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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0101

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Die Michaelscapelle.

Auf dem Kirchhof der Marienkirche nahe der nordöstlichen Ecke lag ein zweistöckiger Quaderbau, der
im tJntergeschoss ein Beinhaus, darüber eine dem heiligen Michael geweihte,, dem Todtencultus dienende Capelle
enthielt. Bereits 1289 bestand die Capellä .St. Michaelis (Urkli. I. p. 485), lag in cimeterw ^rochie öpUli
Geilnkusen und hatte einen eigenen Capellan (Urkb. III, ]>. G2, 1352). Noch 1051 wurde eine Stiftung auf den
Allerseelehtag dabin gemacht (Stadtarchiv Gelnhausen, Zinsregister von 1547—521. Weiteres ist nicht über
dieselbe zu ermitteln gewesen.

Erst in der traurigen Periode, welche zahlreichen bedeutenden Denkmälern Gelnhausens verderblicher
wurde, als die Kriege der vorhergehenden Jahrhunderte, wird auch das Beinhaus wieder genannt. Kurfürstliche
Oberbaudirektion gez. Jüssow ordnete am 8. Juni 1822 (Akten des Kreisamtes Gelnhausen) den Abbruch der
..den Weg verengenden, alten, völlig unbrauchbaren Kapelle zum Besten des Publicums (!) wie der Stadt
Gelnhausen selbst, bei Gelegenheit der jetzt vorzunehmenden Pflasterung" an. Am 25. ejd. protestirte das
Presbyterium aus praktischen Gründen, da das Gebäude massiv, dauerhaft und in vollkommen gutem Zustand
auch der einzige Ort sei. wo die Effekten der Stadt und der Kirche sicher aufbewahrt werden könnten etc.
Es habe in Kriegszeiten zu einem Magazin und zur Aufbewahrung der Kriegsgefangenen gedient und so die
Kirche vor Verwüstung geschützt. Die Ausräumung der Gebeine in dem unteren Gewölbe sei bedenklich.
Deshalb könnten sie auch ohne den architektonischen Werth des Gebäudes in Anschlag zu bringen, unmöglich
für dessen Abbruch stimmen. Trotzdem wurde die Stadt mit Hülfe des Amtmanns Klingelhöfer gezwungen,
zuzustimmen, und der Abbruch auf Kosten der Wegebaukasse im Jahre 1825 durchgeführt (Akten des Kreis-
amtes Abbruch des Beinhauses betr. i. Leider ist auch nicht das kleinste sculpirte Fragment von dem Künstler
Jussow der Erhaltung würdig befunden worden, während doch die damals auf Kosten derselben Wegebaukasse neu
errichtete Kirchhofsmauer Gelegenheit gegeben hätte, ohne allen Aufwand alle charakteristischen Theile zu erhalten.
Nur Knills schöne Rädirung, welche auf Tab. 123 reproducirt ist, hat der Nachwelt ein Bild des hochinteressanten
Baues, des auf weite Strecken Deutschlands schönsten Beinhauses, bewahrt. Da er denselben aber nicht im
Text beschrieb, und auch auf der Tafel mir das heilige Grab bezeichnete, ist er in Fachschriften unbeachtet
geblieben, nicht einmal in dem Inventar der Baudenkmäler von 1871 genannt.

Nach diesen Abbildungen muss die Capelle in Uebereinstimmung mit der obigen Erwähnung von 1289
der besten Zeit des 13. Jahrhunderts zugeschrieben werden. Es ist denkbar, dass sie zu gleicher Zeit und von
demselben Steinmetz ausgeführt wurde, welcher den Lettner der Marienkirche schuf.

Alle Schöpfungen Jussows wiegen den Verlust nicht auf. welchen er durch brutale, nutzlose Zerstörung
dieses Denkmals der Kunstgeschichte zugefügt hat. Mit dem Beinhaus und seiner Michaelscapelle muss die
schöne Todtenleuchte in Verbindung gestanden haben, welche p. 152 erwähnt wurde, wenn auch urkundliche
Nachrichten über die Stiftung von „geluchte," auffallender "Weise fehlen.

Der Grundriss der Capelle ist leider nirgends überliefert, da auch die für den Chausseebau angefertigten
Bisse nicht aufzufinden waren, welche eine wenn auch nur oberflächliche Angabe desselben enthalten müssen.
Anscheinend hatte der Bau eine halbrunde, zu einem Thünnehen ausgebildete Apsis. Die Freitreppe wird von
Hundeshagen als „Pilati Richtplatz" bezeichnet, gehört nicht zu dem ursprünglichen Bau, und muss mit dein
.Masswerk des Westfensters zusammen einer späteren Erneuerung angehören.

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