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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0120

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102

Das alte Rathaus.

lieben frauen Capellen" wird die Marienkirche bezeichnet, z. B. bei dem Sturm, welcher 1412 den Thurm
derselben in den Pfarrhof warf (Geinhäuser Bürgerhuch).

Ein Kaufhaus kann es nicht gewesen sein, da die Errichtung eines solchen erst 1330 von Kaiser
Ludwig dem Baier gestattet wurde 1).

Merkwürdigerweise nennt keine Urkunde und kein späteres Aktenstück den auffälligen Hau, obgleich
er noch lange im Besitz der Stadt geblieben sein muss, wie unten ausgeführt wird. Im 17. Jahrhundert ist
er dann durch ein davor errichtetes Fachwerkhaus völlig verdeckt und so Fachkreisen unbekannt geblieben,
bis Verfasser denselben im Jahre 1881 bei einem eingehenden Studium der alten Profanbauten Gelnhausens
fand, und in dem Anzeiger des Germ. Museums (Jahrg. 1881) beschrieb. Im Oktober 1885 wurde dann im Central-
blatt der Bauverwaltung ein im Jahr 1881 nach erfolgter Freilegung verfasster, mit Abbildungen versehener
Aufsatz des Conservators H. v. Dehn Kotf'elser über denselben aus seinen nachgelassenen Papieren veröffentlicht
(p. 437—9). Den Zustand vor der Freilegung giebt unsere Tafel 140, den nach derselben 141, nach der so-
genannten Herstellung 142, Details und Risse 143—7.

Baubeschreibung.

Der massig grosse Bau steht in der Entfernung von ca. 14 m von der Terrassenmauer des Pfarr-
kirchhofes an der Nordostecke des Untermarktes, an welchem die Sitze der angesehensten Patricierfamilien
der Breitenbach, Schelm, Gaudern u. a. lagen, an dem wichtigsten vom Haitzerthor durch die Langgasse zum
Röderthor führenden Strassenzug. Fr ist aus gut lagerhaften, ziemlich gleich und massig grossen Sand-
bruchsteihen aufgeführt, denen durch eingeritzte Linien im Fugenputz das Ansehen eines regelrechten Quader-
werkes gegeben war (jetzt vertüncht). Alle Details sind sorgfältig mit feinen Fugen aus fein senkrecht
scharrirtem Haustein ausgeführt. Dem ansteigenden Terrain entsprechend, stand vor dem Unterstock auf
der Südseite ein mit ursprünglich 3 offenen Tonnengewölben versehener Vorbau, den eine auf Rundbögen aus-
gekragte Brustwehr umgab, während die westlich auf denselben führende Freitreppe dem erwähnten Fach-
werkbau hatte weichen müssen. Der Vorbau, wenn auch etwas roh ausgeführt, gehörte zweifellos zur ursprüng-
lichen Disposition und ist auf Tab. 140 wohl zu erkennen. Von diesem Vorbau führte ein nicht genau in der
Mitte liegendes reiches Kleebogenportal (Tab. 145), und zwei weitere ganz einfache unprofilirte Rundbogen-
thüren in das Erdgeschoss, welches ursprünglich einen ungetheilten Raum bildete, an dessen Ostwand eine
niedrige Säule Tab. 146 sitzt, die zweifellos als Rest eines Kamines anzusehen ist. Die Decke des Keller-
geschosses hatte die aus Tafel 147 ersichtliche merkwürdige und jedenfalls ursprüngliche Construktion aus
mächtigen, dicht liegenden Eichenbalken mit Bohlenbelag, auf dem in eine dicke Sandlage grosse Sandstein-
platten gebettet waren. Auch die mittlere Decke mit einem Gypsestrich-Belag auf starken Eichenhohlen wird
die alte gewesen sein, wenn auch die Säulen und Unterzüge einer Reparatur des 15. Jahrhunderts
angehört haben. Diese stellte eine direkte Verbindung beider Stockwerke durch eine schöne hölzerne
Wendeltreppe her, während ursprünglich auf der Westseite eine äussere Freitreppe dahin geführt haben
muss, wie eine Reibe von Consolen und eine vermauerte Thüre beweisen (Profil der Säule auf Tab.
148). Die Beleuchtung des Unterstockes war eine mangelhafte, indem auf der Frontseite nur die offenen
Thüren eine solche gewährten, während jede Spur eines gleichzeitigen Fensters fehlt. Auf der West-
seite waren bei dem späfgothischen Umbau grosse rechteckige Kreuzstockfenster mit hohlprofilirtem Ge-
wände eingebrochen, und eben solche auf der Ostseite, wobei wohl anzunehmen ist, dass an denselben
Stellen sich kleine romanische befunden hatten. Neben der Stelle der Wendeltreppe war dann im 16. Jahrb.
ein kleines Pförtcben mit einfach verziertem Bogenschluss eingesetzt worden, welches jetzt vollständig
beseitigt ist (cf. Tab. 148). Nördlich führt eine Stichbogenthüre in den anstossenden späteren Anbau.

') Die betr. Stelle der Urkunde (Urk. II, p. 332) lautet:

. . . von .unser kegsirlicheu Gewalt eyn Kauffhues in die stat Geylnhusen gepauwen und machen mögen das alle
die recht haben sal mit der wagen und alle andern rechten dg ander Kauffhuser unser und des rgehs stete habent. Im rothen
Buch war zu der Abschrift dieser Urkunde von alter Hand bemerkt: Dieses Kaufhaus war vorziiden gebaut uf dem obern markt
und ist nu verfallen. Da das rothe Buch leider nicht mehr im Original vorhanden ist, lässt sieh nicht entscheiden, ob dieser Eintrag;
der Zeit seiner Entstehung circa 1440 oder der Fortsetzung bis zum 18. Jahrhundert hin angehört.
 
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