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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0122

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Das jetzige Rathaus.

Die Herstellung im Jahre 1882 geschah durch den Regierungsbauführer Schwartze, nach den Angaben
des Geheimen Oberbauraths Haase in Hannover, nachdem Consul liecker den Bau erworben hatte.

Wie schon in dem Centralblatt a. a. 0. betont ist, kann dieselbe nicht als gelungen gelten, und
es muss vom Standpunkt der Pflege unserer heimischen Denkmäler aufs tiefste bedauert werden, dass ein Bau
von so hervorragendem bau- und kulturgeschichtlichem Werth nicht wie es auch der Wunsch des Verfassers war
vom Staat erworben wurde, und nach Beseitigung der Bauschäden in der historisch gewordenen Form, ohne
Rücksicht auf eine praktische Benutzung, lediglich als Denkmal erhalten blieb. Die Zahl der erhaltenen
romanischen Profanbauten in Deutschland ist wahrlich klein, genug, um den höchsten Aufwand für jeden einzelnen
zu rechtfertigen. In der Weise intakt, und auch in den späteren Zusätzen wieder interessant, wie das Geln-
häuser Bathaus, ist keiner derselben — gewesen. Es will wenig bedeuten, dass jetzt die Dachform fragwürdig,
das Hauptgesims eine archäologische Unmöglichkeit ist ; dass man sich aber nicht scheute, den charakteristischen
Vorbau der Eingangsthüre zu zerstören, das Untergeschoss total zu verändern und die ganze wichtige Innen-
einrichtung hinauszuwerfen, ist unverzeihlich, und ein unersetzlicher Verlust.

B. Das jetzige Rathaus.

Ks liegt am Obermarkt (Stadtplan Nr. 17) und trägt weder eine Jahreszahl, noch ist urkundlich etwas
über seine Erbauung bekannt. Den Hauformen nach ist es wie gesagt, an das Ende des 15. Jahrhunderts zu setzen.

Die Ansicht auf Tab. 149, Bisse auf 148, geben eine hinlängliche Vorstellung von seiner Gestalt und
Einrichtung. Da das alte Rathhaus offenbar noch lange benutzt ist, dürfte die Annahme, dass in unserem Bau
das vergeblich gesuchte Kaufhaus zu sehen sei, um so mehr Wahrscheinlichkeit haben, als die Einrichtung des
Unterstockes vollkommen für ein solches passt. In denselben führten auf der ursprünglich vollkommen
symmetrischen Front zwei, auf der Ostseite ein (jetzt vermauertes) Thor, in eine lange, von 12 starken Holz-
säulen mit Kopfbändern getragene Halle, welche mit dem Oberstock keine Verbindung hatte, zu dem vielmehr
eine äussere Treppe führte, deren Beste jetzt in dem anstossenden, zur Aufnahme einer Waage und zu Kellern
1584 errichteten Bau liegen. In dieser Halle werden die gröberen Waaren gelagert und feilgehalten sein,
Während werthvollere und empfindlichere wie Tuche, Gewürze etc. im Oberstocke ausgelegt waren. Letzterer
muss schon 1551 vorhanden gewesen sein, da ein mit einfachem Ornament gezierter Wandschrank in der Ost-
wand angebracht ist, der jetzt hoch in dem modernen Treppenraum liegt.

In dem Anbau tragen schöne Säulen (Tab. 148), die Decke, während die Säulen des Hauptbaues
ganz einfach gehalten sind, aber noch dem ursprünglichen Bestand angehören. Leider haben wiederholte
Brände das Haus heimgesucht. So 1615 (Junghans p. 308) und schliesslich 1736. Letztere zerstörte den
Dachstuhl und den Oberstock zum Theil, aber damit auch einen grossen Theil des Archivs.

Solange der Bau als Kaufhaus diente, bildete der Oberstock, wie der untere, einen ungetheilten, mit
entsprechenden Deckenstützen versehenen Saal. Als aber um die Mitte des 16. Jahrhunderts eine durch
mancherlei „Ordnungeu" charakterisirte Neugestaltung der ganzen städtischen Verwaltung eintrat, verlegte man
den Sitz derselben, um wohnlichere, dem Marktverkehr näher gelegene Bureauräume zu erhalten, hierher, war
aber schon 1584 genöthigt, einen Anbau zu errichten, wohl um die noch im alten Rathhaus verbliebenen
Bureaus mit den neuen zu vereinigen.

Ueber die ursprüngliche Eintheilung des Oberstockes aus dieser Zeit ist nichts positives aus schrift-
lichen Quellen zu entnehmen. Da jedoch der alte äussere Treppeneingang bis in unser Jahrhundert bestehen
blieb, die Scheidewände an die alten Säulen des Unterstockes gebunden waren (und noch jetzt sind), ist an-
zunehmen, dass die Eintheilung der jetzigen glich. Da der erwähnte Wandschrank nicht auf einem Corridor
liegen konnte, wird eine Scheidewand nach e f Tab. 180 einen Saal begrenzt haben, und eine zweite g h
ein kleineres Zimmer. Der Anbau dürfte nach a b und c d getheilt gewesen sein. Nach dem Brand von
1736 ist dann der Saal A verkleinert worden und an Stelle der sicher massiven Westwand trat eine solche
aus Faehwerk. Die weitere Zertheilung der wenigen grossen Räume geschah dann in diesem Jahrhundert.
Ks wäre demnach in A der bereits 1570 „Sommerhaus", 1668 „Sommerstube" auch 1669 „ Aaidienzstube", ineist
„grosse Rathsstube" genannte Raum zu sehen, im Gegensatz zu der „Bürgerstube" B, in welcher (nach dem
Rathsprotokoll von 1688) Bürgermeister und Syndicus „an der Scheibe" sitzen, vor welcher die Petenten zu
 
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