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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0058

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Die Marienkirche.

ist. Den Verschluss der beiden Chorthüren bilden schmiedeeiserne Gitterthüren, deren enge Kauten zierlich
aus durchgestecktem Quadrateisen hergestellt sind. Leider hat man sie der Heizungsanlage halber neuerdings
in überaus hässlicher, die ganze Wirkung des Lettners und des Chores störender Weise mit Blech beschlagen1).

Baugeschichte.

Die ecclesia sanete Marie in Geilnhusen wird bereits im Jahre 1151 (Urkb. I, p. 64) erwähnt.
Mag auch diese Urkunde, wie der Herausgeber des Urkundenbuches annimmt, gefälscht sein, so müssen doch die
thatsächlichen Angaben derselben richtig sein. Wenn die Urkunde in den Streitigkeiten des Klosters Seihold
mit der Stadt Gelnhausen um das Patronat (welche schon 1229, endgiltig erst 1238, Urkb. I, p. 131, bei-
gelegt wurden) als Beweismittel dienen sollte, so konnte doch unmöglich ein Recht an einer Kirche beansprucht
werden, von der jeder wissen musste, dass sie 70—80 Jahre zuvor noch nicht existirte. Das Patronat kann
auch nur von dem letzten Grafen von Gelnhausen geschenkt sein, welcher bereits in einer Urkunde von 1158
(Urkb. I, p. 71) als hone memorie quondam Gelnhusensis comes bezeichnet ist. Thatsächlich finden sich heute
noch Reste einer kleinen Dorfkirche in dem bestehenden Hau, welche der Zeit um 1150 angehören müssen.
Ganz zuverlässig wird die Kirche allerdings erst in der Bestätigungsurkunde des Pabstes Honorius III.
von 1223 (Urkb. I, p. 122,14), und in einer gleichen Urkunde des Papstes Gregor IX. vom Jahre 1238
(Urk. I, p. 157,4) als ecclesia sanete Marie (neben St. Peter, der Capeila (Godeberti?) und dem Hospital ge-
nannt. Weitere urkundliche Nachrichten aus älterer Zeit fehlen leider gänzlich, und nur wenige Inschriften,
welche an den Chorparthien des Baues eingemeis&elt sind, gebep einigen Anhalt. Die wichtigste derselben
befindet sich auf einem Quader, welcher bei der Erbauung der Sacristei aus dem dabei beseitigten Strebe-
nfeiler des Chores gebrochen, und an der Ecke der Sacristei wieder verwendet wurde. Wenn er auch etwas am
Rande beschädigt und verschmiert ist, kann doch die Zahl 1232 nicht zweifelhaft sein (cf. Taf. 58). Für die
Zugehörigkeit dieses Eckquaders zu dem Chorstrebepfeiler spricht das gleiche Material, gleiche Schichthöhe
und Oberflächenbehandlung. Der jüngste Theil des Baues, der Chorschluss, war demnach zu dieser Zeit schon
vollendet, was auch ganz mit den Daten anderer ähnlicher Bauten übereinstimmt.

Einige weitere Inschriften geben Kunde von Erdbeben, Stürmen u. dgl. aus dem 14. Jahrhundert, welches
für die Geschichte des Baues nicht mehr in Betracht kommt. Zwei geben noch das Datum des spätgothischen
Aufbaues der Seitenschiffe 1446, und des Anbaues der Processionscapelle 1467, und die jüngste (am Thurm)
von 1761 das einer durchgreifenden hauptsächlich das Innere betreffenden Renovation.

Aus dem obenbeschriebenen Bestand des jetzigen Baues lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit
folgende Baugeschichte ableiten, wobei allerdings darauf verzichtet werden muss, alle kleinen Verschieden-
heiten im Styl der Ornamente zu erklären, da diese offenbar vielfach uncontrolirbar individuell beeinflusst sind.

Erste Periode.

Vor der Mitte des 12. Jahrhunderts bestand eine kleine einschiffige, rhurmlose Dorfkirche. Von dieser
hat sich der untere Theil der Westwand mit einem Portal von ungeschickter Steinmetzenarbeit erhalten (Taf. 59).
Als Gelnhausen im Jahre 1170 zur Stadt erhoben war, erhielt die Kirche einen kräftigen Thurm, welcher ohne
Verband der Westseite vorgesetzt wurde, und dessen Untcrgeschoss eine auf drei Seiten offene Vorhalle bildete.
Wie bei der Baubeschreibung erörtert ist, läuft auch auf der Ostseite dieses Thurmes das dritte Gesims durch,
ist jedoch in der Mitte auf etwa ein Drittel seiner Länge unterbrochen. Die alte Kirche, welcher der Thurm
vorgesetzt wurde, muss demnach eine Giebelwand besessen haben, welche dies Gesims nebst dem darüber
liegenden, jetzt vermauerten Doppelfenster freilassend, jene Lücke gerade ausfüllte. Die daraus sich ergebende
geringe Höhe schliesst eine basilikale Anlage jedenfalls aus. Weiteres ist über diesen ersten Bau nicht zu
ermitteln, nachdem man bei der Herstellung der Marienkirche im Jahre 1877 versäumt hat, dessen gewiss noch
vorhandene Fundamente auszugraben.

Zweite Periode.

Noch am Schluss des 12. Jahrhunderts muss eine Erweiterung dieser bescheidenen Dorfkirche zu einer
Basilika stattgefunden haben.

Zunächst wurde unter Beibehaltung der alten Westwand ein neues höheres Mittelschiff errichtet, von
welchem sich als einzige Spur der Rest eines auf der Westseite in 2,3 m Höhe über dem zweiten Gesims des

') Statt etwa für die Wintenuonate leichte, mit Stoff bezogene I »oppclthiiren einzuhängen.
 
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