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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0141

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Bieber.

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Bieber.

Flecken von 800 Einwohnern, 2'/2 Stunden südöstlich von Gelnhausen. Der Name kommt erst 1339
vor, und lautet da: Bibera, Biberach, 1343 Biebern, und bedeutet (Arnold p. 466) Bieberwasser oder -tiuss.

Der Ort war Sitz eines dem Erzstift Main/, gehörigen und an die Grafen von Kieneck verliehenen
Gerichtes, welches Breitenbach, Büchelberg, Gassen, Lanzingen, Röhrig und Hossbach umfasste und damit, wie
auch noch jetzt, zugleich eine Pfarrei bildete. Als 1339 die Grafen von Rieneck-Rothenfels ausstarben, ent-
stand Streit zwischen Mainz und den Agnaten, der durch einen Schiedsspruch beigelegt wurde, wonach die
Lehnsherrlichkeit anerkannt, die erledigte Hälfte an Hanau verliehen wurde. Die andere Hälfte fiel nach
dem Aussterben auch der zweiten Grafenlinie an Mainz heim (1559), und dieses übte mit Hanau die Landes-
hoheit gemeinschaftlich bis 1684 aus. Der Ort kam dann 1736 mit Hanau an Hessen.

Von wesentlichem Einfluss auf das Gedeihen des armen Walddorfes war der um 1494 aufkommendex)
Bergbau, auf Silber, Kupfer und Blei, später auch Eisen. Es wurden sogar Hanauer Thaler aus Bieberer
Silber geprägt, und die lutherische Kirche bewahrt noch Altargeräthe aus solchem (cf. unten). Der Betrieb
lag ursprunglich in den Händen von Gewerkschaften als Leben von Hieneck und Hanau, dann Hanau und
Mainz, seit 1546 von Hanau allein. Nach dem Anfall an Hessen übernahm der Staat den Betrieb, welcher
hauptsächlich auf Eisen und Kobalt beschränkt wurde, unter Leitung des bekannten Cancrin. 1784 wurde
die Gewinnung von Silber, Kupfer, Blei, 1858 die von Kobalt und neuerdings auch die von Eisen aufgegeben,
da das Vorkommen zu gering war. Das übrigens vorzügliche Roheisen wurde in Masseln ausgeführt, nicht
vergossen, sodass insbesondere Oefen hier nicht entstanden.

Die Pföfanbauten des Ortes, auch die der Hütte, sind durchaus charakterlose Bedürfnissbauten, und
geben kaum über das 18. Jahrhundert hinaus.

In kirchlicher Beziehung gehörte Bieber im Mittelalter zu dem Archidiakonat von St. Peter und
Alexander in Asciiaffenburg. Das Präsentationsrecht besasseti um 1400 die Grafen von Hanau (Urk. IV,
p. 790); es muss also eine selbständige Pfarrei damals schon bestanden haben.

Die lutherische Pfarrkirche,

deren alter Titel unbekannt ist, liegt auf dem höchsten Theil der Stadt inmitten eines ummauerten
Todtenhofes, der zur Vertheidiguug eingerichtet, wohl noch die einfachen Schlitzscharten, aber nicht mehr
das alte Thor besitzt. Wie die Grnndrissscizze Tab. 242 erläutert, bestand sie ursprünglich aus einem nach-
gedeckten rechteckigen Schilf und einem quadratischen, als Thurm ausgebildeten, mit einem Kreuzgewölbe
überdeckten Chor. Dieser hat einen Sockel mit Hohlkehle, und in Gewölbehöhe ein Wassorselilaggesinis. Die
Fenster sind im 18. Jahrhundert zu rechteckigen erweitert, doch hat das südliche noch hohl profilirte Gewände
und einen Mittelpfostenansatz;. An den Thurm lehnt sich nördlich eine tonnengewölbte Sacristei mit gefaster
Rundbogenpforte nach dem Chor, moderner (eingebi-oeheniei-) Aussenthüre.

An diese kleine Kirche hat man 1756 (I am Westportal) einen geräumigen Anbau gesetzt, und die
schon im alten Theil im 17. Jahrb. (1660) errichtete Empore SO fortgeführt, dass ein saalartiger Räum ent-
stand, in welchem die Kanzel an die südliche Ecke des einfach gefassten Spitzbergen alten Triumphbogens,
der Altar in die Mitte zu stehen kam, während der Chor mit Sitzbänken gefüllt wurde. Anbau und Schiff
erhielten gleiche nüchterne llundbogenfenster mit Holzrahmen und kleinen Hechteckscheiben, der Thurm ein
hölzernes Obergeschoss und ein geknicktes Zeltdach.

Die Emporen haben gedrehte Säulen und einfaches Täfelwerk mit grossen Feldern, die ursprünglich
sämmtlich bemalt waren. Nur zwei Füllungen mit einem hessischen Wappen von 1797 und dem Apostel
Paulus, sind bei dem Bau der modernen Orgel als abkömmlich herausgenommen, und in der Sacristei aufbewahrt,
während die übrigen nach einer sehr dankensw7erthen Anregung des Herrn Pfarrers mit Leinen überspannt

') Vgl. Arnd, Geschichte von Unnau, p. 467.

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