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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0103

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Das Altaristenhaus.

genannt Steitz oder alte Abtei.

Mit dem Namen „Steitz1' wird jetzt ein kleiner massiver Hau bezeichnet, welcher in der Brauhausgasse
(ehemals Kirch- «der Pfarrgässehen), dem Chor der Marienkirche östlich gegenüber liegt (Stadtplan Nr. 14).

Er ist identisch mit der zellen und husinge, welche im Jahre 1424 der Altarist Gerhard Orkige für
seinen Mathiasaltar in der Pfarrkirche in dem parrehofe geyn dem Kirchhofe hinder dem Kore gemachet und
offgeslagen hatte. Der Rath hatte dies zu verhindern gesucht, da er befürchtete, dass der Hau dem Chor
das Licht wegnehmen würde und seine Vollendung' erst gestattet, nachdem Orleige und der Pfarrer Namens
des Abtes von Seibold sieh verpflichtet hatten, ihn nicht höher zu bauen, dann die bueice und Kammern die
darnebent sin und keinen mee. (Marburg. Staatsarchiv. Landscheide- und Bürgerbuch von Gelnhausen Hl. 67).
Der Name mag desshalb mit „stutzen" = abkürzen, erniedrigen, zusammenhängen, übertrug sich aber auch
auf den daneben stehenden später (?) erhöhten und im Oberstock mit ihm verbundenen Thorhau, dessen
spätgothische Pforte Tab. 138 abgebildet ist. Im Jahre 1791 war nach einer Anzeige des Rentmeisters „der
Tliorbau, oder sogenannter Steitz, an des Herrn Oberpfarrers Behausung" baufällig geworden, und es wurde
desshalb beschlossen, ein Stockwerk herunter zu nehmen. (Archiv der Stadt Gelnhausen, Deputationsprotokoll
1790—92). Dieser Thorbau bildete den Eingang zu dem Pfarrhof, welcher, wie alte Umfassungsmauern be-
zeugen, und wie danach auf dem Stadtplan angedeutet ist, ehemals einen sehr erheblichen Umfang besass.
zum Theil jedoch, wie der Thorbau selbst, in Privatbesitz gelangt ist. Während der Steitz ursprünglich zu einer
Wohnung des Altaristen des Mathiasaltars und wohl auch zur Entlastung der ungenügenden Sacristei gedient
hatte, muss er später als Absteigequartier für den Abt von Selbold verwendet worden sein. Schon 1535
heisst er desshalb in einem Notariatsinstrument „Apthei" und 1543 17/2 behielt sich der Abt in dem Abtretungs-
vertrag mit der Stadt lebenslängliche Benutzung desselben vor. (Marburg. Staatsarchiv. Dep. Urk. von Geln-
hausen). Auch 1604 nennt ein Werschaftsbuch der Stadt den Hau so, „die Kastenmeister thun Wersehaft M.
Joanni Prätorio Pfarrherrn et ux. Adelheit wegen der Behausung die Abtey genannt, am Pfarrhof und gegen
dem Pfarrkirchhof gelegen." Es scheint also als ob er nach dem Ableben des Abtes im 16. bis 18. Jahrhundert
als Pfarrwitwenhaus benutzt sei, und so hatte er sich wohl verwahrlost und schliesslich zum Holzstall und
Waschhaus degradirt, aber von jeder späteren einschneidenden Veränderung verschont erhalten, und konnte
vom Verfasser noch in den Jahren 1881 und 94 studirt und aufgenommen werden.

Der Befund des Baues im Jahre 1894 war folgender, wobei auf die Ansicht Tab. 136, Plan und
Durchschnitt Tab. 135, sowie Detail 137 und 138 verwiesen werden kann. Das Ganze ist aus getünchtem
Bruchsteinmauerwerk errichtet. Auf der Nordseite des Erdgeschosses liegt die schmale rundbogige Kingangs-
thüre, von welcher in einem schmalen auf der Giebelseite abgetrennten Baum eine steinerne Treppe zum Ober-
stock führte. Links neben der Thüre ist in der Ostwand ein giebelfönnig gedeckter Wandschrank ausgespart
und daneben liegt ein zweitheiliges Spitzbogenfenster mit Sitzen in der Mauerdicke, an welches sich weitere
drei Kreuzstockfenster mit Sitzbänken schliessen. Die Südwand — an den Thorbau gelehnt — scheint keine
Fenster gehallt zu haben.
 
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