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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0048

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Die Marienkirche

Baubeschreibung.

Die Marienkirche liegt auf einer ziemlich breiten Stufe des Bergabhanges, welche durch eine
Futtermauer im Süden zu einer langgestreckten Terrasse umgestaltet worden ist. An diese Mauer lehnt sich,
die Nordseite des Untermarktes bildend, schon seit alten Zeiten eine Häuserreihe, wie das romanische Rath-
haus im Osten, und Reste einer romanischen Kaufhalle („die Kreuzhacke") im Westen bezeugen, sodass nur
die Nordseite der Kirche frei zugänglich blieb, und als Schauseite ausgebildet wurde. Hier lag auch der
prächtige frühgothisehe Kerner, die Michaelskapeile und das heilige Grab, östlich dagegen, nur durch
eine schmale Gasse getrennt, der geräumige Pfarrhof, von welchem nur ein Nebenbau, der sogenannte Steitz,
sich erhalten hat. Bei der hohen Lage der Kirche kommt trotzdem ihre Südseite in dem Stadtbild voll zur
Geltung.

In ihrem heutigen Bestände ist die Kirche mit kurzen Worten zu bezeichnen als eine Basilika mit Kreuzschiff,
polygon geschlossenem Haupt- und halbrunden Nebenchören am Querschiff. Die Schiffe sind flach gedeckt, die
Chorparthie aber ist durchgängig gewölbt. Vor der Westseite erhebt sich ein starker quadratischer Thurm mit
Rhombendach, über der Vierung ein achtseitiger Thurm mit einem achtseitigen Kuppelgewölbe, welcher von
zwei schlanken Thürmen flankirt wird, die sich über den Nebenapsiden bis zur Höhe des mittleren erheben.
Die drei Chorthürme haben schlanke Zeltdächer über den Giebeln der Achteckseiten, und auch das Dach der
Hauptapsis ist zeltartig über ihren Giebeln erhöht.

Während die Schiffe und der Westthurm in einfachen Formen gehalten sind, steigert sich mit der leb-
haften Gruppirung der Ostparthie auch der Reichthum ihrer Gliederung und ihres plastischen Schmuckes in
einem Grade, dass der Bau zu den glänzendsten Leistungen des von rheinischen Vorbildern beeinflussten Ueber-
gangsstyles gerechnet werden muss. Es hommt hinzu, dass ein vorzüglich schönes Material die feinste Be-
handlung der sculpirten Theile gestattete, und dass bei dessen seltener Wetterbeständigkeit der grösste Theil
derselben in solcher Frische erhalten blieb, das noch heute die feinste Meiselführung sich erkennen lässt. Ein
günstiges Geschick hat den Bau vor allen schweren Katastrophen behütet, sodass die Restauration in den
70 er Jahren nur wenige Theile zu erneuern brauchte1).

Die reichlich beigegebenen Abbildungen und Pläne gestatten, die Beschreibung auf das nothwendigste
zu beschränken. Zum Schluss wird dann der Versuch gemacht werden, an dem Monument selbst unter Be-
achtung aller oft unscheinbaren Reste und Spuren eine Geschichte des Baues abzulesen, nachdem das über-
lieferte urkundliche Quellenmaterial als ein höchst dürftiges sich erwiesen hat, und nach den überaus sorg-
fältigen Forschungen berufener Historiker, welche in dem Urkundenbuch von Hanau niedergelegt sind, nicht
zu erwarten ist, dass noch neue Quellen von Belang erschlossen werden.

]) Um allen Irrthümern vorzubeugen sind unten auf Grund offieieller Quellen alle hauptsächlichen damals ausgewechselten
Theile verzeichnet.
 
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