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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 3
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0040

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Rüchen- und andern Tannenholz-Möbel treten hier fast aus-
schließlich massive und polirte si Eichenholznröbel. Das geht
oft so weit, daß man nicht ohne Bedauern wahrnimmt,
wie wenig haushälterisch der Amerikaner mit den kostbarsten
Holzarten umgeht, indem er — manchmal nicht ohne Groß-
sprecherei — z. B. s Zoll dicke, stark gekrümmte Arm-
lehnen aus dem vollen polz schneidet. Tiner besonderen
Beliebtheit erfreuen sich gegenwärtig das rothe und weiße
Mahagoni, verschieden gefärbte Vogelaugen-Ahorn, Ungar-
ische Esche und Birke.

Während auf europäischen Weltausstellungen die Zimmer-
einrichtungen des ausstellenden Landes stets wenigstens eine
quantitative Ueberlegenheit über die der übrigen Länder be-
haupteten, war ein Gleiches in Thicago nicht der Fall,
zumeist wohl in Folge der Zurückhaltung vieler großer
Geschäfte. Es waren wohl einige solche Gemächer zusammen-
gestellt; aber sie waren theilweise weder charakteristisch für
Amerika, noch überhaupt von künstlerischem Werth. Einzelne
hatten es versucht, mit ihren Salongarnituren irgend einen
der Prunkstile des 1(8. Jahrhunderts zu imitiren; aber diese
Versuche sind größtentheils gründlich gescheitert. Am glück-
lichsten erschienen jene Zimmereinrichtungen, welche einen:
strengeren Formenkreis angehörten. Beispielsweise hatte ein
Geschäft in Thicago einen sehr charaktervollen Salon — für
das Lokal des Athletenclub bestimmt — ausgestellt, dessen
sehr monumentales Mobiliar allerdings seine Bestimmung
trefflich zum Ausdruck bringt. Ebenso gut war ein Speise-
saal durchgebildet, obgleich dieses Mobiliar unter dem Banne
des romanischen Formenkreises zwar ernst vornehin aber auch
etwas gar zu massiv ausgefallen warsi.

Von der Ausstattung der Zimmer eines Privathauses
lieferte die Ausstellung in den Gebäuden der einzelnen ameri-
kanischen Staaten zahlreiche Beispiele; aber künstlerisch Be-
friedigendes war hier wenig zu schauen. Zn den meisten
dieser Räume war der Ramin dasjenige Ausstattungs-
stück, welchem die größte Aufmerksamkeit gewidmet war;
wie schon erwähnt, bildet der Ramm den Sammelpunkt der
Familie, und so ist es erklärlich, daß die amerikanische Ab-
theilung gerade auf diesem Gebiete sehr reichhaltig war.
Manche Aussteller fabrizieren diese Raminmäntel als Spezi-
alität und nicht selten werden dieselben zu ganz netten archi-
tektonischen Zierstücken ausgebildct. Die peizöffnung, bei
welcher Feuerböcke aus Messing oder Eisen, ein polzbock,
ein Raminschirm u. s. w. stehen, ist regelmäßig durch eine
oder mehrere Reihen von glasirten Fliesen eingefaßt, welche *)

*) Was der Amerikaner »polished« nennt, entspricht nicht immer
dem deutschen Wort „polirt"; man bezeichnet mit „poliren" auch das
durch wiederholtes Glätten (mittelst Bimsstein) unterbrochene Lackiren,
das die Amerikaner den Japanern abgelernt haben. — ffolzfarbener
Anstrich kommt höchst selten vor.

2) Um den breiten, von cylindrischen Füßen getragenen Tisch
stehen ;s mit grüngoldenem, gepreßtem Leder gepolsterte Mahagony-
stühle mit steilen Lehnen, durchaus schlicht und solid, aber auch recht
schwer. Die eine Wand wird von einem Kamin mit Spiegel, eine
Ecke von einem Glasschränkchen eingenommen. Das an der Wand
stehende Buffet bildet im Grundriß ein Trapez von fast m Länge
bei 0,6 m Ausladung und besitzt statt des Aufsatzes einen die ganze
Breite einnehmenden Spiegel. Sowohl alle, die Gesimse des Kamines
wie des Buffets tragenden, schlanken Säulchen, als auch die bsolzwand
des Kaminmantels sind in kleine, quadratische, mit Rosetten besetzte
Felder getheilt; hierin, sowie in der Durchbildung der Friese re. herrscht
durchaus der byzantinisch-romanische Akanthus.

ihrerseits wieder von einem hölzernen (selten marmornen)
Rahnten umgeben ist. Dieser Rahnien — das Wort im
weitesten Sinne gefaßt — gibt zu den manchfaltigsten Bil-
dungen Veranlassung. Zn seiner einfachsten Gestalt zeigt
er über dem in Brusthöhe liegenden Raminsims nur noch
einen breiten Spiegel, dessen Seiten mit kleinen Tonsolen
zur Aufstellung von allerlei Aleinkram besetzt sind. Zn
der reichsten Ausstattung steigt der Raminaufbau bis zur
Decke einpor, wobei zahlreiche Aästchen und Nischen zur
Aufstellung von Vasen, Platten, Nippsachen aller Art an-
geordnet sind. Zwischen diesen beiden Extremen liegt eine
außerordentlich manchfaltige Stufenleiter, päusig bildet der
Ramm den Mittelpunkt einer großen, bis zur Decke reichenden
und in der verschiedensten Weise überwölbten oder umrahmten
Nische, (Abb. 5. 2st) welche im übrigen durch gepolsterte
Bänke rc. zu einer reizenden plaudereckest gestaltet wird;
oder es rücken die schlanken, das Gesimse über den: Spiegel
tragenden, von: Boden aussteigenden Säulchen fammt dem
Gesimse ein Stück weit von der Wand weg und lassen Raum
zur Unterbringung von Sitzen, die — vom übrigen Zimmer
durch polzgitter oder Stellwände geschieden — so recht zu
vertraulichen: Gespräch geschaffen sind. Zn ähnlicher Weise
wird auch auf Vorplätzen jener unter oder neben der Treppe
befindliche Raun: durch ein Ramin zu einem lauschigen
Plätzchen umgewandelt.

Wenn wir von den A:nerikanern in kunstgewerblicher
Beziehung auch nicht viel zu lernen haben, so dürfen wir
uns doch wenigstens die Gestaltungsprinzipien ihrer 5itz-
n:öbel zum Vorbild nehmen. Die verschiedenen Zwecke,
denen ein Stuhl dienen kann, die verschiedenen dazu ver-
wendeten Materialien u. s. w. haben demselben eine un-
glaublich nmnchsaltige Gestalt verliehen; daß ein und derselbe
Raun: eine ganze Auslese von Stühlen beherbergt, macht
auf den an Einheitlichkeit Gewöhnten anfangs einen be-
fremdenden Eindruck — aber da nicht jeder Stuhl bei jeder
Gelegenheit Zedem gleich behaglich ist, so wird :::an bald
bekehrt und freut sich darüber, daß:nan seine Sitzgelegenheit
ganz seinen: Wunsche entsprechend sich auswählen kann. Das
Erstaunlichste leisten darin z. B. die großen parlors in den
potels und die sehr bequem eingerichteten Flußdampfer,
deren luftige Decksalons eine Auswahl von Sitzmöbeln be-
herbergen, wie sie wenige Mäbelmagazine reichhaltiger auf-
weisen können. — Sehen wir auch ganz ab von den sehr
zahlreichen Beispielen, in welchen ältere Stilarten, namentlich
jene des f8. Zahrhunderts sowie der E:npirezeit :nit :nehr
oder weniger Geschick nachgeahnrt sind, so bleibt noch genug
übrig. Die Hauptrolle dabei fällt zweifellos den: Schaukel-
stuhl zu; wenn man bei einen: der ainerikanischen Staaten-
gebäude den Blick über die Brüstungen der vorgelagerten
Terrassen schweifen ließ, da verrieth das Durcheinander-
wogen der Ruhenden, daß der Schaukelstuhl hier das Regiment
führt. Der Begriff den sich der Amerikaner von körperlichem
Behagen n:acht, ist :nit dem Schaukelstuhl auf's Engste
verknüpft. Die Ausstattung desselben ist natürlich sehr ver-
schieden: ist der Sitz vo>: polz so ist er (wie die Rücklehne)
stets den Rörperformen entsprechend ausgehöhlt; für Polster-
ungen ist Leder beliebt. Die dekorative Ausstattung beschränkt
sich meist auf die gedrehten Beine, sowie auf die zahlreichen

st ”Cozy Corner“, — Kosewinkel.
 
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