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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0019

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Kreis Gelnhausen

Der Kreis Gelnhausen ist mit seinem Flächeninhalt von 64368,6 ha und einer Einwohnerzahl von
42,732 der grösste des Regierungsbezirks Cassel. Er liegt auf den Ausiiiufern des Vogelsherges und des
Spessarts und hat der Thalhildung der Kinzig und ihrer hauptsächlichsten Nebenbäche, der Bracht und Bieber
entsprechend, eine nach Osten gerichtete gabelförmige Gestalt. Der grösste Theil desselben ist mit mässig
hohen, nur an einzelnen Stellen, besonders den Rändern der Erosionsthäler, steilen, in erheblichem Umfang
mit herrlichen Laubwäldern bestandenen Bergen und Hügeln erfüllt, welche bis auf ein kleines Stück Ur-
gebirge im Biebergrund, der Formation des bunten Sandsteins angehören, und den vorzüglichsten Baustein liefern.

Der Ackerbau ist vielfach auf die schmalen Bachthäler beschränkt, im Jossagrund sogar durch einen
früh ausgebildeten Wiesenbau ganz verdrängt. Um so fruchtbarer ist das von Wirtheim an sich zu einer breiten
Ebene erweiternde Kinzigthal, in welchem bereits die Spatenkultur beginnt. Das Klima ist in dem von Ost
uach West gerichteten, von dem Büdingerwald gegen Norden geschützten Kinzigthal so mild, dass noch jetzt
der im Mittelalter in unseren Gegenden überall cultivirte Weinstock gedeiht, und zu Gelnhausen in guten
Jahren ein feuriger sehr trinkbarer Wein erzielt wird.

Die Ansiedelung des Gebietes ging, wie überall, von den Flussläufen aus und ist so früh erfolgt, dass
die Güterverzeichnisse des Klosters Fulda schon im 9. Jahrhundert zahlreiche Orte des Kreises nennen. Während
Ackerbau und Viehzucht noch heute die Haupterwerbsquelle bilden, entstand bereits im frühen Mittelalter die
erste industrielle Anlage in dem lange noch freilich höchst primitiv betriebenen Salzwerke zu Orb1).

Die mineralischen Bodenschätze, besonders die Eisensteine bei Kirchbracht, Neuschmitten und im Bieber-
grund, wurden schon früh in Waldschmieden, seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts in Eisenhütten ausgebeutet.
Vorzügliche Thonlager im Brachtgrund wurden in den Töpferwerkstätten zu Haitz, Witgenborn, Spielberg ver-
arbeitet, aus denen sich in neuester Zeit die grossartige Steingutfabrik zu Schlierbach entwickelt hat.

Zahlreiche Glashütten erhoben sich, um die unerschöpfliche Holzproduktion der Wälder rationell zu
vonverthen (cf. den Abschnitt Breitenborn), und überall legte man an den zahlreichen Bächen mit starkem Ge-
fälle Mühlen an, welche für geistliche Körperschaften und begüterte Edelleute wie Bürger damals als vortheil-
hafte Kapitalanlage galten. Vorübergehend wurde in Ilailer ein geringes Vorkommen von Silber und Kupfer
ausgebeutet, später mit besserem Erfolg Kobalt, zur Herstellung von Schmälte, in Hieber gewonnen.

Das Kinzigthal durchzog seit ältesten Zeiten eine Haupt-, Handels- und Heerstrasse, der Reff oder
Frankenweg, den auf weite Strecken nach Norden und Süden durch unwirthliche Waldgebirge abgeschnittenen
Verkehr des Ostens mit den hochcultivirten Main- und mittleren Rheingegenden vermittelnd.

An diesem entstand mit der Anlage der Stadt Gelnhausen eine bürgerliche Niederlassung, die, das Centrum
für Handel und Gewerbe an der Kinzig bildend, anfangs vielversprechend aufblühte, schon im 15. Jahrhundert
aber sich mit dem Loos der meisten derartigen Gründungen bescheiden musste.

') Siehe in dem Abschnitt Orb die Beschreibung der höchst merkwürdigen alten Salinenreste.

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