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Bickell, Ludwig [Editor]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0030

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L2

Die Anlage der Stadt und deren Befestigung.

3. Ziegelthor, das ehemalige äussere Heselerthor, Stadtplan XVI, Tab. 12. Vor etwa 15 Jahren
wurde es angeblich im Interesse des Verkehrs seiner alten Thoreinfassung und des im Innern liegenden massiven
schmalen Treppenaufgangs beraubt. Auf keiner Seite besitzt es eine zu dem Wehrgang führende Pforte. Nach
aussen hatte es ein in einem langen steinernen Falz laufendes Fallgatter. An der westlichen Innenwand ist
eine Kreuzigungsgruppe gemalt, soviel die mangelhafte Erhaltung erkennen lässt, im Anfang des 16.
Jahrhunderts:

4. Das innere Holzthor (Stadtplan III, Tab. 6 und 15) ist in den Dimensionen das geringste und
hat noch die alten Rundbogenöffnungen ohne Profil. Vor der äusseren lief in langem Falz ein Fallgatter und
zwischen den Fenstern des obersten Geschosses kragt eine Console für ein Standbild aus. In der Höhe des
Wehrgangs liegen beiderseits Rundbogenpforten.

5. Das äussere Holzthor1) (Stadtplan IV, Tab. 15) ist nur ein Pforthaus ohne Thurm ähnlich dem
bei dem Haitzerthor erwähnten. Auch seine Spitzbogenöffnung hat man ruinirt und mit Eisenschienen überlegt,
obgleich durch dasselbe nur niedrige Wagen aus den Steinbrüchen und dem Wald kommen können. Ich selbst
habe noch 1881 die Spitzbogenöffnung gezeichnet. Auch hier war eine kleine Barbakane angebracht.

Von dem Rodert höre steht nichts mehr, nachdem im Jahre 1834 dasselbe abgebrochen2), weil 1825
ein ungeschickter Fuhrmann sich in demselben festgefahren hatte, gerade als der Kurfürst durchreisen wollte.
Es hatte ein Vorthor, welches im 16. Jahrhundert zu einer Rastion umgebaut worden war, von welcher noch
die südliche Hälfte mit dem malerisch ausgekragten Wachthäuschen, als Garten und Gartenhaus benutzt übrig
geblieben ist. Eine gute Zeichnung von Rubi (Tab. 15) giebt dasselbe von der Stadtseite, zur Ergänzung ist
die Zeichnung Hundeshagens auf Tab. 16 zu vergleichen.

Wo das Sültzenthor gelegen, welches in dem Gelnbäuser Wersehaftsbuch vom Jahre 1622 genannt
wird, ist nicht zu ermitteln. Vielleicht ist es identisch mit „Tränkepforte" oder einem andern untergeordneten
Ausgang (etwa für die Metzger) nach dem Wasser hin.

Sämmtliche Thorthürme hatten ursprünglich viel malerischer geformte Dächer, wie sie noch der Stich
von Merian zeigt. In denselben hingen Glöckchen, welche den Thurmwächtern neben den Fahnen zu Alarm-
zeichen und dergL dienten. Die Wächter, welchen auch andere städtische Obliegenheiten (z. B. das Einsam-
meln der Mahlzeichen zur Controlle der Mahlsteuer) übertragen waren 8), wohnten in kleinen der Mauer an
oder aufgesetzten Häuschen und im Thurm selbst, soweit er nicht wie der besonders feste Schiffthurm als Ge-
fängnis benutzt wurde. Die Ausschmückung der Aussenseite mit aufgemalten Reichsadlern seheint nach dem
Datum auf der Zeichnung des Röderthores Tab. 15, 1570 also im Zusammenhang mit der durchgreifenden
Revision der Befestigung geschehen zu sein, welche in dem Geschützverzeichnis von 1569 zum Ausdruck kommt.
Erheblich war die Schädigung der gesammten Befestigung im 30jährigen Krieg, die Dächer der Thürme, die
hölzernen Wehrgänge, ja sogar die Strassen vor den Thoren waren ruinirt, zum Theil so sehr, dass 1653 das
Burgthor zugemauert wurde, und dem Stadtmüller desshalb gestattet wurde, eine Durchfahrt nach der Mühle zu
brechen, wobei die Tränkepforte vermauert werden musste (Rathsprotokoll von 1698).

Noch 1656 versuchte man vergeblich die Mittel zur Herstellung der Thore und Mauern aufzubringen,
sodass vieles verfiel, ja sogar ganze Mauerstrecken einstürzten, ehe man eine riothdürftige Ausbesserung er-
reichen konnte.

Eine planmässige Zerstörung der alten Anlagen begann aber erst um 1765, und ging von der pfand-
schaftlichen Behörde aus, welche die Gefahr durch herabstürzende Steine (am Schmidtthor z. B.) beseitigen,
unnötige Reparaturkosten vermeiden, dagegen für Wasser- und Wegebauten billiges Material gewinnen wollte.
So brach um 1765 der Rentmeister den stumpfen Thurm = Ruperterthor und das Schmidtthor == innere Heseler-
thor, und 1781 die das Ziegelthor mit der Tränkepforte verbindende Mauer eigenmächtig ab, um mit den
Steinen das Pflaster zu bessern (Rathsprotoköll dieses Jahres).

») Die im Verzeichnisse 1569 die Wacht „die Geiss" genannt, im Rathsprotoköll 1681 aber das Hameethor (cf. Beschreib,
v. Birstein, Hamei; Cohauscn, Befestigungen p. 323 Ilameide).

'-) Akten des Stadtarchives. Abbruch des Röderthores betr. 1825 seq.
:') Bathsbeschluss von 1640; cf. Junghans p. 318.
 
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