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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 10
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Halm, Philipp Maria: Dürer und Holbein und ihre Beziehungen zum Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0099

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87 -f

zu London befindet, und von dein eine fast auf den Strich
genaue Copie wohl von der chand Dürers in der Alber-
tina zu Men aufbewahrt wird (Formenschatz f88fi,
Taf. 59/^0 und unsere Taf. 38). Lin phantastisch ge-
bildeter Baum trägt eine Schale, aus der sich ein reicher
Aufbau von Stab- und Maaßwerk mit Genien erhebt.
Den Fuß belebt eine Schaar von Reitern und Fußsoldaten.
Durchaus erkennen wir noch die Formen der ausgesprochenen
Spätgothik. In dem zu Dresden aufbewahrten Skizzen-
buch Dürer's finden wir drei Blätter mit Entwürfen zu
Bechern, eines mit gothifchen Buckelbechern und zwei mit
Bechern der reinsten entzückenden Frührenaissance. Zwei
Entwürfe zu Doppelbechern, sogenannten Doppelscheuern,
der eine in Dresden vom Jahre ;520, der andere in
Men vom Jahre ^526, tragen noch völlig gothifchen
Charakter, was gewiß unser Erstaunen erregt, wenn wir
bedenken, daß Dürer schon viel früher die Formen der
Renaissance ganz zu beherrschen verstand — ich verweise
nur aus den Rahmen des Allerheiligenbildes — und
anderntheils, daß die Renaissance gerade bei den Werken
der Kleinkunst und besonders im Goldschmiedehandwerk
zunächst Eingang fand — ich erwähne hier das Renaisiance-
altärchen von Seid vom Jahre {^2 tu der Münchener
Schatzkammer.

Ganz die Formen der Gothik tragen auch der Buckel-
becher und das Straußeneigefäß auf dem Bilde der
hl. drei Könige v. I. \50^ in den Ufficien zu Florenz
und der Buckelbecher des babylonischen Weibes auf dem
Blatte IX der Apokalypse v. J. Neben diesen

Entwürfen für Becher gibt uns Dürer noch Eonceptionen
von Dolchen, Buchbeschlägen, Rüstungsstücken und kleineren
Schmuckgegenständen, die von jenen jedoch sehr verschieden
sind; denn hier erkennen wir durchaus den Geist der
Renaissance, nicht allein in den äußerlichen Formen, son-
dern in den Gedanken. Klingt wohl in dent Rankenwerk
der Ecke des Bucheinbandes (Abb. lj8) noch die Gothik
nach, so sprechen die geflügelten Seepserde, der st)an
deutlich die Sprache der neuen Zeit. Aehnliches gewahren
wir an einem Dolch, der uits eilt Drpheusrelief zeigt, utid
an anderen Blättern. Bis jetzt hatte die deutsche Kunst
keine solche Fabelwesen der Antike gekannt, erst die er-
wachende Renaissance und hier vor allem Dürer eröffitete
dem tollen Heere von panen, Nixen und Drachen die
Thore.

Neben den Entwürfen für das Goldschmiedehand-
werk sind uns auch zwei Goldschntiedearbeiten von Dürer's
Hand bekannt. Die eine ist ein Silberrelief an einem
Schmuckkästchen, das die Familie Jmhoff zu Nürnberg
besitzt, und stellt eine vom Rücken gesehene Eva dar, eine
zierliche, sehr sorgfältig modellirte und ciselirte Arbeit. Sie
ist mit Dürer's Monogramm und der Jahrzahl jSOfi be-
zeichnet. Wahrscheinlich stiftete der Meister das Relief
gelegentlich der Hochzeit der Helena Jmhoff, der Tochter
von Dürer's Banquier, mit Sebald Reich. Das andere
Goldschmiedewerk, das man wohl auch seinen Stichelt zu-
zählen kann, war ein kleines Niello ntit der Kreuzigung
Christi, der sogenannte Degenknopf Kaiser Maximilian's,
der leider verloren ging, von dent jedoch einige Abdrücke
erhalten blieben. Wir sehen, wie reich Dürer's Thätigkeit
int Goldschntiedehandwerk war: suchen wir jedoch nach

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Entwürfen für 'andere Zweige des Kunstgewerbes, so sind
wir zuitächst sehr enttäuscht. Wir finden noch Entwürfe
für zwei Lüster und eilten solchen für einen Bilderrahmen.
Bei den beiden ersten sehen wir wieder dett Geist der
Renaissance: ein Amor und eine Nixe, Gestaltett der An-
tike, tragen die Schaufeln der Geweihe, die beide Mal
auf das Glücklichste als Flügel verwerthet sind, Höheres
Interesse beansprucht der Entwurf für den Rahmen des
Allerheiligenbildes v. I. f508, zu dent wir auch ttoch das
im I. f5f2 ausgeführte Werk selbst im Germanischen

;20. Dürer's Allerheiligenbild.

Museum zu Nürnberg besitzen. Während uits der Ent-
wurf (Abb. I\9) v. I. \508 mit Ausnahme weniger
Details als ein Werk der Renaissance vornehmlich int
gattzen Ausbau uns entgegen tritt, zeigt uns die Aus-
führung v. I. s5j2, wenn auch die allgemeine Com-
position beibehalten wurde, überwiegend gothifchen Charakter
(Abb. 120), so besonders an dem Rankenwerk der Säuleit
und an der ntit gothischem Stabwerk geschmückten Be-
krönung; wir sehen, Dürer kehrte immer wieder zur Gothik
zurück.

Das Bild von Dürer's kunstgewerblicher Thätigkeit
würde unvollkommen sein, wenn wir nur seine Ent-
würfe zur Betrachtung herbeizögen und nicht auch seine
 
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