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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 8
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Meurers "Pflanzenformen": Erwiderung auf die in dieser Zeitschrift (S. 37ff.) enthaltene Besprechung dieses Werkes
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0076

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welche lebende Pflanzen bildlich darstellen wollen. Mit Bezug auf
jene mir nicht berechtigt erscheinenden Angriffe möchte ich jedoch noch
einige Bemerkungen anknüxfen, um den Werth dieser Arbeit in das
richtige Licht zu stellen. Die wesentlichsten Bedenken beziehen sich auf
die symmetrischen Erscheinungen des Pflanzenbaues, speziell der kaub-
blätter. wenn es als bedenklich bezeichnet wird, daß in den Dar-
stellungen verschiedener Blattformen diese vorwiegend symmetrisch ge-
zeichnet sind, während in der Natur kleine Differenzen zwischen den
beiden Blatthälften immer existiren, so ist dieß erklärlich, da es sich

87. Schrank aus Eichenholz.

Sammlung de Aeyser zu Antwerpen.

doch nicht um eine photographisch genaue Nachbildung eines einzelnen
Individuums handelt, sondern um Wiedergabe verschiedener Blatt-
typen, an denen bestimmte Gesetze des Baues sichtbar gemacht werden
sollen. Für diesen künstlerischen Zweck ist es vollkommen unmöglich,
ganz unnütz, im Gegentheile störend, auf Wiedergabe der feinsten
Details einzugehen; und wenn in Natur auch die Tertiär- und tpuartär-
nerven in den beiden Blatthälften ungleich im Parenchym verlaufen, und
die Lontour der beiden pälften sich nicht vollkommen mathematisch deckt,
so dürfen wir deswegen doch einem regelmäßigen Blatte nicht sym-
metrische Ausbildung abfprechenl Natürlich wird kein Mensch be-
haupten, daß ein säbelförmiges Blatt eines Eucalyptus oder die Blätter
einer Begonie, einer Ulme symmetrisch seien; aber in der weitaus

größten Zahl unserer Psianzen sind doch symmetrisch gestaltete Blätter
vorwiegend. Wenn wir freilich die allerkleinsten Unterschiede mit in
Rechnung bringen wollen, so kommen wir zu dem Resultate, daß es
streng genommen überhaupt in der Welt keine wirklich symmetrischen
Gebilde giebt, und daß symmetrische Figuren nur in der Theorie existiren.

Wenn weiterhin als bedenklich bezeichnet wird, daß Prof. Meurer
in seinen Darstellungen nicht alle Lharaktere eines einzigen «Objektes
oder Individuums z. B. eines bestimmten Blattes wiedergiebt, son-
dern einen mittleren Typus aus der vergleichenden Prüfung mehrerer
ähnlich gestalteter, gleich alter und gleich gewachsener Blätter der-
selben Spezies zusammenstellt, so wird derjenige, welcher sich je mit
einer der beschreibenden Naturwissenschaften eingehender beschäftigte,
diesen Vorwurf ohne Weiteres als nichtig zurückweisen. Die Botaniker
und Zoologen sehen sich so jeden Augenblick gezwungen, in ihren
wissenschaftlichen Arbeiten einen ganz gleichen weg einzuschlagen.
Lin Typus, eine Art, eine beliebige Pflanzenform darf sogar nie nach
einem einzigen Exemplare beschrieben oder dargestellt werden, da dem-
selben eben zu viel individuelle Eigenheiten anhaften, die nicht auf
die anderen Exemplare passen würden. Es handelt sich dabei aber
absolut nicht um „Regularisiren", sondern um die richtige Würdigung
und Ausschließung der individuellen Lharaktere in vergleich zu den
allen Exemplaren desselben Typus gemeinschaftlichen Eigenschaften.

Lin anderer Vorwurf, welcher dem Verfasser gemacht wird, ist
der, daß er bei der Darstellung der verschiedenen Blattformen von
deren Berippung ausgeht. Es weiß aber jeder, der die Pflanze ein-
mal zu zeichnen versucht hat, wie schwierig es ist, eine Blattform ge-
nau wiederzugeben, wenn man nicht zuerst das Blattskelett genau
studirt hat; und ist es gerade dankenswerth, daß Neurer auf die
gesetzmäßigen Beziehungen aufmerksam macht, welche z. B. zwischen
der Breite der Intercostalräume und der Stärke und Länge der zu-
gehörigen Nervatur und zwischen letzterer und der Ausbreitung der
Blattfläche bestehen. Ebenso werthvoll sind für den Pflanzenzeichner
die von Meurer gegebenen Regeln zur Darstellung der Blattübersälle,
zum perspektivischen Zeichnen der Pflanze u. s. w.

Was seine Darstellungen anlangt, so kann Meurer dreist an
das Urtheil aller Renner appelliren. Es ist für mich ein wahres
Vergnügen gewesen, nach denselben, ohne nur je einen Moment zu
zögern, die Pflanzenart zu bestimmen, von welcher die einzelnen
Figuren entnommen sind; und die Möglichkeit, das zu thun, scheint
mir der beste Beweis für die vollkommene Treue der Figuren zu sein.
Dieselbe bis auf die kleinsten Einzelheiten eingehende Naturwahrheit
habe ich auch in den prächtigen plastischen Darstellungen bewundert,
welche ich in dem Atelier Meurer's Gelegenheit hatte zu sehen; und
es ist mir eine schätzenswerthe Genugthuung gewesen, zu konstatiren,
mit welcher peinlichen Sorgfalt die zur Reproduktion gewählten pflanzen-
sormen gesammelt und ausgesucht werden und in vielen Exemplaren
frisch oder auf verschiedene (oft sehr komplizirte und geschickte) Art
konservirt und präparirt als Vorbilder dienten.

was auch für Gründe vorliegen mögen, gegen die von Prof.
Meurer gewählte Form der Belehrung und Darstellung Bedenken
zu erheben: als Botaniker von Fach kann ich nur versichern, daß ich
selten so naturgetreue Nachbildungen gesehen habe, wie seine Ab-
bildungen und Modelle, und daß es unberechtigt ist — wie es in
einer Besprechung von Prof. Or. Krell geschehen — dieselben als
steif und unwahr scheinatisirt zu bezeichnen.

Genua, Juni s8g5. Prof. Vtto Penzig,

Direktor des Agl. Botan. Gartens der Universität Genua.

Unsere kunstgewerblichen <I)uskenblMen.

Taf. 30—32. Th eile der dekorativen Ausstattung der
kaiserlichen Gemäldegalerie des Grafen Schack in München.
Nachdem Kaiser Wilhelm II. den hochherzigen Entschluß gefaßt hatte,
die ihm durch vermächtniß zugefallene Gemäldesammlung des Grasen
Schack an dem bisherigen Standort zu belassen, erfolgte auch bald
nach Erwerbung des pauses der Auftrag zu einer durchgreifenden
Restaurirung des bekanntlich von Bildhauer Gedon errichteten Baues.
Die Leitung dieser Arbeiten, welche durchweg von Münchnern aus-
geführt wurden, wurden dem Architekten Emanuel Seidl anvertraut.
— An der Innenausstattung ist von besonderem Interesse der Ein-
gangsraum (Taf. 30), in dessen Hintergrund in einer mit Mosaik
ausstatteten Nische die Büste des Grafen Schack Aufstellung gefunden
hat; den vaupteingang des ganzen Kaufes zieren zwei große Fahnen-
masten, welche nach Entwurf von Em. Seidl von Bildhauer WaderL

modellirt sind (Taf. 3 p. Die Fußstücke find von der kgl. Lrzgießerei
(Ferd. v. Miller) in Bronze gegossen, die Bekrönungen sind in der
Werkstätte von Hch. Seitz in Kupfer getrieben.

Aus Dankbarkeit für den der Stadt München zugute kommenden
kaiserlichen Entschluß, hatte die Stadtbehörde sofort nach Bekannt-
werden desselben die Errichtung einer Gedenktafel beschlossen, welche
diesem Danke Ausdruck geben sollte. Dieselbe, in Bronze gegossen
und in einem Rahmen aus rothem Marmor gefaßt, ist in der Durch-
fahrt, gegenüber dem eigentlichen Eingang zur Gemäldegalerie in
die Mauer eingesetzt worden. Entworfen wurde die Tafel von Architekt
Theodor Fischer, modellirt von Bildhauer Pruska; über die Aus-
führung gibt die Tafel Beilage 32 seihst Auskunft.

Taf. 33. Gothisches Erkerzimmer. Entwurf von Architekt
S. N. Bürkel, Mitweida.

Hierzu „Kunstgewerbliche Rundschau" Nr. 8.

verantw. Red.: Prof. £. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Lunflgewerbe-Vcrein. — Verlag von M. Schorß. — Druck von Lnorr 4 Birth, München. y/
 
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