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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0022
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Stadt Gelnhausen.

Nach dem Tod des letzten (beamteten!) Grafen von Gelnhausen, welcher vor dem Verkauf der Burg
1158 sicher erfolgt war, zog der Kaiser Friedrich I. im Verfolg seiner Politik die Besitzungen des Reiches
und damit alle deren Machtmittel in eigene Verwaltung zu nehmen, auch deren vom Reich stammende Lehen
ein, während der Allodialbesitz der Familie an die Erben derselben (legitimos posessores) gelangte. Es können
das Brüder die als Geistliche nicht successionsfähig waren, oder die Witwe [Gela'Pj in erster Linie, dann
und später auch Seitenverwandte gewesen sein.

Ich habein dem Abschnitt Godebertuscapelle ausgeführt, dass es der bisher übersehene Graf Godebert
v. Gelnhausen gewesen sein muss, welcher in Mainz lebte, dort 1191 das Viktorstift (sein Stift?) beschenkte,
(Joannis r. mog. T. II. 511) und wohl auch die Burg Gelnhausen an Mainz verkaufte. 1158 kauft Mainz
das Castrum Gelnhausen v. d. legittimo posessore und im selben Jahr lässt sich Seibold die von dem Ditmar
geschenkten Güter bestätigen, (cf. Correspondenzbl. d. G. V. 1874 p. 75 u. Urk. I p. 69). Der liest der
Allodialgüter kann dann an die v. Büdingen gelangt sein, obgleich deren Verwandtschaft sich nicht exakt
nachweisen lässt (cf. Wippermann. p. 21). Aber auch die Burg wusste sich Friedrich I durch Beuutzung der
Nothlage in welche der Mainzer Stuhl durch die Heeresfolge in dem italienischen Kriege des Kaisers ge-
kommen war, wenigstens zur Hälfte zunächst zu verschaffen, wie daraus hervorgeht, dass Erzb. Konrad über
die Verluste von Mainz zwischen 1187 u. 1190 klagt: medietas etiam castri Geinhusen cum medietate omnium
attimencium domino imperatori infeodata fuit. (Urk. 1 p. 89, Stumpf act. Mog. 115, Böhmer Reg. Conv. I,
96). So erklärt es sich, dass der Reichstag v. 1180 auf welchem Heinrich der Löwe seines Herzogtliumcs
entsetzt wurde, „in Gelinhusen in territorio Moguntino" abgehalten wurde. Die Consequenzen aus diesem Nach-
/ weise sind im Abschnitt „Burg" gezogen.

Wie der Kaiser resp. das Reich in Besitz der zweiten Hälfte gelangte, welche nach Wortlaut der Urkunde
v. 1158 (Urk. I p. 68) Mainz noch immer haben musste, da es das Castrum cum prädiis et ministerialibus von
dem legittimo possissore gekauft hatte, ist nicht zu ermitteln gewesen. Es wird auch hier ein Gütertauseh
unter dem Druck der starken Hand des Kaisers zu Stand gekommen sein, und sehr wohl können diese Tausch-
objekte für Mainz gelegener und werthvoller gewesen sein. Noch ehe der Kaiser in Besitz der alten Grafen-
burg gelangt war, vielleicht sogar um diesen zu erzwingen, gründete er im Jahre 1170 (Urk. I p. 81) den
neuen Ort Gelnhausen. Die wichtigsten Stellen der Urkunde lauten:

Notum igitur sit Omnibus . . . quod nos apud Castrum Geylnhusen novam villam /mutantes, omnilms eam
inhabitantibm harte ex imperialis grade liberalitate iusliciam prestitimus ut omnes videlicet mercatores de Geylnhusen
.... nulluni solvent thelonium in loeis imperialibus .... Nidlus advocatus (gegen Mainz'?) ibi exercebit justiciam
sed solus Imperator et ejus villicus .... Datum Geinhusen. Zeugen sind nur von Leiningen, von Ortenberg und
Glieder des benachbarten Adels, keine aus Gelnhausen.

Im Jahre 1190 werden „burgenses in Gelnhausen" die Einwohner vom Kaiser genannt (Urk. I p. 90)
und 1220 cives, in welchem Jahr der Markt von Marköbel nach Gelnhausen kam (Urk. I p. 111). An Stelle
des villicus fungirt seit 1230 ein scultetus, wenn anders ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Benennungen
bestand, was ich leugne, da z. B. 1219 cives und villicus und dann wieder 1226 burgenses in Frankfurt vor-
vorkommen (Urk. I 108 und 130).

Als Zeichen der Blüthe der jungen Stadt sind nicht nur die reichen Kirchenbauten anzusehen, welche
damals entstanden, sondern auch die Versuche von Seibold unabhängig zu werden. Daneben entstehen die Höfe
der einflussreichen Klöster Haina, Arnsburg, der Deutschherrn und Johanniter, und schon früh finden sich die
Reiehskammerknechte, welche sofort erschienen, wo etwas zu verdienen war. Gelnhausen gewann politischen
Einfluss, es wurde bündnisfähig, und trat in den Bund der .Städte Mainz, Bingen, Worms, Speier, Frankfurt.
Friedberg gegen das Erzstift Mainz, welchen Kaiser Heinrich 1226 aufhob (Urk. I p. 126).

Reiches Leben und wohl auch materiellen Gewinn brachte die häufige und längere Anwesenheit der Kaiser
namentlich der Staufifen und ihrer Nachfolger. Im 15. Jahrhundert wurde sie mit dem Verfall der Burg
seltener, bis Maximilian (der letzte Ritter) in dem Jahre 1512 als letzter Kaiser des alten Reiches den Boden
der Reichsstadt betrat. Die Anwesenheit der Kaiser brachte vor allem die Niederlassung zahlreicher begüterter
einflussreicher Adelsfamilien mit sich, die zumeist Burgmannen waren, und wohl in der engen feuchten Burg
bescheidene kleine Sitze hatten, in der Stadt aber wohnten.

Dank der bei Besprechung des Privatbaues hergehobenen soliden Bauweise mit massiven Brandmauern und
zahlreichen eingestreuten Steinhäusern, haben verheerende Brände nicht stattgefunden. Auch die Fehdebelästigungen
der Jahre 1378, 1418 u. 1460 waren nicht von dauerndem Einfluss auf den Wohlstand. Einen empfindlichen Schlag
 
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