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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0119

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Die beiden Rathäuser.

A. Das alte Rathaus.

Gelnhausen hat vor vielen Städten den Vorzug, dass die Bauten, welche von der Zeit der Gründung
an für städtische Gerichts- und Verwaltungszwecke errichtet wurden, nebeneinander bestehen blieben, und in
der Hauptsache intakt und in ihren alten Dispositionen erkennbar auf uns gekommen sind, wenn auch Brände,
Umbauten und Einrichtung zu fremden Zwecken manche Einzelheiten zerstörten.

Zum Verständnis der Disposition dieser Bauten muss die Entwicklung der städtischen Verfassung in
ihren Hauptzügen geschildert werden. Bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts besorgte der kaiserliche villicus
(der meyer der Pfalz nebst Zubehör), von da ab ein vom Kaiser bestellter Schultheis (scultetiis), mit Schöffen
(scabini), Rechtsprechung und Verwaltung zugleich.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts mit zunehmender Blüthe der Stadt und wachsender Complication
der Lebensverhältnisse trat dann eine gewisse Scheidung der Rechtspflege von der Verwaltung ein, indem
Schultheis und Schöffen nur die erstere behielten, die Verwaltung des städtischen Vermögens, der Einkünfte,
sowie die Gewerbe-, Wohlfahrts- und Sicherheitspolizei in unserm Sinn, aber an einen Rath (eonsules) und
Bürgermeister {magister civium) überging. Auch konnten die Schöffen von da an nur aus der Zahl der Raths-
herrn gewählt werden. Die Verpfändung der Stadt änderte an diesem Verhältnis nichts, ausser dass an
Stelle des Kaisers die Pfandherrschaft den Schultheis — später Amtmann genannt — ernannte, und dass
fortwährend Streitigkeiten über die Competenz zwischen Bürgerschaft und Pfandherrschaft bestanden.

Während die meisten Gerichtsverhandlungen der Gau- und Centgerichte etc. bis tief ins Mittelalter
hinein unter freiem Himmel abgehalten wurden, wird es in den engumschlossenen Städten schon als ein er-
heblicher Culturfortschritt betrachtet worden sein, wenn solche in offenen Hallen stattfanden. Man darf
also in dem an der Nordostecke des Untermarktes dem Chor der Marienkirche gegenüber gelegenen
romanischen Profanbau wohl das für die amtliche Thätigkeit des villicus später scultetus bestimmte Ge-
bäude, das ursprüngliche Rathaus der Stadt Gelnhausen erkennen (Stadtplan Nr. 16). Der Bau
hat ganz die Einrichtung eines alten Burgpalas, und würde, wenn irgend ein Umstand oder eine historische
Nachricht dies gestattete, entweder als ein Rest des Sitzes der Geinhäuser Grafen oder als ein provisorischer
kaiserlicher Palas, während des getheilten Besitzes resp. des Umbaues der alten Grafenburg auf der Kinzig-
insel angesehen werden können. Jedenfalls musste er zu öffentlichen Zwecken gedient haben, da er nur aus
zwei ungetheilten Räumen von 9 : 13 m bestand, von denen der obere nur offene Arkaden besass.

Eine Bestätigung der Annahme, dass der Bau das alte Rathhaus gewesen, scheint in der Orts-
bestimmung eines Zinsregisters vom Jahre 1426 zu liegen, wo es heisst: „zinse an dem buwe unser lieben
frawen cappellen retro pretorium" (Berlin Stadtbuch, Hl. 177), eine Bezeichnung, die 1370 (Urk. III, p. 729)
bereits vorkommt: „item Johannes Steynmecze dabit XL sol.de domo . . . que sita est apudpretorium". Mit „unser
 
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