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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0056

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38

Die Marienkirche.

Aufstellung von Chörstühlen gestatteten, ist anzunehmen, dass sie selbst ursprünglich als Sitze dienen sollten,
wie ja auch bis ins späte Mittelalter hinein, zahllose Wandblenden als Levitensitze in armen und reichen Kirchen
angelegt wurden sind.

Wandteppiche und Kissen werden zur Ergänzung gedient haben, wie zahlreiche bildliche Darstellungen
vermuthen lassen.

.Mit dein Bau gleichzeitig sind von allen Ausstattungsstücken nur die Mensen des Hauptaltars und der
beiden Nebenaltäre, sowie ein schönes Woihbecken auf der Südseite.

An= und Einbauten.

Die Sacristei.

Von dem Chor führt ein schmales, mit reichgekehltem Gewände geschmücktes Pförtchen über 5 Stufen
in die südlich angebaute Sacristei. Diese hat rechteckigen Grundriss und zwei Joche, deren Kreuzgewölbe
aus den Wänden des alten Baues hervorwachsende, an den Aussonwänden als Dienste bis zum Boden herab-
laufende, hohlprohlirte Rippen und Schlusssteine besitzen, deren östlicher sehr verwittert eine Hand mit Schlüssel,
der westliche eine Hose zeigt. Um die Sacristei anlegen zu können, ist der mittlere Chörstrebepfeiler, 'bei
der grossen Tiefe der inneren Vorlage ohne nachtheilige Kolgen für die Gewölbe), abgearbeitet worden. Nach
Osten bestand an Stelle der 1877 gebrochenen Thüre ein Masswerkfenster anscheinend von älterer Komi mit
einem Altar davor. Die Südfenster waren einfach rechteckig, haben aber bei der Restauration Masswerk er-
halten. Im Aeussern ist der hohlprohlirte Sockel und Dachsims zu erwähnen. An die Sacristei stösst östlich

Die Processionskapelle.

Sie hat unregelmässig siebenseitige Grundform, und im Aeussern über jeder der nicht an den alten Chorbau
stossenden Seiten einen steilen <liebe], welchen der hohlprohlirte Dachsims umzieht, und zum Theil nach alten
Fragmenten erneute Steinkreuze von verschiedener Form bekrönen. In den westlichsten derselben ist die aus
dem Giebel des nördlichen Seitenschiffes (cf. oben p. 32) stammende Rose eingesetzt, die andern haben an
gleicher Stelle kleine Drei- und Vierpässe. Zwei hohe und breite Spitzbogenthore mit reichgekehltem Gewände
durchbrechen die Giebelwand unter der Rose und die ihr parallel gegenüberliegende. Die Fenster haben gut
ausgeführtes, zweitheiliges, Fischblasen und gerade Stäbe enthaltendes Masswerk. An der Ostecke steht unter
einem reichen Baldachin ein sehr verwitterter, manierirter ecee homo, an dessen Consolen das Steinmetzzeichen
sich findet, welches mit den übrigen dieses Baues auf Tab. 196 unter 3 dargestellt ist. Neben dem Ost-
fenster ist eine von einem Wasserschlag gedeckte Tafel mit der erhaben ausgehauenen Minuskelinschrift
angebracht.

ttu-bm-m-cccc-I-j:
ttit-fuerunt-mftrt
fafirtce-nrufjl-br
uma-abrea§-l)er j Im

Im Innern entspringen die Rippen der beiden Gewölbejoche aus runden Eckdiensten mit eigenthüm-
lichen Basen (Tab. 51) resp. aus den Wänden des alten Baues und vereinigen sich in runden Schlusssteinen,
von denen der nördliche ein agnus dei. der südliche einen Doppeladler zeigt. An der Nordostwand steht über
drei Stufen ein Altar, dessen Körper aus Steinplatten gebildet, nach Süden offen ist. Die Deckplatte hat 2,34 m
Länge und 1,13 m Breite. Diese ungewöhnliche Einrichtung muss mit dem urkundlich und in der Tradition
unbekannten Zweck der Capelle im Zusammenhang stehen. Ich glaube dieselbe ähnlich wie die Mariencapelle
zu Frankenberg in Oberhessen mit dem Frohnleichnamsfest in Verbindung bringen zu sollen, auch wäre es
denkbar, dass sie bei feierlichen Begräbnissen zur Aufstellung des Sarges zur Aufbahrung benutzt worden wäre.
Die 'neiden correspondirenden grossen Thüren bei verhältaissmässig sehr geringer Grösse des ganzen Baues
erklären sieh nur durch das Vorüberziehen grosser Volksmengen an einem exponirten Gegenstand, da, wie aus
dem Stadtplan ersichtlich, die Ansammlung einer grösseren Menge vor den geöffneten Thoren durch die Enge
des Kaiiines hier ausgeschlossen ist. Gegenwärtig dient die Capelle zur Aufbewahrung von allerlei Bau-
fragmenten, und an ihren Wänden sind mehrere gemalte, ehemals im Schiff der Kirche hängende, für die
 
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