Behandlung
vor den übrigen aus. Da man in der Rubens-Literatur
den Nachweis findet, daß Lucas Fayd'herbe, ein Schüler-
Rubens', selbst Elfenbeinschnitzer gewesen ist und speziell
Elfeitbeinkannen für Rubens angefertigt hat, so ist man
leicht geneigt, unser Stück in seinen Rreis einzustellen. Die
vergoldete Fassung mit ihrem gewaltigen aber dennoch nicht
plumpen penkel, mit dein Rinderfriese und dem Putto auf
dem Deckel, sowie den Amoretten mit Libellenflügeln «tu
Stehrande, gehört ebenfalls zu den Besten ihrer Art. —
Versuchen wir den Meister zu finden, der sie gefertigt hat.
Sie ist mit dem Augsburger Stadtzeichen und den Initialen
A W gestempelt. Unter den verschiedenen Goldschmiede-
namen, welche für diese Marke in Betracht kommen, war
es anfänglich schwierig, eine Mahl zu treffen. Aut meisten
neigte ich mich zu Andreas Wickert hin, weil allein zwischen > 65^
und >728 sechs Goldschmiede, alle mit demselben Vor
und Familiennamen, letzterer in etwas verschiedener Schreib
weise, in Augsburg thätig gewesen sind. Da ntir indessen
von allen diesen nichts weiter bekannt war, als ihr Wappen
und ihr Todesjahr, sowie wann der eine oder der andere
Vorgeher bei der Zunft gewesen, so lag kein triftiger Grund
vor, einen dieser Meister vor andern in derselben Zeit mit
A W zeichnenden, wie A. Winterstein oder A. Warenberger,
hervorzuheben. Wohl ließ sich feststellen, daß die Wickert
einer weitverzweigten Goldschmiedefamilie angehörten, daß
aber unter ihnen einer so geschickt war, daß man ihm die
Fassung unserer Ranne hätte zuschreiben können, ließ sich
aus den ntir vorliegenden Materialien nicht entnehmen.
Da spielte mir der Zufall ein altes Rupferstichportrait in
die pände, welches die gesuchte Belehrung brachte. Die
Schrift auf der Platte selbst gewährt über die dargestellte
Person keinerlei Aufklärung, aber von einer alten pand
steht auf dem weißen Papierrande: „Andreaß Weickart,

berühmter Goldschntied in Augspurg." Das Wappen auf
dent Stiche stimmt mit dem der sämmtlichen ntir bereits
bekannten sechs Andreas Wickert überein. Die handschrift-
liche Angabe ist daher für den Namen als richtig erwiesen,
und wir dürfen deshalb auch dent Epitheton „berühmt"
Glauben schenken. Betrachten wir übrigens den ausdrucks-
vollen Ropf auf dem Portrait, so gewinnen wir die Ueber-
zeugung, daß die handschriftliche Notiz schon insofern richtig
sein kann, als hier ein nicht alltäglicher Gesichtsausdruck
vorliegt. Wenn es demnach einen renommirten Goldschmied
des Namens Aitdreas Weickert oder Wickert gegeben hat,
so stehe ich keinen Augenblick an, ihm die Initialen A W
an der vorliegenden Ranne zuzuschreiben. Um welchen
unter den sechs Goldschmieden dieses Namens es sich handelt,
ist zunächst ttoch nicht zu entscheiden, aber wir sind wenigstens
in der Lage, die Wahl, die bisher unter sechs zu treffen
war, auf vier zu beschränken. Da das Portrait mit >655
bezeichnet ist, so fällt einer, welcher schon >65H gestorben
ist, weg. Außerdem können wir einen zweiten, und zwar
den 1728 verstorbenen, als zu spät für die Arbeit, streichen.
Unter den somit noch verbleibenden vier sind zwei, welche
keinerlei Ehrenämter beim Gewerke bekleidet, mithin den
Augsburger Zunstverhältniffen entsprechend keine weitere
Bedeutung erlangt haben. Auch diese können wir, wenn
wir eine Wahrscheinlichkeits-Rechnung beginnen wollen,
ausscheiden. Es bleiben somit nur zwei Meister, von
welchen der eine >657, der andere >700 gestorben ist. Da
der auf unserem Portrait Dargestellte im Jahre >655 als
55 Jahre alt bezeichnet wird, so würde er hundert Jahre
alt geworden sein, wollten wir ihn mit dent >700 ver-
storbenen identifiziren. Es bleibt uns also nichts übrig,
als den >657 gestorbenen Meister in unserem Portrait zu
erkennen, mtd die Wahrscheinlichkeit liegt nahe, daß wir ihnt
die Fassung der Ramte zu verdanken haben. Er scheint
derartige Arbeiten zu einer Spezialität seiner Gewerbsthätig-
keit gentacht zu haben, denn unter neun Arbeiten, welche
wir von ihnt (oder seinem Namensvetter) kennen, find
allein sieben dieser Art. — Unser Stück gehört nicht zunt
Baden-Durlacher Besitz, sondern zur alten Baden-Badischen
Runstsammlung und ist im Verzeichniß von >772, vielleicht
sogar in einem früheren von >760 circa, nachzuweisen.
Vermuthungsweise aber möchten wir die Ansicht aussprechen,
daß es aus der Elfenbein -Santmlung der Markgräfin
Sibvlla Augusta (f > 733), Gemahlin des berühmten Türken-
besiegers Ludwig Wilhelm stammt.

Schutzmarke.

Aus £). Ltröhl's „Schutzmarken",
(vgl. Beiblatt J89J, 5. 7.)
 
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