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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0144

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Birstein.

Birstein.

Flecken 4 Stunden nördlich von Gelnhausen im alten Gericht Reiehenbach, jetzt Amtsgericht Bir-
stein. Residenz des Fürsten von Isenburg-Birstein. Der Name des Ortes lautet bis zum Ausgang des Mittel-
alters: hirsinstein, hvrsinstein, endlich 1510 Birsteyn, und ist wohl von einem Bachnamen — analog der birs
in der Schweiz — oder wie Arnold (p. 482) meint, von birsen = jagen abzuleiten.

Das Castrum bir&enstein kommt 1279 zuerst vor. Neben den castrenses, den Burgniännern, erscheinen
zuerst 1372 oppklani et villcmi (Urk. III, 752), welche wohl von den Herren von Isenburg angesiedelt worden,
sind, denn sie heissen dort: ad dottiinium llnnrki et Johannis de Isenburg spectantes et pertinenfes. Die Ent-
wicklung der Besitzverhältnisse war die gleiche wie die des Gerichtes Reiehenbach. und ist deshalb in dem.
Abschnitt Unterreichenbach mitbehandelt.

Ueber den Ort selbst sind geschichtliche Nachrichten nicht zu ermitteln gewesen. Es fehlen dem-
selben ausser der schlichten, relativ jungen Dorfkirche auch alle irgend bemerkenswerthe Bauten-, selbst die-
älteren Fachwerkhäuser von wesentlich ländlicher Disposition zeigen eine geringe formale Ausbildung, sodass
sieh das Hauptinteresse auf das umfängliche fürstliche Schloss concentrirt.

Die Pfarrkirche

Birstein war im Mittelalter Filial von Reiehenbach, und scheint eine eigene Capelle erst spät erhalten zu hahen,.
da die Grafen von Weilnau. die Besitzer des Schlosses am Ende des 14. Jahrhunderts, sich sonst wohl
am Orte hätten begraben lassen (cf. Abschnitt Uuterreichenbach). Dementsprechend wird die Capelle von
Birstein auch erst 1488 in einem Competenzregisfer der Kirche zu Reichenbach erwähnt, und erst 1518 ver-
pflichtet sich der Frühmessner dortseihst, wöchentlich eine Messe in Birstein zu lesen (Pfarrarbhiv zu Reiehen-
bach). 1535 trat dann der Pfarrer zu Reiehenbach sein Patronatsrecht über die Capelle an den seit kurzem.
(1521) zu Birstein residirenden Draf'on Johann V. von Isenburg ab, sodass mit Einführung der Reformation
dort eine selbständige Pfarrei entstand, für welche 1556 ein eigenes Pfarrhaus gebaut wurde, Üeber die
erste Anlage und die Schicksale der Pfarrkirche vor und in dem 16. Jahrhundert ist nichts zu ermitteln
gewesen. Ks ist auch wohl sicher, tlass obige älteren Nachrichten sich auf die Schlosscapelle beziehen.,
und dass die Dorfkirche erst bei der Errichtung einer protestantischen Pfarrei um 1556 von Grund auf neu-
erbaut wurde. Hierfür spricht schon der Grundriss ohne Chor, dann auch das Detail des ältesten Bautheiles
des Westportals. Die ersten Nachrichten, welche überliefert sind, bieten die auf dem Archiv zu Büdingen
aufbewahrten Baurechnungen, welche sich auf Schloss und Kirche zugleich beziehen. Danach wurde 1644
„Augusto Rümpfen", wohl dem Sohn des Hanauer Baumeisters Joachim Rumpf (welcher, wie p. 135 erwähnt,
am Schloss thätig war), „Die Kirche verdinget, dass er alles darin ausserhalb den Fenstern wie vor Alters:
gewesen soll machen lassen." Dieser Auftrag wurde ertheilt, weil im Jahr zuvor die Schweden in Birstein
arg gehaust, unter Graf Königsmark das Schloss besetzt und in acht Monaten so gründlich verwüstet
hatten, dass der zurückkehrende Graf v. Isenburg es 1644 ohne Thüren und Fenster, allen Mobiliars ent-
blösst. wiedei- fand. Dabei war auch die Kirche nicht verschont geblieben. Es fand ein vollständiger Fnibau
statt, bei dem die Mauern erhöht wurden, um Kniporen anzulegen. Bereits 1676 war jedoch der Glocken-
stuhl wieder schadhaft, und die Sprengwerke des Schiffes, „wie denn keine Säulen in der Kirche stehen",,
bedurften einer Reparatur. Auf der Empore erbaute 1688 Jost Schleich aus Lohr eine Orgel. Im Jahr 1701
war die Kirche zu eng geworden, sodass man abermals einen durchgreifenden Umbau vornehmen niusste.
Bei demselben wurde der gesammte Innenbau und der Dachstuhl erneuert, der Thurm um ein Stockwerk
erhöht, und mit neuem Helm versehen. Es wurde eine zweite Emporenetage angelegt, und die Decke erhielt
eine neue Täfelung mit Fugenleisten. Schliesslich wurde durch den Orgelbauer Christian Waldhelm „aus
Bayern" eine neue Orgel erbaut. In diesem Zustand hat sich die Kirche im wesentlichen bis zur Gegen-
wart erhalten.
 
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